US-Banken ringen mit Unsicherheit im Kreditgeschäft
US-Banken ringen mit Unsicherheit im Kreditgeschäft
Handels- und fiskalpolitische Risiken lasten auf Profitabilität – J.P. Morgan muss mehr abschreiben – Furcht vor Dämpfer für hoffnungsfrohe Dealmaker
Die Erlösentwicklung im US-Finanzsektor überrascht auch dank einer Belebung im Kapitalmarktgeschäft positiv. Doch bereitet gerade der Blick auf das Kreditgeschäft der führenden Geldhäuser Analysten Sorge. Die Abschreibungen bei Branchenprimus J.P. Morgan steigen, die Profitabilität gerät in der Folge unter Druck.
xaw New York
Amerikas Großbanken ringen trotz eines Aufschwungs im Kapitalmarktgeschäft mit Belastungen durch ein schwieriges Konjunkturumfeld. So haben Branchenprimus J.P. Morgan sowie die Rivalinnen Citigroup und Wells Fargo mit ihren Ergebnissen im zweiten Quartal zwar die Prognosen der Analysten übertroffen. Dennoch rutschten die konzernweiten Erlöse des größten US-Geldhauses gegenüber dem Vorjahr – als ein Aktientausch mit dem Zahlungsriesen Visa für positive Einmaleffekte sorgte – um 11% auf 44,91 Mrd. Dollar, der Nettogewinn sackte um 17% auf 14,99 Mrd. Dollar ab.
Wells Fargo und Citigroup, einst die Sorgenkinder unter den global systemisch relevanten US-Instituten, vermeldeten sogar deutliche Gewinnsteigerungen um 12 bzw. 25%. Doch insbesondere die Kreditgeschäfte der führenden Wall-Street-Häuser ziehen zunehmend sorgenvolle Blicke auf sich. Die Nettozinserträge von J.P. Morgan, also die Differenz legten lediglich um 2% auf 23,3 Mrd. Dollar zu und enttäuschten damit die Erwartungen.
Wenngleich die Bank für das Gesamtjahr nun 95,5 statt zuvor 94,5 Mrd. Dollar erwartet, ist das Wachstum doch weniger profitabel. Die Nettozinsmarge, im Vorjahreszeitraum noch bei 2,62%, bröckelte auf 2,45% ab. Wells Fargo stutzte den Ausblick für die Zinserträge gar: Die Bank rechnet nun mit einer flachen Entwicklung gegenüber 2024, als sie 47,7 Mrd. Dollar einspielte – zuvor hatte sie noch ein Wachstum um 1 bis 3% prognostiziert. Die Aktie brach im frühen New Yorker Handel am Dienstag um über 5% ein, auch J.P. Morgan lagen leicht im Minus.
Kreditkosten schnellen hoch
Schließlich bescheren die hohen Anleiherenditen infolge der handels- und fiskalpolitischen Turbulenzen sowie die nach wie vor restriktive Geldpolitik den Banken zwar höhere Zinseinnahmen, zugleich befinden sie sich aber in einem härteren Depositenwettbewerb – und die konjunkturelle Unsicherheit lastet auf der Rückzahlungsaktivität von Schuldnern. Citigroup vermeldete für das abgelaufene Quartal einen Sprung der Kreditkosten um 16%. Denn sie stockte ihre Risikovorsorge stärker als im Vorjahr auf und reagierte auf eine „Verschlechterung des makroökonomischen Ausblicks“.

Bill Moreland vom Analysedienst BankRegData warnt zudem davor, dass gerade in den Immobilienkreditportfolios der US-Banken wenig beachtete Risiken lauern. Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen Finanzdienstleister Nomura, hebt zudem wachsende Belastungen für die Konsumenten als Problemquelle bei Studenten-, Auto- und Kartenkrediten hervor. Die Kreditkartensalden in den USA haben sich laut der Fed von St. Louis auf inzwischen fast 1,1 Bill. Dollar ausgeweitet, die Rückzahlungsaktivität kommt langsam zum Erliegen.
Dimon warnt vor Risiken
J.P. Morgan schrieb derweil Kredite im Volumen von 2,4 Mrd. Dollar ab und damit sowohl mehr als im Vorquartal als auch im Vorjahr. Vorstandschef Jamie Dimon betonte zwar, die Wirtschaft habe sich im zweiten Viertel widerstandsfähig gezeigt. „Es verbleiben signifikante Risiken – durch Zoll- und Handelsunsicherheit, verschlechterte geopolitische Bedingungen, hohe Haushaltsdefizite und erhöhte Assetpreise“, gab der CEO jedoch zu bedenken.
US-Präsident Donald Trump verschob die eigentlich am 9. Juli abgelaufene Frist für neue internationale Handelsvereinbarungen zwar auf den 1. August. Dabei kündigte er aber an, dass es keine weiteren Verzögerungen geben werde. Trotz laufender Verhandlungen drohte er Mexiko und der Europäischen Union in der vergangenen Woche mit Importzöllen von 30%. Die Analysten von J.P. Morgan gehen davon aus, dass diese „Tariffs“ die Inflation in den Vereinigten Staaten um 0,4 Prozentpunkte ankurbeln würden. Dies droht der Fed neuerliche Zinssenkungen noch zu erschweren.
Belebung im IPO-Geschäft
Damit drohen neue Herausforderungen für das Kapitalmarktgeschäft der Großbanken nach sich, das sich gerade erst von einer schwierigen Phase erholt. Noch sind es vor allem die Trader, die infolge der hohen Volatilität an den Märkten die Erlöse treiben. Doch haben zuletzt lange heiß gehandelte IPO-Kandidaten um den Mobile-Banking-Dienstleister Chime starke Börsendebüts hingelegt.
Die Gebühreneinnahmen von J.P. Morgan aus dem Investment Banking zogen im abgelaufenen Quartal um 7% an, bei Citigroup sprangen die Erlöse aus dem Geschäft gar um 15%. „Der Anstieg der Gebühreneinnahmen zeigt zu einem gewissen Grad, dass die Marktteilnehmer mit der Unsicherheit zu leben beginnen und Transaktionen trotzdem durchziehen“, sagte Jeremy Barnum, CFO von J.P. Morgan, in einer Medienschalte.
Hoffnung auf M&A
Spitzenkräfte im New Yorker Finanzsektor gehen davon aus, dass sich das Kapitalmarktgeschäft im zweiten Halbjahr weiter belebt. „Wir rechnen mit viel Aktivität im Herbst“, sagte John Waldron, Präsident von Goldman Sachs, Anfang Juli vor Medienvertretern in New York. Das Investoreninteresse an IPOs habe zugenommen, was eine stärkere Bepreisung ermögliche. Zugleich öffne sich der M&A-Markt wieder, insbesondere für Deals mit einem Volumen ab 500 Mill. Dollar. Denn Unternehmen strebten wieder nachdrücklicher nach Skaleneffekten. Doch geht die Befürchtung um, dass die härtesten Effekte der „Tariff“-Verwerfungen erst noch bevorstehen – und damit auch den Kapitalmarktaufschwung abwürgen.