Ulrich Weitz

„Wir liefern in Sachen Nachhaltigkeit eine Menge“

Der selbst ernannte „Greentech-Pionier“ Ibu-Tec will mit seinem Geschäftsmodell zu mehr Klimaschutz und einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beitragen. Derzeit stehen die Weimarer in den Startlöchern, um ein eigenes Batteriematerial auf den Markt zu bringen. Die Aktie hat das zuletzt kräftig befeuert.

„Wir liefern in Sachen Nachhaltigkeit eine Menge“

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Für das Spezialchemieunternehmen Ibu-Tec rückt der Moment, dem die Anleger schon seit Monaten entgegenzufiebern scheinen, immer näher: Ab Anfang des vierten Quartals dürfen die Weimarer ihren ersten eigenen Rohstoff für Lithium-Eisenphosphat-Batteriezellen (LFP) auf den Markt bringen. Dann nämlich läuft ein entsprechendes Patent für ein Material aus, das Ibu-Tec bislang als Entwicklungs- und Produktionsdienstleister hergestellt hat. Die Hoffnungen, die an der Börse mit dem Thema Batterieherstellung und Elektromobilität verknüpft werden, sind riesig: Allein die Ankündigung sorgte im Oktober vergangenen Jahres für einen Kurssprung von zunächst einem Viertel. Seitdem hat sich der Aktienkurs sogar mehr als vervierfacht.

Auch Ibu-Tec selbst verspricht sich viel von dem neuen Wachstumstreiber: „Wir sind sehr optimistisch, dass das eines unserer größten Produkte ab Ende 2021 wird“, sagt Unternehmenschef Ulrich Weitz im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Im Vergleich zu anderen Batteriematerialien könne LFP mit einigen Vorteilen aufwarten: So sei das Produkt aufgrund der Rohmaterialien in der Herstellung günstiger und umweltfreundlicher als zum Beispiel Nickel-Mangan-Cobalt-Akkus (NMC), die vornehmlich in Autos verwendet werden, die lange Distanzen realisieren sollen. Demgegenüber komme LFP, das außerdem nicht brennbar und somit sicherer ist, immer häufiger in kleinen Elektroautos zum Einsatz, die hauptsächlich dafür gedacht sind, kurze Distanzen in der Stadt zurückzulegen. In diesem Marktsegment erlebe LFP derzeit „eine Renaissance“.

Mit Varta führt der Spezialist für thermische Verfahrenstechnik be­reits fortgeschrittene Gespräche für einen Liefervertrag. Mit weiteren Unternehmen steht Ibu-Tec in Verhandlung. „Wir planen sogar eine Vorratsproduktion, um den Markt nach Auslaufen des Patents zu bedienen, aufgrund der sehr guten Resonanz am Markt“, sagt Weitz. Die Kapazitäten dafür baut Ibu-Tec derzeit auch mithilfe einer im März erfolgten Kapitalerhöhung aus, bei der das Unternehmen etwas über 25 Mill. Euro generiert hat.

Gute Aussichten in Asien

Um mit dem Batteriematerial überall dort vertreten zu sein, wo es im möglichst breitem Maßstab zum Einsatz kommt, hat Ibu-Tec Mitte Juni eine umfassende Kooperation mit einem asiatischen Vertriebspartner geschlossen. Potenzial sieht Weitz in dem Markt nicht nur aufgrund der dortigen Präsenz vieler globaler E-Auto-Bauer, sondern auch mit Blick auf den Einsatz der Batterien in Fahrrädern, Mopeds oder E-Scootern. Hinzu kommt für den CEO die Aussicht darauf, sich mit dem eigenen Material in Sachen Sicherheit und Qualität von der asiatischen Konkurrenz abzugrenzen. „Wir punkten mit einer sehr hohen Qualität, die viele Wettbewerbsprodukte nicht aufweisen. Entsprechend ist unser Material leistungsfähiger und für bestimmte Anforderungen besonders geeignet“, so Weitz. Das gehöre generell zur Strategie von Ibu-Tec: Die Positionierung als Nischenproduzent, dessen Materialien preislich im höheren Segment liegen, womit sich auch bessere Margen erzielen lassen.

„Wir sind ein erfolgreicher Ni­schenproduzent, bei dem Mengen von 20000 Tonnen aktuell viel sind, weil wir einen bestimmten Markt adressieren“, sagt Weitz. Auch deshalb werde man „den Teufel tun“ und sich mit dem Batteriematerial nur auf die Automobilindustrie konzentrieren. Stattdessen arbeitet Ibu-Tec daran, dass das Material in möglichst unterschiedlichen Anwendungen zum Einsatz kommt, so zum Beispiel in der stationären Energiespeicherung, aber auch im Bereich Hörgeräte und Kopfhörer, in Bootsmotoren oder aber im Digitaldruck.

Bis zum Jahr 2025 sollen sich die Umsätze in der Sparte mehr als verzehnfachen und dann bis zu 30 % des Gesamtumsatzes ausmachen. Den sieht die Gruppe bis dahin bei 80 Mill. bis über 100 Mill. Euro. Im vergangenen Jahr waren die Erlöse teils wegen der Corona-Pandemie aber auch aufgrund eines Brandes bei der Konzerntochter BNT Chemicals um ein knappes Drittel auf rund 33 Mill. Euro zurückgegangen. Mithilfe von Versicherungsleistungen und anderen Sondereffekten konnte das operative Ergebnis dennoch auf Vorjahresniveau gehalten werden. Die Ebitda-Marge soll bis 2025 auf über 20 % steigen. Analysten von Warburg Research sowie von Hauck & Aufhäuser sehen das allerdings schon deutlich früher kommen. Wie auch die Quirin Privatbank raten beide Analysehäuser derzeit zum Kauf der Aktie, der auf Sicht von zwölf Monaten noch ein durchschnittlicher Kurszuwachs von einem knappen Drittel zugetraut wird.

Viel zu tun bei „Glascoating“

Trotz der genannten Vorteile von LFP-Zellen will sich Ibu-Tec nicht auf dem jetzigen Entwicklungsstand ausruhen. „Wir stellen uns auf neue Generationen bei LFP und zusätzliche Batterietypen ein“, sagt Weitz. Gemeinsam mit Instituten wie der Fraunhofer-Gesellschaft, aber auch mit Universitäten und anderen Batterieherstellern forschen die Weimarer daran, wie sich die Materialien für Akkus noch umweltfreundlicher und effizienter herstellen lassen.

Auch in seinen anderen Geschäftssparten liefere Ibu-Tec „in Sachen Nachhaltigkeit eine Menge“, unterstreicht Weitz. So trage der selbst ernannte „Greentech-Pionier“ mit seinem zweiten großen Standbein, dem sogenannten Glascoating, dazu bei, den Verbrauch von Plastikflaschen zu reduzieren, indem es Mehrweg-Glasflaschen durch eine spezielle zinnbasierte Beschichtungstechnik länger haltbar macht. Nach dem Marktaustritt eines wichtigen Wettbewerbers ist die 2018 übernommene Konzerntochter BNT in dem Bereich mittlerweile der einzige Anbieter in Europa − und nur einer von vier Produzenten weltweit.

Vor dem Hintergrund sowie mit Blick auf die global verstärkten Bemühungen in Sachen Umweltschutz und die angespannte Rohstoffsituation ist die Lage auch hier entsprechend positiv: „Das Material ist heißbegehrt am Markt“, sagt Weitz. Viele Kunden würden sich mittlerweile für ein ganzes Jahr mit Glascoating eindecken. Die hohe Nachfrage könne derzeit nicht zu 100 % bedient werden, weswegen die Kapazitäten im nächsten Jahr verdoppelt werden sollen − auch das mithilfe der Kapitalerhöhung.

Recycling wird wichtiger

Das dritte Segment, das Recyclinggeschäft, soll ebenfalls zu einer verbesserten Kreislaufwirtschaft beitragen und ist laut Weitz ein „Riesenthema“. Hier steht unter anderem die Wiederverwertung von chemischen Katalysatoren und seltenen Erden im Fokus. Letztere werden vielfach in Smartphones, Computern oder Flatscreens aber auch in Schleif- und Poliermitteln eingesetzt. Mithilfe von thermischer Aufbereitung sorgt Ibu-Tec etwa dafür, dass beim Schleifen entstandene Verunreinigungen in den Mitteln beseitigt und diese somit wiederverwendet werden können. Auch hier steige die Nachfrage, sagt Weitz, speziell aus dem rohstoffarmen Deutschland. Für den CEO ist klar: „Das größte Problem für die Industrie wird künftig die Rohstoffversorgung sein.“ Insofern gehöre auch diese Sparte zur Wachstumsstrategie des Unternehmens.