US-Bankenkrise

Mutter von Silicon Valley Bank beantragt Insolvenz

Die Mutter der kollabierten Silicon Valley Bank flüchtet in den Gläubigerschutz. Derweil springen führende US-Finanzinstitute der gebeutelten First Republic Bank mit 30 Mrd. Dollar bei.

Mutter von Silicon Valley Bank beantragt Insolvenz

Von Alex Wehnert, New York

Es ist die größte aus einem Bankenkollaps resultierende Pleite seit 2008: Die Muttergesellschaft der kollabierten Silicon Valley Bank hat am Freitag in den USA einen Insolvenzantrag gestellt. Durch den Schritt werden Verkäufe der verbleibenden Assets von SVB Financial erleichtert. Die Haupteinheit Silicon Valley Bank ist allerdings nicht Teil des Antrags auf Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechtes. Betroffen sind dagegen die Einheit SVB Capital, die für Drittparteien Fonds im Volumen von 9,5 Mrd. Dollar verwaltet, sowie die Investmentbank SVB Securities und die Wealth-Management-Sparte SVB Private.

Druck von Bondgläubigern

Zuletzt hatte ein Gruppe von Anleihegläubigern um die Allianz-Tochter Pimco bereits auf eine Insolvenz gedrungen. Sie hoffen darauf, von einem Verkauf der Einheiten von SVB Financial Group ohne Einlagen­geschäft profitieren zu können. Die Analysten des US-Finanzdienstleisters Stifel gehen davon aus, dass eine Liquidierung der Nichtbank-Assets von SVB Financial inklusive Cash und Wertpapieren 4,75 Mrd. Dollar für die Rückzahlung der Gläubiger freisetzen könnte. Der Großteil soll sich dabei aus SVB Private speisen.

Anleihegläubiger werden im Fall einer Insolvenz bevorzugt behandelt. Insgesamt stehen laut dem Datendienstleister Refinitiv SVB-Financial-Anleihen im Volumen von über 4,1 Mrd. Dollar aus. Die Gruppe um Pimco soll sich einen bedeutenden Anteil davon gesichert haben, mitunter zu 30 Cent auf den Dollar. Allerdings gehen die Gläubiger mit ihrer Spekulation auf Erlöse durch Assetverkäufe ein Risiko ein. Denn Regulatoren könnten entscheiden, dass Einnahmen aus Veräußerungen bei SVB Financial genutzt werden müssten, um Löcher bei der Tochter Silicon Valley Bank zu stopfen.

Diese geriet am Freitag der Vorwoche unter Zwangsverwaltung durch den staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC. Die Turbulenzen um das Geldhaus und die ebenfalls kollabierte Signature Bank senden Schockwellen durch die globalen Finanzmärkte, in diesem Zuge sind auch weitere kleinere und mittelgroße US-Banken unter Druck geraten.

Der gebeutelten First Republic Bank springen nun elf Finanzinstitute mit insgesamt 30 Mrd. Dollar bei. Dies geht aus einem gemeinsamen Statement des US-Finanzministeriums, der Federal Reserve, der FDIC und der für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständigen OCC vom Donnerstagabend hervor. „Diese Unterstützung durch eine Gruppe großer Banken ist hochwillkommen und zeigt die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems“, betonten die Regulatoren.

Bereits zuvor hatten Berichte die Runde gemacht, gemäß denen die führenden Geldhäuser J.P. Morgan, Citigroup, Bank of America und Wells Fargo der First Republic Bank jeweils 5 Mrd. Dollar an Einlagen zukommen lassen wollten. U.S. Bancorp,Truist Financial, die Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley sowie der diversifizierte Finanzdienstleister PNC Financial standen demnach mit kleineren Summen bereit.

Den führenden Finanzinstituten waren zuletzt großvolumige Mittel zugeflossen, die Kunden von kleineren Geldhäusern wie First Republic abgezogen hatten. Bank of America beispielsweise verzeichnete binnen weniger Tage neue Einlagen im Volumen von 15 Mrd. Dollar. Effektiv wollen die Großbanken im Zuge ihrer Rettungsaktion also verlorene Mittel an das Kreditinstitut aus San Francisco zurückzahlen – Ende des vergangenen Jahres war dieses mit Assets von 212 Mrd. Dollar und Einlagen von über 176 Mrd. Dollar die vierzehntgrößte Bank der Vereinigten Staaten.

Obwohl First Republic zuletzt wiederholt die eigene finanzielle Stabilität betonte, Hilfen von der Fed und J.P. Morgan erhielt und mitteilte, der Einlagenschwund sei verkraftbar, befindet sich die Aktie des Geldhauses im freien Fall. Am vergangenen Freitag wurde sie nach einem Kurssturz um über 50% vom Handel ausgesetzt, im laufenden Monat hat sie bisher mehr als drei Viertel ihres Wertes verloren. Zum Abschwung trug auch bei, dass die Ratingagenturen Fitch und S&P Global die Kreditwürdigkeit des Geldhauses auf Ramschniveau herabstuften.

Nach ersten Nachrichten über die Rettungspläne der Großbanken erholte sich die First-Republic-Aktie am Donnerstag kurzzeitig – im frühen Handel an der Wall Street setzte der Titel am Freitag aber erneut scharf zurück. Analysten verweisen darauf, dass die Hilfen das Problem schwindender Einlagen zwar kurzfristig adressierten, das Geschäftsumfeld für die First Republic Bank, die einen besonderen Schwerpunkt im Wealth Management besitzt, jedoch angesichts nach wie vor hoher Zinsen angespannt bleibe. Denn auch für vermögende Bankkunden sind andere Anlagen in der Folge attraktiver geworden. Geldmarktfonds beispielsweise flossen laut dem Investment Company Institute in der Woche bis Mittwoch über 120 Mrd. Dollar zu, die Gesamt-Assets der Vehikel belaufen sich damit auf über 5 Bill. Dollar.

Hinzu kommt, dass Gefahren durch unbesicherte Mittel auf den Bilanzen kleiner und mittelgroßer Anleger bei Bankkunden und Investoren infolge des SVB-Kollapses wesentlich präsenter geworden sind. Die FDIC, das Finanzministerium und die Fed hatten den kalifornischen Start-up-Finanzierer und die ebenfalls kollabierte Signature Bank für systemrelevant erklären müssen, um auch Einlagen über die formelle Grenze von 250000 Dollar hinaus garantieren zu können. Dies hatte bei Anlegern an den breiten Finanzmärkten aber für zusätzliche Verunsicherung gesorgt.

Schlechte Erfahrungen

Für First Republic sind die Turbulenzen laut Analysten also nicht ausgestanden – zumal die Vergleiche zur Finanzkrise 2008 im aktuellen Umfeld nicht abreißen. Damals übernahm J.P. Morgan die Investmentbank Bear Stearns und die landesweit größte Sparkasse Washington Mutual – deren Zusammenbruch der größte Kollaps eines US-Geldhauses bis zum SVB-Crash bleiben sollte. J.P. Morgan musste sich in der Folge mit Klagen, mitunter schweren Verlusten und steigendem politischen Druck auseinandersetzen. Vorstandschef Jamie Dimon sagte anschließend, nie wieder an der staatlich geführten Rettung eines anderen Kreditinstituts beteiligt sein zu wollen.