Quartalszahlen

Bahntechnik entpuppt sich als Schwachpunkt bei Siemens

Hohe Sondereffekte kennzeichnen das dritte Quartal von Siemens. Die Bahntechnik muss erneut ihre Ziele reduzieren. Diesmal geht es um die Marge.

Bahntechnik entpuppt sich als Schwachpunkt bei Siemens

mic München

Eine Sonderbelastung zwingt Siemens im laufenden Geschäftsjahr (30. September) zu einer Prognosesenkung. Vorstandsvorsitzender Roland Busch strich in einer Telefonpressekonferenz her­aus, dass die Abschreibung auf die 35-%-Beteiligung an Siemens Energy eine nichtoperative Wertminderung sei. Davon abgesehen blieben die ursprünglichen Ziele bestehen: „In meinen Augen ist das eine bemerkenswerte Leistung.“ Schließ­lich habe Siemens die Abwicklung des Russland-Geschäfts beschleunigt.

Tatsächlich zielt Siemens nun auf ein Ergebnis pro Aktie, das exakt um jene 3,37 Euro je Aktie niedriger als die ursprüngliche Prognose ist, die die Wertminderung von 2,8 Mrd. Euro auf Siemens Energy (inklusive Kaufpreis-Abschreibung) kostet: 5,33 bis 5,73 Euro je Aktie.

Mobility fehlt der Schwung

Hinter der relativ übersichtlichen Gleichung verbergen sich jedoch gegenläufige Einflüsse. Im Vergleich zum Prognosestand zum Geschäftsjahresbeginn kostet der Rückzug aus Russland unerwartet 1,1 Mrd. Euro nach Steuern (davon 558 Mill. Euro im dritten Quartal). Dieser Belastung stehen drei positive Effekte gegenüber. Erstens addieren sich die Veräußerungsgewinne auf 2,2 Mrd. Euro und fallen damit um 0,7 Mrd. höher aus als im November gedacht. Zweitens hatte der Konzern im Mai seine Erwartung für das vergleichbare Umsatzwachstum erhöht. Drittens profitiert Siemens von unerwartetem Rückenwind von Währungskursänderungen. Sie erhöhten den absoluten Umsatz laut Siemens um 4 bis 5 Prozentpunkte stärker als angenommen.

Im Vergleich zum Prognosestand zum Halbjahr im Juni fallen die Veräußerungsgewinne nur um 0,1 Mrd. Euro höher aus. Die Russland-Zusatzbelastung von 0,6 Mrd. Euro im dritten Quartal scheint vor allem von Währungseffekten sowie solidem Geschäft in den Sparten Digital Industries (DI) und Smart Infrastructure (SI) ausgeglichen zu werden.

Operativ entpuppt sich im laufenden Geschäftsjahr die Bahntechnik als Schwachpunkt. Schon im Mai hatte die Sparte Mobility ihre Prognose für das vergleichbare Wachstum des Umsatzes reduzieren müssen. Während zuvor ein Plus von 5 bis 8% anvisiert wurde, rechnet Siemens seitdem mit stagnierenden Erlösen. Nun wird auch die Prognose für die Marge gesenkt. Statt 10 bis 10,5% stehen 7,5 bis 8,5% im Plan. Das mittelfristige Ziel-Margenband beträgt aber eigentlich 9 bis 12%. Nach neun Monaten im laufenden Geschäftsjahr wurden 8,0% erreicht.

Busch begründete die Zielverfehlung mit der Abwicklung des Russland-Geschäftes, der Pandemie und dem Teilemangel. Ins Auge fällt darüber hinaus eine Abschreibung von 45 Mill. Euro auf aktivierte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die Finanzvorstand Ralf Thomas nicht spezifizierte. Die Sparte verfehlt ihre Ziele, obwohl ihr der Gewinn in Höhe von 739 Mill. Euro aus dem Verkauf des Straßenverkehrsgeschäfts Yunex voll zugerechnet wird. Zum Vergleich: Das Ergebnis beträgt nach neun Monaten inklusive dieses Effekts 558 Mill. Euro.

Busch betonte zugleich: „Was Mobility angeht, sind wir durch die Qualität des Auftragsbestands davon überzeugt, dass es grundsätzlich ein Geschäft mit einem Potenzial für zweistellige Margen ist.“ Im vierten Quartal erwartet Thomas von der Sparte einen stagnierenden Umsatz und eine Ergebnismarge im mittleren bis hohen einstelligen Bereich.

Starkes Umsatzwachstum

Nach neun Monaten ist Siemens ansonsten auf Kurs zu allen weiteren Prognosegrößen. Der Konzernumsatz, der auf vergleichbarer Basis (bereinigt um Währungsumrechnungs- und Portfolioeffekte) um 6 bis 8% zulegen soll, stieg um 7% auf 51,4 Mrd. Euro – in absoluten Zahlen beträgt das Plus sogar 15%.

Busch nannte drei Pluspunkte angesichts des geopolitischen Um­felds. Erstens lägen die Wertschöpfungsketten in den drei größten Märkten USA, Deutschland und China nahe bei den Kunden. Vor Ort sei Siemens jeweils mit Entwicklung, Einkauf, Produktion und Serviceleistungen präsent. Zweitens könne durch das Konzept der Schwesterfabriken, etwa in Amberg und Chengdu, die Produktion über verschiedene Standorte flexibel verteilt werden. Außerdem achte Siemens darauf, Risiken in den Lieferketten zu reduzieren und beispielsweise zusätzliche Einkaufsquellen zu eröffnen.

DI und SI scheinen im laufenden Jahr ihre bereits im Mai erhöhten Ziele des vergleichbaren Umsatzwachstums sehr gut zu erreichen. Die Sparte Digital Industries, die mit 9 bis 12% rechnet, hat nach neun Monaten 11% erreicht und wird Thomas zufolge im vierten Quartal im hohen einstelligen Bereich landen. Die Marge soll 20% betragen und damit über den 19,3% der ersten neun Monate liegen. Das Jahresziel ist 19 bis 21%. Smart Infrastructure, bisher um 8% gewachsen, will im Gesamtjahr um 6 bis 9% zulegen. Im vierten Quartal rechnet Thomas mit einem Plus am oberen Ende dieses Korridors. Die Ergebnismarge soll 13 bis 14% betragen. Im Geschäftsjahr werden es der Planung zufolge 12 bis 13% sein, nach neun Monaten stehen 12,2% im Zahlenwerk.

Im dritten Quartal stieg der Auftragseingang um 1% auf 22 Mrd. Euro, der Umsatz erhöhte sich vergleichbar um 4% auf 17,9 Mrd. Euro. Während die Lockdowns die Erlöse in China um 1% sinken ließen, legten die USA um 10% zu. Den Anstieg der operativen Ergebnismarge von 14,9 auf 17,0% verdankt der Konzern alleine dem Verkauf des Unternehmens Yunex, der das Ergebnis um 4,4 Prozentpunkte nach oben trieb.

Neben der Russland-Belastung, die wegen des Leasinggeschäfts vor allem in der Überleitung zum Konzernabschluss (442 Mill. Euro vor Steuern) und in der Sparte Siemens Financial Services (123 Mill. Euro vor Steuern) anfiel, ist das Quartal abgesehen vom Yunex-Gewinn durch weitere Sondereffekte gekennzeichnet. Die Thoughtworks-Beteiligung verursachte einen Bewertungsverlust von 125 Mill., die Hyperinflation in der Türkei kostete 72 Mill. Euro. Der erfolgte Verkauf des Brief- und Paketgeschäfts im laufenden vierten Quartal soll einen Nettogewinn von 0,9 Mrd. Euro bringen, vor Steuern sind es 1,1 Mrd. Euro. Am Donnerstag gab der Konzern zudem bekannt, das Geschäft mit Niederspannungsmotoren (63 Mill. Dollar Umsatz) an ABB zu verkaufen.

Siemens
Konzernzahlen nach IFRS1
3. Quartal  
in Mill. Euro2021/20222020/2021
Auftragseingang22 00620 486
Umsatz17 86716 085
Forschung/Entwicklung1 4001 220
Vertrieb/Verwaltung3 1792 940
Angepasstes Ebita industrielle Geschäfte       2882       2 266
Steuern611332
Gewinn fortgeführte Aktivitäten1 5231376
Ergebnis nicht fort­geführte Aktivitäten−7105
Nettoergebnis−15311480
Erg. je Aktie (Euro) 2, 3−2,061,68
Kapitalrendite (%)3−11,814,0
Freier Cashflow32 3112 285
Nettoschulden313 02513 8614
Mitarbeiter (Tsd.) 33083034
1 ) Fortgeführte Aktivitäten, Geschäftsjahr endet am 30. September; 2 ) unverwässert; 3) inklusive nicht fortgeführter Aktivitäten; 4) zum 30. SeptemberBörsen-Zeitung
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