EZB

Sicherheitsnetz nochmals verstärkt

Spreads von Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) aus der Eurozone handeln im Durchschnitt noch etwa 10 Basispunkte (BP) über dem Tief von Anfang 2018. Da seither der Anteil der mit „BBB“ benoteten Unternehmen (ex Financials) in der...

Sicherheitsnetz nochmals verstärkt

Von Michael Klawitter*)

Spreads von Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) aus der Eurozone handeln im Durchschnitt noch etwa 10 Basispunkte (BP) über dem Tief von Anfang 2018. Da seither der Anteil der mit „BBB“ benoteten Unternehmen (ex Financials) in der Eurozone aber von etwa 60% auf zuletzt 65% angestiegen ist, dürften die aktuellen Spread-Niveaus den damaligen tieferen Niveaus entsprechen. Die Risikoprämien für negative Überraschungen sind damit äußerst gering. Dass der Ausblick für Euro-Unternehmensanleihen und Spread-Produkte allgemein trotzdem weiter konstruktiv bleibt, liegt vor allem an dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgespannten Sicherheitsnetz aus rekordtiefen Zinsen und hohen Anleihekäufen. Dieses Netz wurde durch die Anpassung der geldpolitischen Strategie der EZB sowie die veränderte Forward Guidance zuletzt noch einmal deutlich verstärkt. Die Auswirkungen auf die Zins- und Spread-Märkte sind tiefgreifend und wirken über verschiedene Kanäle. Unternehmensanleihen von Emittenten aus der Eurozone, aber auch Staatsanleihen aus der Euroland-Peripherie dürften davon insgesamt profitieren, und ihr Risiko-Chancen-Profil dürfte sich auch im Vergleich zum US-Kreditmarkt verbessern.

Die Anhebung des Inflationsziels der EZB auf 2% heißt in der Praxis, dass sich der Zeithorizont der ultra-expansiven Politik der EZB erneut ausgeweitet hat. Dies gilt solange die Inflationsprojektionen der EZB deutlich unter der Zielmarke stehen. Da der Einlagensatz mit –0,50% schon nahe der Zinsuntergrenze liegen dürfte, wird die EZB den Fokus vor allem auf einen verlängerten Einsatz der Anleihekäufe sowie der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs) für Banken legen. Die Formulierung der EZB, dass in Zeiten, in denen die nominalen Zinsen nahe der effektiven Untergrenze liegen, „besonders kraftvolle oder langanhaltende geldpolitische Maßnahmen nötig“ sind, unterstreicht zudem, dass selbst zusätzliche expansive geldpolitische Schritte nicht ausgeschlossen werden können.

Seit der Veröffentlichung der neuen geldpolitischen Strategie der EZB am 8. Juli wurden die Erwartungen für die erste Zinsanhebung um etwa ein Jahr auf das Frühjahr 2025 verschoben. Die Laufzeitprämien sinken entsprechend, was die Renditekurven in der Kernunion tiefer ins Minus drückt. Zusammen mit der steigenden Spot-Inflation und der erhöhten Unsicherheit bei den Inflationsprognosen sind Realrenditen auf Rekordtiefständen (–2%, zehnjährige Bundlinker) gefallen. Der Zwang für Investoren, die auf Vermögenserhalt aus sind, in Anlagen mit Rendite-Pick-up zu investieren, hält an und verstärkt sich weiter. Unternehmensanleihen mit IG-Rating profitieren davon genauso wie Staatsanleihen aus der Peripherie und Hochzinsanleihen.

Die im historischen Vergleich gestiegenen Verschuldungsniveaus bei Unternehmen aus der Eurozone sind für Investoren dabei zwar ein Warnsignal, was jedoch nicht überbewertet werden sollte. Denn als Risikomaßzahl im Kreditmarkt gilt nicht die absolute Verschuldung, sondern das Verhältnis aus Zinszahlungen und Cash-flow. Und diese Kennzahl hat sich in den vergangenen Jahren angesichts fallender Renditen und Spreads für Unternehmen (IG und Non-IG) verringert. Ähnlich ist die Situation bei den hoch verschuldeten Peripheriestaaten. Solange die EZB auf Sicht der nächsten Jahre vorteilhafte Finanzierungsbedingungen verspricht, sollte die Sorge um die Schuldentragfähigkeit bei Firmen und Staaten im Hintergrund bleiben. Neben den positiven Konjunkturperspektiven ist dies vor allem bei Firmen einer der Hauptgründe, warum der positive Trend bei den Kreditratings anhalten sollte.

Neben tieferen und flacheren Zinskurven spricht auch die sich abzeichnende Verlängerung der Nettoanleihekäufe der EZB für ein anhaltend konstruktives Umfeld für Euro-Credit. Zwar hält sich die EZB aktuell noch bedeckt, in welchem Format und Umfang die Anleihekäufe nach März 2022, dem aktuell angepeilten Ende der PEPP-Käufe, erfolgen werden, doch sind monatliche Volumina von deutlich mehr als den 20 Mrd. Euro des APP-Programms bei gleichzeitig hoher Flexibilität wahrscheinlich.

Bis Anfang 2025 präsent

Der Zeitrahmen der erhöhten und verlängerten Anleihekäufe der EZB ist dabei recht lang. Denn der EZB-Rat will die Anleihekäufe so lange weiterführen, bis „kurz bevor er mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnt“. Entsprechend des für Frühjahr 2025 eingepreisten ersten Zinsschritts hieße dies, dass die EZB bis Anfang 2025 mit Nettokäufen am Markt weiter präsent sein wird. Die dominante Marktposition der EZB wird sich dadurch nur noch vergrößern. Schon jetzt hält die EZB in den kombinierten Portfolien (APP und PEPP) bei öffentlichen Anleihen ca. 38% der ausstehenden Anleihen aus ihrem Kaufuniversum und bei Unternehmensanleihen etwa 25%. Diese Anteile dürften in den kommenden Quartalen weiter ansteigen.

Der strukturelle Nachfrageüberhang nach Anleihen mit IG-Rating, der sich neben den exorbitanten Orderbüchern auch an den niedrigen Neuemissionsprämien ablesen lässt, sollte anhalten oder sich noch weiter verschärfen. Entsprechend gering ist der Spielraum für Renditeanstiege und Spread-Ausweitungen. Die gehandelte und realisierte Marktvolatilität an den Zins- und Kreditmärkten dürfte weiter zurückgehen.

Je geringer die Volatilität ist, umso niedriger sind die von Investoren geforderten Renditeunterschiede, um Carry-Positionen aufzusetzen. Die niedrige Volatilität stabilisiert damit trotz der absolut niedrigen Spreads die Investorennachfrage sowohl nach Unternehmensanleihen als auch nach Staatsanleihen aus der Peripherie. Auch aus Sicht internationaler Investoren dürfte es attraktiver werden, aus US-Dollar-Credit in Euro-Emissionen zu wechseln. Denn für Dollar-Anleihen erscheint das Umfeld angesichts der sich in den kommenden Monaten abzeichnenden Re­duzierung der Anleihekäufe der US-Notenbank­ deutlich volatiler.

Jenseits der EZB sorgt auch die niedrige Neuemissionstätigkeit von Euro-Unternehmensanleihen für anhaltend enge Spreads. So sind die Neuemissionen bei den von der EZB gekauften Unternehmensanleihen zwischen Januar und Ende Juli im Vorjahresvergleich von 225 auf 125 Mrd. Euro in diesem Jahr eingebrochen. Da viele Unternehmen den Schwerpunkt ihrer Finanzierungsaktivitäten zudem im ersten Halbjahr hatten, sollte die Emissionstätigkeit in den kommenden Monaten noch niedriger ausfallen. Dafür spricht auch, dass Unternehmen weiterhin auf hohen Liquiditätsbeständen sitzen und in den kommenden Monaten nur begrenzte Anleihefälligkeiten anstehen.

Wie sehr die Kombination aus dem Sicherheitsnetz der EZB, dem positiven Trend bei Ratings und Fundamentaldaten und niedrigen Emissionen die Euro-Spread-Märkte stabilisiert, zeigte sich in der während der zurückliegenden Quartale stetig rückläufigen Korrelation zwischen Aktien und Kredit-Spreads. Selbst in Phasen kurzzeitiger scharfer Korrekturen bei Aktien bewegten sich Spreads bei Unternehmensanleihen kaum und Carry-Positionen zahlten sich aus.

*) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.