Inflation

Die finanzielle Repression nimmt zu

Die Inflation ist mit aller Macht zurück gekehrt. Um ihr entgegenzuwirken braucht es eine Geld- und Fiskalpolitik, die der veränderten Lage angemessen ist.

Die finanzielle Repression nimmt zu

Die Inflation ist zurück in Europa. Offensichtlich hat sich die Erwartung einiger Beobachter, dass sich das Thema mit dem Auslaufen von Sondereffekten wie der deutschen Mehrwertsteuer zum Jahreswechsel praktisch von selbst erledigen würde, als Wunschdenken erwiesen. Mit derzeit etwa 5% ist die Jahresteuerung in Deutschland und auch in der Eurozone so hoch wie nie seit Einführung des Euro.

Vor dem Ukraine-Krieg war noch davon auszugehen, dass sich die Inflationsraten im Jahresverlauf etwas abflachen würden. Durch die jetzt weiter steigenden Energiepreise und mögliche Produktionseinschränkungen aufgrund von Energieknappheiten ist kaum mehr mit einer raschen Beruhigung zu rechnen. Damit ist für das Gesamtjahr 2022 mit einer Jahresteuerung noch über dem Vorjahresniveau von 3,1% zu rechnen.

Eine der Ursachen für den akuten Anstieg der Verbraucherpreise ist die Kombination einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik in Reaktion auf die Corona-Pandemie. Ein derartiger geld- und fiskalpolitischer Cocktail musste irgendwann in eine stärkere Geldentwertung münden. Gleichzeitig haben viele Privathaushalte während der Lockdowns unfreiwillig Ersparnisse gebildet, die nun verstärkt verkonsumiert werden – und dabei zum Teil auf verringerte Kapazitäten in der Wirtschaft treffen. Mehr Nachfrage bei geringerem Angebot sorgt zwangsläufig für höhere Preise.

Manche Ursachen sind tatsächlich nur vorübergehender Natur. Auch werden Basiseffekte bald für ein gewisses Abflachen der Inflationsraten sorgen. Gleichzeitig sprechen andere Faktoren dafür, dass eine höhere Inflation zu einem Dauerzustand zu werden droht, etwa wenn sich mit steigenden Lohnforderungen eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt. Das größte Euroland Deutschland könnte mit der geplanten Heraufsetzung des Mindestlohns hierbei eine wesentliche Rolle spielen. Der Krieg in der Ukraine mit seinen zusätzlich inflationären Folgen hat die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale deutlich erhöht. Auf die Arbeitnehmer kommt nun ein zweites Jahr mit schmerzhaften Kaufkraftverlusten zu. Damit wächst der Druck auf die Gewerkschaften, endlich die Inflation stärker in den Lohnforderungen zu berücksichtigen.

Die Skepsis ist gewachsen

Ein Schlüssel zur Bekämpfung der Inflation liegt in einer Geld- und Fiskalpolitik, die endlich die weit fortgeschrittene Erholung von der Pandemie berücksichtigt. Vor allem die Notenbanken sind in der Verantwortung. Doch im Unterschied zu anderen Notenbanken hat sich die EZB bislang nur sehr zögerlich verhalten. Nun folgte das Eingeständnis, die Inflation möglicherweise unterschätzt zu haben. Doch bevor die EZB ihre Leitzinsen anheben kann, müsste sie ihre Anleihekaufprogramme beenden. Zwar enden im März die Nettoankäufe von Staatsanleihen im Rahmen des Pandemieprogramms PEPP, nicht aber die des älteren und größeren Programms PSPP. De facto tritt die EZB bei Anleiheemissionen verschuldeter Euro-Länder als die mit Abstand größte Käuferin auf. Bleibt sie fern, werden die Renditeabstände sehr hoch verschuldeter Euroländer gegenüber bonitätsstarken Ländern deutlich steigen, was erheblichen politischen Druck erzeugen dürfte. Die Skepsis ist gewachsen, wie konsequent die EZB Inflationsgefahren noch begegnen kann. Der Eindruck nimmt zu, dass die EZB in der Falle der „fiskalpolitischen Dominanz“ sitzen könnte, in der letztlich das Interesse der Finanzierbarkeit hoher Staatsdefizite das Ziel der Geldwertstabilität überwiegt.

Ein auf längere Zeit höheres Inflationsniveau bei einem nicht oder nur geringfügig angepassten Zinsumfeld bedeutet nichts anderes, als dass der negative Realzins weiter sinkt. In diesem Regime der „finanziellen Repression“ steigen die realen – also inflationsbereinigten – Vermögensverluste für risikoaverse Anleger weiter an. Um dieser „finanziellen Repression“ zu entgehen, bleibt institutionellen wie privaten Kapitalanlegern bis auf Weiteres nichts anderes übrig, als auf Real Assets, also auf Aktien und illiquide Sachwerte – und dabei vor allem auf Immobilien –, zu setzen. Auch hierbei hat der Preisanstieg in den vergangenen Jahren bereits zu einer deutlichen Renditekompression geführt. Ankaufsrenditen in den wichtigsten deutschen Städten liegen oftmals bereits unter 3%. Zwar hat die Niedrigzinspolitik der vergangenen Jahre nur geringe Auswirkungen auf die Verbraucherpreise gehabt – bis Sommer 2021 –, wohl aber auf die Vermögenspreise, und dazu gehören neben Aktienkursen und anderen Vermögenswerten eben auch Immobilienpreise in Relation zu den Mieterträgen.

Einer im Herbst 2021 unter institutionellen Investoren durchgeführten Umfrage von Universal-Investment zufolge bewerten 94% der Befragten die Immobilienpreise in Deutschland als hoch, 19% sogar als inakzeptabel hoch. Gekauft wird trotzdem, und angesichts des anhaltenden negativen Realzinses wird sich daran nichts ändern. Dafür spricht, dass nach Beobachtung von Universal-Investment einige institutionelle Investoren bereits ihre regulatorischen Immobilienquoten ausgeschöpft haben und sich bei ihren zuständigen Aufsichten um Öffnungsklauseln bemühen.

Der Grund ist, dass Immobilieninvestments trotz der gesunkenen Renditen noch immer relativ stabile und zumeist auskömmliche Erträge ermöglichen. Mit Anleihen ist dies für risikoaverse Investoren nach wie vor schwierig. Aktien gelten zwar als rentabel, aber volatil. Anlagestrategien, die einzig auf Wertsteigerungen setzen, werden wiederum mangels Cashflows den Anforderungen institutioneller Investoren nicht gerecht, die ihrerseits regelmäßige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen haben.

In Zeiten anhaltender und sogar steigender „finanzieller Repression“ aufgrund substanziell höherer Inflationsraten spricht noch ein anderes Argument für eine anhaltende Allokation von Investoren in Immobilien: Bei Immobilieninvestments besteht zumindest eine gute Chance, die Inflation langfristig zum Teil auszugleichen oder sogar zu schlagen, wenn höhere Mieten durchgesetzt werden können. Das hängt von vielen Einzelfallfaktoren ab wie der Ausgestaltung der Mietverträge – bei Gewerbeimmobilien ist das einfacher möglich als bei Wohnimmobilien –, und natürlich auch von der konjunkturellen Entwicklung und damit der Zahlungsbereitschaft der Mieter. In der Vergangenheit hat sich in Hochzinsphasen aber immer wieder gezeigt, dass die Mieten mit einem gewissen zeitlichen Abstand der allgemeinen Preisentwicklung folgen. 

Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine kurzfristige radikale Wende in der Geld- und Fiskalpolitik in der Eurozone zu einem deutlichen Anstieg der Kapitalmarktzinsen, einer Anpassung der Portfolioallokationen und somit zu spürbaren Bewertungsverlusten an den Immobilienmärkten führt, derzeit sehr gering.

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