Devisenmarkt

Kleine Währungen, großer Wirbel

Mit der türkischen Lira hat 2021 eine eher kleine Währung die Diskussion am Devisenmarkt bestimmt. Zudem zogen Kryptowährungen die Aufmerksamkeit auf sich.

Kleine Währungen, großer Wirbel

Im vergangenen Jahr hat eine eher kleine Währung für großen Wirbel gesorgt. Der Verfall der türkischen Lira beschleunigte sich zeitweilig dramatisch. Um rund 40% fiel die türkische Währung gegenüber dem Dollar allein im November und erreichte Mitte Dezember einen Rekordwert von 16,41 Lira pro Dollar. Anfang des Jahres mussten für einen Dollar noch 7,43 Lira gezahlt werden. Die Inflation kletterte unterdessen von 15 % im Januar auf mehr als 21%. Präsident Recep Erdogan sah trotz des sich immer weiter zuspitzenden Kursverfalls lange keine Veranlassung zu einer Kurskorrektur, sondern schwor die Bevölkerung des Landes auf einen „historischen Kampf“ in Sachen Inflation, Währung und Finanzen ein. Die Türkei befinde sich in einem „wirtschaftlichen Unabhängigkeitskrieg“ mit den „Waffen“ Zinssenkungen und Währungsabwertung und in der Erwartung, dies werde die Leistungsbilanzdefizite reduzieren.

Als die verbale Schützenhilfe der türkischen Regierung nichts mehr half, gab Erdogan seinen Landsleuten eine Garantie auf Einlagen in lokaler Währung, um Verluste der Währungseinbußen auszugleichen. Der Kurs der Devise schnellte in die Höhe und notierte zum Jahresende bei 13,11 Lira pro Dollar. Das änderte nichts an der generellen Einschätzung von Nomuras Chefvolkswirt Robb Subaraman: „Die Aussicht auf eine Normalisierung der Geldpolitik durch die Fed inmitten des sich verschärfenden Wirtschaftsabschwungs in China ist keine besonders gute Kombination für die Schwellenländer.“ Dementsprechend sei die Türkei – neben Ägypten, Rumänien und Sri Lanka – weiter von einer Währungskrise bedroht.

Die Schwäche des Euro mit einem Kursrückgang von 1,2212 Dollar Anfang Januar auf das Tief von 1,1197 Dollar fand Ende November ein vorläufiges Ende. Sein Jahreshoch erzielte die Gemeinschaftswährung gleich in der ersten Januarwoche mit einem Kurs von 1,2325 Dollar. Der Kursrückgang belief sich auf das ganze Jahr gerechnet auf 7,3%. Insgesamt seien allerdings die Schwankungen des Euro seit 2015 relativ klein, sagte Xueming Song, Chefstratege für Währungen bei der Fondsgesellschaft DWS. Dies habe mit zwei Aspekten zu tun, „zum einen mit der weltweiten ‚De-Dollarization‘ und zum anderen mit der Änderung der Fiskalpolitik in der Eurozone“.

Die Zinsdifferenz der kurzfristigen Staatsanleihen zwischen Dollar- und Europapieren hat im abgelaufenen Jahr zudem die Richtung des Euro bestimmt, da sie sich gegen Ende 2021 zugunsten des Dollar ausweitete. „Die Dynamik ist so groß, dass man von einer weiteren Stärke des US-Dollar ausgehen kann. Aktuell sind die internationalen Investoren positiv für den US-Dollar gestimmt, so dass sie diese Währung übergewichtet haben“, fasst Song die Entwicklungen zusammen. Die letzte Zinssitzung der Fed Mitte Dezember habe aber gezeigt, dass die Zinsdifferenz zum Euro nicht mehr steigt und somit auch nicht der Dollar. „Man könnte das vielleicht als eine Sättigung des Marktes deuten.“

Bei den Schwellenländerwährungen kam es im laufenden Jahr durch die Vorsicht der Anleger zum Teil zu deutlichen Abwertungen, während andere Devisen per saldo neu­tral oder gar positiv in Relation zum Dollar abschnitten. Geprägt wurden die Währungen auch durch einen vergleichsweise frühen Beginn der geldpolitischen Normalisierung in einigen Ländern, schreibt Allianz Global Investors in einer Analyse. Der brasilianische Real entwickelte sich 2021 von 5,19 Real pro Dollar auf 5,70 Real pro Dollar, was einem Wertverlust von 9,8% entspricht. Im Jahresverlauf gab es dabei erhebliche Schwankungen. AGI weist in der Analyse der Schwellenländer insbesondere auch auf die aufgetretenen Sorgen um die Finanzstabilität einschließlich des übermäßig verschuldeten Immobiliensektors in China und des „regulatorischen Kreuzzugs“ des Landes sowie auf geopolitische Spannungen hin. Relativ gut hielt sich dagegen der russische Rubel, der 2021 lediglich 1,2% einbüßte.

Bewegtes Jahr am Kryptomarkt

Unterdessen haben Cyberdevisen besonders die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Kryptomarkt startete mit Schwung ins Jahr 2021, der sich auch auf Sorgen vor einer Inflationsbeschleunigung stützte. In einem expansiven geldpolitischen Umfeld erschienen notenbankunabhängige Digitalwährungen Anlegern als aussichtsreicher Schutz vor der anziehenden Teuerung. Hinzu kam die Hoffnung auf eine Adoption durch institutionelle Investoren. Insbesondere Elon Musk inszenierte sich als populärer Kryptounterstützer. So investierte Tesla 1,5 Mrd. Dollar in Bitcoin und kündigte an, Zahlungen in Bitcoin akzeptieren zu wollen. Im Mai dann die Kehrtwende: Musk verwies auf Nachhaltigkeitsbedenken aufgrund des hohen Stromverbrauchs beim Kryptomining; Tesla strich die Payment-Option – und der Kryptomarkt ging auf eine dreimonatige Talfahrt, in dessen Verlauf Bitcoin seinen Wert mehr als halbierte. Eine verschärfte Regulierungskampagne Pekings trug noch zum Abwärtsdruck bei: Der chinesische Staatsrat sprach im Mai einen Bann gegen Kryptomining aus, und im September kündigte die People’s Bank of China an, jegliche Kryptodeals künftig als illegale Aktivitäten zu behandeln.

Im Anschluss an diese Rückschläge stellten Bitcoin & Co. allerdings ihre Fähigkeit zu scharfen Trendwenden unter Beweis. War die führende Cyberdevise Ende Juli noch unter die Marke von 30000 Dollar abgerutscht, notierte sie im November auf dem Rekordwert von nahezu 69000 Dollar. Überzeugte Kryptoanleger verkehrten die vorherrschenden Negativfaktoren schnell ins Positive. Und trotz anschließender Rücksetzer hat Bitcoin 2021 immer noch 60% an Wert gewonnen. Die zweitgrößte Kryptowährung Ether kommt gar auf ein Plus von 400%. Die Verbannung von Kryptoaktivitäten aus China werde zu einer höheren Transparenz führen, insbesondere in Bezug auf die für das Mining genutzte Energie – so das verbreitete Narrativ. Dies sorge für eine höhere Kompatibilität der Cyberdevisen mit Nachhaltigkeitsstrategien. Im Oktober sorgte zudem der Start der ersten futuresbasierten Bitcoin-ETFs in den USA für Euphorie. Anleger hoffen, dass regulierte Finanzprodukte künftig auch institutionelle Investoren aus der Mitte der Wirtschaft anziehen.

Auch am Terminmarkt hat sich 2021 viel getan. Zunächst lancierte die Chicago Mercantile Exchange (CME) Anfang Februar Futures auf Ether, im Mai folgten Micro Bitcoin Futures, die ein Zehntel der Cyberdevise abbilden. Micro-Terminkontrakte auf Ether schob die CME im Dezember nach.

Der Börsengang der Kryptohandelsplattform Coinbase im April wie auch das wachsende Angebot an Exchange Traded Products auf Cyberdevisen an regulierten europäischen Handelsplätzen bestärkten überzeugte Investoren in der Hoffnung, dass das Segment den Weg aus dem Zwielicht finden würde. Doch wenngleich indirekte Kryptoanlagen 2021 gewaltige Zuflüsse erfahren haben und sich dieser Trend nach Einschätzung der Analysten von Bloomberg Intelligence auch nächstes Jahr fortsetzen dürfte, ist die erhoffte institutionelle Adoption doch weitestgehend ausgeblieben, denn unternehmensseitig tummeln sich lediglich einige Vorreiter aus der Tech-Branche im Segment.

Von Wolf Brandes und Alex Wehnert, Frankfurt

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