Fluggesellschaften

Geringe Arbeitslosigkeit stützt Nachfrage

Die IATA-Chefökonomin Marie Owens Thomsen geht davon aus, dass die Passagierzahlen 2024 wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen werden. Dagegen dürfte der Nutzladefaktor im Luftfrachtgeschäft wieder etwas nachlassen. sagt Owens Thomsen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Geringe Arbeitslosigkeit stützt Nachfrage

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Weder der starke Anstieg der Energiepreise, die galoppierende Inflation noch die erwartete Konjunkturabschwächung haben der Reiselust von Fluggästen nach den Beschränkungen der Coronajahre 2020 und 2021 etwas anhaben können. „Die Nachfrage war nicht preisempfindlich“, sagt IATA-Chefökonomin Marie Owens Thomsen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Deshalb hat sie gerade die Prognose für die Airline-Branche weltweit für dieses Jahr angehoben und für 2023 eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen in Aussicht gestellt (siehe Bericht links). Solange die Menschen arbeiten, dürfte die Nachfrage nicht leiden, meint Owens Thomsen. „Sollten die Arbeitslosenzahlen wieder ansteigen, werden wir jedoch zurück in die Gefahrenzone kommen.“

Die IATA-Chefökonomin geht davon aus, dass die Passagierzahlen 2024 wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen werden. Dagegen dürfte der Nutzladefaktor im Luftfrachtgeschäft wieder etwas nachlassen. Trotzdem liegt er noch immer über dem Niveau des Vorkrisenjahres von 2019. „Das Luftfrachtgeschäft ist seit der Pandemie wichtiger geworden“, erklärt Owens Thomsen. „Fluggesellschaften, die keine Luftfracht befördern, sind weniger profitabel“, sagt sie im Hinblick auf europäische Airlines, von denen einige bereits jetzt wieder schwarze Zahlen schreiben. „Je mehr Luftfracht sie fliegen, desto rentabler sind sie.“

Obwohl die Pandemie der Luftfahrtbranche die schwerste Krise beschert hat, die sie je erlebt hat, wurden nach Angaben der IATA-Chefökonomin 2021 mehr neue Fluggesellschaften gegründet, als Airlines aus dem Markt ausgeschieden sind. So sind letztes Jahr 58 neue Airlines entstanden und nur 32 eingegangen. Dies spiegele das gestiegene Interesse von Investoren wider, sagt Owens Thomsen. Sie erklärt das auch damit, dass die Kosten für den Eintritt in einen Markt niedriger seien, wenn dieser leide. Zudem sei die Zahl günstig verfügbarer Flugzeuge relativ hoch. Da jetzt die Kosten steigen, dürfte es auch zu weniger Neugründungen kommen, erwartet die Ökonomin. Dass vergangenes Jahr nicht mehr Fluggesellschaften aufgeben mussten, liege an den öffentlichen Hilfen, mit denen Regierungen die Branche nach Ausbruch der Pandemie unterstützt hätten, oft in Form rückzahlbarer Darlehen. „Sie haben den Fluggesellschaften geholfen, sich zu refinanzieren.“

400 Flugzeuge in Russland

Neben höheren Treibstoffkosten, der von Flughafenbetreibern angedrohten Erhöhung der Gebühren für Airlines, den steigenden Arbeitskosten und höheren Kosten für die Bearbeitung des Zahlungsverkehrs seien die Versicherungsgebühren ein weiteres Thema für die Branche, sagt die IATA-Chefökonomin. „Es sind noch immer 400 Flugzeuge in Russland festgesetzt“, erklärt sie. Wie die Versicherungen und die Leasing-Gesellschaften damit umgehen werden, werde mit darüber entscheiden, wie es weitergeht. „In einem Umfeld mit niedrigen Margen kann jeder Dollar eine Rolle spielen.“

Dennoch steigt der Druck auch von anderer Seite angesichts des Klimawandels. Frankreich etwa hat bereits Flugverbindungen für Strecken verboten, die innerhalb von zweieinhalb Stunden auch mit dem Zug zu be­wältigen sind. Dabei wäre die CO2-Ersparnis innerhalb von Europa wesentlich höher, wenn ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen würde, wodurch Flugrouten optimiert und Umwege vermieden werden könnten, so Owens Thomsen.