Kapitalmarkt-Aufschwung beflügelt US-Banken
Kapitalmarkt-Aufschwung beflügelt US-Banken
Goldman Sachs steigert Einnahmen aus Dealberatung und Trading kräftig – Sorge vor zunehmender Risikofreude von Amerikas Geldhäusern
Goldman Sachs hat im zweiten Quartal von einer stärkeren Aktivität an den Finanzmärkten profitiert. Spitzenmanager an der Wall Street gehen davon aus, dass der Aufschwung bei Börsengängen und M&A noch an Fahrt gewinnt. Doch warnen Analysten vor einer zunehmenden Risikofreude der US-Geldhäuser.
Von Alex Wehnert, New York
Trotz der großen handelspolitischen Unsicherheit herrscht an den Kapitalmärkten Aufbruchstimmung – und das verleiht Amerikas Großbanken Schwung. Das führende Wall-Street-Haus Goldman Sachs hat für das zweite Quartal einen Sprung der Gebühreneinnahmen aus dem Investment Banking um 26% auf 2,19 Mrd. Dollar vermeldet und dabei vor allem von einer gestiegenen Nachfrage in der Dealberatung profitiert.
Im Zusammenspiel mit höheren Erträgen, die insbesondere die Trader im Aktiengeschäft einspielten, und einer höheren Nachfrage nach Finanzierungen für den Wertpapierhandel von Hedgefonds und anderen institutionellen Kunden trug dies dazu bei, dass die Erlöse über die Bank hinweg zum Vorjahr um 15% auf 14,58 Mrd. Dollar anzogen. Analysten hatten laut dem Datendienst Factset im Konsens lediglich mit 13,58 Mrd. Dollar gerechnet. Der Nettogewinn zog um 22% auf 3,72 Mrd. Dollar an, dies entsprach auf verwässerter Basis 10,91 Dollar pro Aktie – zuvor waren Schätzungen über 9,69 Dollar herumgereicht worden.

Am Dienstag hatten bereits die Universalbanken J.P. Morgan und Citigroup höhere Erlöse aus dem Trading und Investment Banking verkündet. Laut Jamie Dimon, CEO des erstgenannten Hauses, habe die Dealmaking-Aktivität im abgelaufenen, von handels- und fiskalpolitischen Turbulenzen geprägten Quartal „langsam begonnen, dann aber an Momentum gewonnen, als sich die Stimmung an den Märkten aufhellte“. Jeremy Barnum, Finanzchef des Branchenprimus, mutmaßte angesichts des Anstiegs der Gebühreneinnahmen, dass „Marktteilnehmer mit der Unsicherheit zu leben beginnen und Transaktionen trotzdem durchziehen“. Goldman-CEO David Solomon betonte, Wirtschaft und Märkte reagierten sogar „positiv auf das im Wandel befindliche politische Umfeld“.
Mit dem Stablecoin-Anbieter Circle Internet, dem Raumfahrtunternehmen Voyager Technologies und dem Mobile-Banking-Dienstleister Chime Financial haben sich seit Anfang Juni mehrere Adressen auf das New Yorker Parkett gewagt, deren Börsengänge Investoren schon länger erwartet hatten. Sie alle stießen auf rege Investorennachfrage und legten starke Debüts hin. Die Ticketplattform Stubhub und dem schwedischen „Buy Now, Pay Later“-Anbieter Klarna, die im März ihre IPO-Prospekte bei der US-Börsenaufsicht SEC einreichten, stehen bereits in den Startlöchern.
Morgan Stanley fällt ab
Die Ergebnisse von Morgan Stanley und Bank of America trüben das Bild indes etwas. Bei der traditionell schärfsten Goldman-Rivalin mussten die Trader den Dealmakern erneut unter die Arme greifen, nachdem sich sowohl die Einnahmen aus der Dealberatung als auch die Erlöse aus dem Anleihe-Underwriting schwächer entwickelten. Der Vorsteuergewinn der institutionellen Wertpapiersparte legte in der Folge nur minimal auf 2,1 Mrd. Dollar zu. Beim nach Bilanzsumme zweitgrößten amerikanischen Geldhaus gingen die Erlöse im Global Banking zum Vorjahr um 6% auf 5,69 Mrd. Dollar zurück, der Überschuss der Division rutschte von zuvor 2,12 auf 1,7 Mrd. Dollar ab – wobei auch höhere Rückstellungen für faule Kredite zur Belastung wurden.
Spitzenkräfte im New Yorker Finanzsektor gehen allerdings davon aus, dass sich das Kapitalmarktgeschäft im zweiten Halbjahr weiter belebt. „Wir rechnen mit viel Aktivität im Herbst“, sagte John Waldron, Präsident und Chief Operating Officer von Goldman Sachs, Anfang Juli vor Medienvertretern in New York. Das Investoreninteresse an IPOs habe zugenommen, was eine stärkere Bepreisung ermögliche.
Drang nach Skaleneffekten treibt M&A
Zugleich öffne sich der M&A-Markt wieder, insbesondere für Deals mit einem Volumen ab 500 Mill. Dollar aufwärts. Denn Unternehmen strebten nachdrücklicher nach Skaleneffekten, um in einer Ära rasanten technologischen Wandels nicht den Anschluss zu verlieren. Tatsächlich ist die Zahl der Fusionen und Übernahmen laut dem Datendienst Dealogic im ersten Halbjahr 2025 branchenübergreifend um 12% gesunken, der Gegenwert der Transaktionen gegenüber den ersten sechs Monaten 2024 allerdings um 27% gestiegen.
Das Momentum für die Dealmaker setzt sich laut Wall-Street-Bankern bisher auch im Juli fort. Zum zusätzlichen Treiber wird dabei, dass Private-Equity-Gesellschaften, die lange an ihren Beteiligungen festgehalten und auf ein besseres Marktumfeld gewartet haben, nun unter verstärktem Druck stehen, Mittel an ihre Investoren zurückzuführen. Allerdings geht die Sorge um, dass der Aufschwung an den Kapitalmärkten die Banken im Zusammenspiel mit einer fortschreitenden Deregulierung zu zunehmend unkontrollierter Risikofreude verleitet.
Kapitalvorgaben im Fokus
So plant die Federal Reserve unter ihrer neuen Vize-Chefin für Bankenaufsicht, Michelle Bowman, eine Aufweichung der Kapitalvorgaben. Diese könnte es den Banken laut Analysten nicht nur ermöglichen, wie vom Regulator geplant mehr Treasuries zu zeichnen und damit den angeschlagenen Anleihemarkt zu stabilisieren, sondern auch ihre Aktivitäten in schwach regulierten und intransparenten Ecken des Marktes auszuweiten – wiewohl Goldman-Vorstandschef Solomon betont, „sehr fokussiert auf das Risikomanagement“ zu sein.
Laut S&P Global vergaben Amerikas Banken bereits 2024 erstmals Kredite im Volumen von über 1 Bill. Dollar an Intermediäre ohne Einlagengeschäft, um ihre unter Druck geratenen Zinsmargen zu stützen. Zugleich legen die Geldhäuser etwas mehr als 16 Jahre nach der Finanzkrise wieder im großen Stil strukturierte Finanzprodukte jeglicher Couleur auf: Die Emissionen von Asset-Backed Securities (ABS) haben im vergangenen Jahr mit 335 Mrd. Dollar ein Rekordvolumen erreicht – bei Collateralized Loan Obligations (CLOs), in denen eine Vielzahl an Unternehmenskrediten gepoolt werden, schoss das Volumen mit 201 Mrd. Dollar ebenfalls auf das höchste Niveau jemals. Das Ende der Fahnenstange ist dabei wohl noch nicht erreicht. S&P Global rechnet für 2025 erneut mit Spitzenwerten.
Hohe Ambitionen bei Wells Fargo
Zudem hat die Fed nach sieben Jahren eine strenge Deckelung der Assets von Wells Fargo aufgehoben. Das skandalgeplagte Institut darf nun über die Bilanzsumme von 2 Bill. Dollar hinaus wachsen und will dies nutzen, um Ambitionen im Corporate und Investment Banking sowie bei Private Credit nachzujagen. Kritiker wie Michael Barr, Bowmans Vorgänger auf dem Vizeposten und heute regulärer Notenbankgouverneur, warnen indes vor den Folgen der Deregulierung. Durch diese steige nach den Zusammenbrüchen der Regionalbanken Silicon Valley Bank, Signature Bank und First Republic Bank 2023 auch die Gefahr eines Großbankenkollaps.