Im InterviewArnab Das

„Man sollte Trump in jeder Hinsicht ernst nehmen“

Arnab Das ist kein Trump-Versteher. Doch der Invesco-Stratege hat eine Vorstellung davon, was hinter der US-Zollpolitik steckt. Das erklärt er im Interview der Börsen-Zeitung.

„Man sollte Trump in jeder Hinsicht ernst nehmen“

IM INTERVIEW: ARNAB DAS

„Man sollte Trump in jeder Hinsicht ernst nehmen“

Der Invesco-Stratege über den „Trump Put“ und die Bemühungen der US-Regierung, die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen

Arnab Das ist kein Trump-Versteher. Doch der Invesco-Stratege hat eine Vorstellung davon, was hinter der US-Zollpolitik steckt. Den „Trump Put“ gibt es seiner Ansicht nach noch. Er sei nur stärker „out of the money“ als gedacht. Der US-Präsident teste weiter aus, wie weit er gehen kann.

Herr Das, sehen sich viele Finanzmarktteilnehmer als Teil des „Widerstands“ gegen Donald Trump?

Das ist eine interessante Art, es auszudrücken. Wenn man sich die Opposition in den Vereinigten Staaten ansieht, die Demokraten, das System der Gewaltenteilung, mit dem wir aufgewachsen sind, dann scheint ihn all das nicht groß zu behindern. Inzwischen haben wir aber gesehen, dass die Märkte ihn durchaus einschränken können – die Anleger sind nicht bereit, Blankoschecks auszustellen und immer größere Ungleichgewichte zu finanzieren. Der gleichzeitige Ausverkauf von Dollar, US-Staatsanleihen und US-Aktien hat Trump dazu gebracht, einige der Zölle auszusetzen und von der Drohung, Fed-Chef Powell zu feuern, Abstand zu nehmen.

Also gibt es doch einen „Trump Put“?

Ja, ich denke, dass es diesen „Trump Put“ immer noch gibt. Er scheint nur stärker „out of the money“ zu sein, als man dachte. Wir mussten erst ein Niveau erreichen oder uns mit einer Geschwindigkeit bewegen, die es für den US-Präsidenten nötig machen würden, langsamer oder vorsichtiger vorzugehen. Die Marktperformance musste schlechter ausfallen als erwartet, um Trump zu einer Abschwächung der radikalsten Änderungen zu bewegen. Das ist ein Silberstreif, aber die dunklen Wolken haben sich noch nicht verzogen – Trump testet weiterhin aus, wie weit er gehen und die Regeln in seinem Interesse biegen kann. Es ist absolut möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, dass er zu weiteren Schlägen in Bezug auf Zölle, Powell, Grönland, Kanada usw. ausholt.

Wann würde dieser Put erneut ausgeübt?

Das Ziel scheint eine schnellere, deutlichere Abkopplung von China zu sein als unter Trump 1 oder Biden, sowie ein gewisses Onshoring und Friendshoring – aber mit schnellerer Taktung. Diese Dinge brauchen jedoch viel Zeit und sind kompliziert. Ein wiederholtes Spiel wie dieses würde zu anhaltend volatilen Märkten führen. Ein möglicher Auslöser für die Ausübung des Puts wären daher eine extreme Volatilität oder ein schwerwiegender Bärenmarkt, der den Wohlstand und die wirtschaftliche Aktivität beeinträchtigt. Dass es zu wirtschaftlichem Schaden kommen wird, hat Trump ja bereits zugegeben. Das nimmt er in Kauf. Aber große Schäden wären ein Problem. Er will schließlich keine tiefe Rezession oder gar eine Depression. Die Gefahr besteht aber. Wir sprechen über Zölle auf dem Niveau der Großen Depression.

Wie muss man sich das vorstellen?

Die Tax Foundation hat das Niveau der Zölle schon vor dem „Liberation Day“ mit 8,1% angegeben. Das war mehr als das Dreifache des Levels vor der ersten Trump-Regierung. An dem Anstieg hatte Trumps erste Amtszeit ihren Anteil,  aber auch Bidens Amtszeit. Danach versuchten sich alle an Schätzungen für die Höhe der Zölle nach dem von Trump angekündigten Tag der Befreiung. Ich dachte 15%, der Durchschnitt lag irgendwo bei 14%. Wir wissen immer noch nicht, wo sie am Ende liegen werden. Momentan sieht es danach aus, dass der Basissatz von 10% bleibt, über weitere Zölle verhandelt wird und China mit deutlich höheren Zollsätzen belegt wird – jeweils mit einigen Ausnahmen. Vermutlich werden die Zölle letztlich irgendwo im zweistelligen Bereich liegen .

Was macht diese Schätzungen so schwierig?

Neben der Unvorhersehbarkeit der politischen Entscheidungen kommt es dabei sehr stark auf die Erwartungen dazu an, wie die Wirtschaft auf die höheren Zölle reagiert. Darauf, ob die Menschen mehr von bestimmten Dingen kaufen und weniger von anderen, und darauf, was wodurch substituiert werden kann. Es wird eine Weile dauern, bis sich so etwas einspielt, bis sich die Beschaffungsketten und die Konsum- und Ausgabenverhaltensmuster anpassen.

Sind Zölle immer schlecht?

Es hängt davon ab, was man sonst noch macht. Was den Schaden angeht, gibt es die kurzfristigen Kosten der Anpassung, auf die sich aus meiner Sicht die meisten Leute konzentrieren. Die andere Frage ist, ob auf lange Sicht Branchen wie die Industrie ineffizient werden, wenn man hohe Zölle und andere Schutzmaßnahmen einführt. Am Ende hat man Unternehmen, die nicht wettbewerbsfähig sind. Das ist die klassische Sorge aus dem Lehrbuch.

Wobei das Lehrbuch unterstellt, dass wir uns in einer grenzenlosen Welt mit reibungslosem Handel bewegen. Aber so eine Welt gibt es nicht.

Es gibt Grenzen und es gibt nichttarifäre Handelshemmnisse. Die Standardsicht ist, dass es einem langfristig leid tun wird, wenn man solche Schutzmaßnahmen ergreift. Das Interessante daran ist, dass die meisten Lehrbücher darüber in den Vereinigten Staaten für die Vereinigten Staaten geschrieben werden, und dafür, die US-Sicht zu unterstützen. Ich stimme diesen Ideen wie einem freien Markt, freiem Unternehmertum und allem, was dazugehört, durchaus zu...

Aber?

Die USA sind vermutlich unter den großen Volkswirtschaften bis auf die Volksrepublik China die protektionistischste. Trotzdem brachten sie eine Wirtschaft mit hoher Effizienz, großem Innovationspotenzial und enormen Produktivitätssteigerungen hervor.

Wie äußert sich das?

Die ersten beiden industriellen Revolutionen fanden mehr oder weniger gleichzeitig in Europa und den Vereinigten Staaten statt. Die dritte industrielle Revolution – Computer und Informationstechnologie – dagegen ging von Großbritannien aus, nahm aber in den USA erst richtig Fahrt auf. Und bei der vierten ist es so, dass Trumps Anhänger sagen würden: Made in America, kopiert in China. Europa inklusive das Vereinigte Königreich wurden dabei abgehängt.

Was bedeutet das?

Der Schluss, den ich lieber mit Blick auf die Wirtschaftsgeschichte als mit Hilfe einer stark modellbasierten Herangehensweise daraus ziehen würde, ist, dass die USA schon immer eine kapitalistische Wirtschaft hatten, vielleicht die kapitalistischste von allen. Sie hatten einen Binnenmarkt, der viel freier war, obwohl Schutzmauern gegen den Rest der Welt hochgezogen wurden.

Und die anderen?

Die meisten Länder sind viel besser darin, sich gegen den Rest der Welt abzuschirmen, als darin, die heimische Wirtschaft zu deregulieren. Das gilt für Indien, wo ich geboren wurde, Großbritannien, wo ich lebe, und für viele Emerging Markets wie Brasilien, aber nicht für Ostasien. Denn dort verfolgte man ein exportorientiertes Modell und stand auf den weltweiten Märkten im Wettbewerb. Und damit kommen wir zurück auf ihre Frage nach dem „Widerstand“ der Finanzmarktteilnehmer.

Wie sieht der „Widerstand“ aus?

Es gibt mit Sicherheit einigen Widerstand, wenn es um die kurzfristige Sicht der Dinge geht.  Die wichtigere Frage ist aber: Was ist mit der langfristigen Perspektive? Was Trump und seine Verbündeten zu erreichen versuchen, ist, die Vereinigten Staaten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das heißt, weg vom Konsum und Dienstleistungen und, zumindest in einem spürbaren Ausmaß, hin zur Produktion, zum verarbeitenden Gewerbe.

Könnte man damit Erfolg haben, wenn man bereit ist, die kurzfristig anfallenden Verluste zu schlucken?

Man braucht dafür einen Binnenmarkt, der groß genug ist. Würde Europa den Binnenmarkt vollenden und die politische Einheit anstreben, könnte es den USA und China auf Augenhöhe begegnen.  

Bislang ist davon nicht viel zu sehen. All die Wachstumsversprechen der vergangenen Jahrzehnte wurden nicht eingelöst. Der Anteil der EU an der Weltwirtschaft ist geschrumpft.

Die USA haben dagegen nicht so viel verloren. China und Indien haben ihren Anteil stark ausgeweitet. Das ist ein großer Treiber für die US-Bemühungen, die Wirtschaft neu auszutarieren, und für den Protektionismus dort. Die Volksrepublik stellt aus Sicht dieser US-Regierung ein existenzielles Risiko für die Vereinigten Staaten dar. Sie macht sich Sorgen über China, nicht über Europa oder Russland. Wenn man sich das vor Augen führt, hat alles auf einmal viel mehr Sinn. Warum sonst würde man mit der Idee an die Öffentlichkeit gehen, sich Grönland und Kanada einzuverleiben?

Ablenkung?

Nein, ich denke, es ist viel ernster. Es gibt eine Menge Ablenkungsmanöver. Es wird immer gefragt, ob man Trump ernst nehmen oder beim Wort nehmen soll. Ich denke, man sollte ihn in jeder Hinsicht ernst nehmen. Er geht das Risiko eines Bruchs mit Europa ein. Das ist Teil einer gezielten Strategie, Europa Druck zu machen.

Aber was will man erreichen? Ich würde in den kommenden Monaten nicht auf einen starken Dollar, hohe Aktienkurse oder niedrige Anleihenrenditen in den USA setzen.

In diese Richtung ging es seit der Amtseinführung von Trump. Und ich denke, dass es so weitergehen wird. Die Regierung hat durchblicken lassen, dass sie bereit ist, wirtschaftliche Schmerzen in Kauf zu nehmen, eine Verlangsamung oder eine Rezession. Man sollte die Zölle nicht ausschließlich als Verhandlungsinstrument sehen, um die Öffnung ausländischer Märkte zu erzwingen. Es gibt eine Agenda dafür, die einheimische Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ein schwacher Dollar und ein niedrigeres Trendwachstum während der Neuausrichtung von Konsum auf Produktion ergeben Sinn.

Und China?

Wenn man denkt, dass das Ziel ist, in eine Position zu kommen, aus der man China glaubwürdig abschrecken kann, ob es nun um Taiwan oder um die Arktis geht, will man Indien auf seiner Seite haben und Russland aus seiner umfassenden Allianz mit der Volksrepublik herauslösen. Dann wäre China eingekreist.

Das wäre die Umkehrung dessen, was Nixon mit Mao Tse-tung betrieb.

Ja, Nixons Vorgehen führte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zur Integration Chinas in das internationale System. So etwas wie die WTO der letzten Jahrzehnte wird es so bald nicht wieder geben. Russland hätte nicht viel zu gewinnen, denn niemand wird es ihm anbieten, weil Europa ein Problem mit Russland hat, egal was passiert. Aber wenn das die Richtung ist, in die die Reise geht – Russland und China zum Beispiel engere Verbündete werden oder sich Europa wieder stärker in Richtung China orientiert und Kanada, Europa und vielleicht China enger zusammenrücken –, dann wäre die Alternative dazu, dass die USA von China eingekreist werden.

Wie denn?

Da gibt es etwa die Neue Seidenstraße (Belt & Road) und die Umleitung der Handelsströme aus Lateinamerika. Die Gefahr besteht darin, dass die USA von Norden und Süden unter Druck kommen. Es gibt die beiden Ozeane. Eine Invasion wird es wohl nie geben. Aber die USA wären dadurch wirklich stark eingeschränkt. Und man wäre keine Weltmacht mehr, wenn man zulassen würde, dass das stattfindet.

Was wäre die Konsequenz?

Wenn man es so sieht, hätte es aus einer Perspektive des außenpolitischen Realismus auf Basis von Hard Power mehr Sinn als die idealistische Herangehensweise Bidens. Es hätte einen Sinn, zu versuchen, Russland und China auseinanderzudividieren.

Eine vollständige Spaltung mag nicht machbar sein, aber vielleicht ließe sich genügend Abstand schaffen für einen Kompromiss – Russland bekommt Teile der Ukraine und Zusicherungen hinsichtlich der Nato; vielleicht stimmt Russland stillschweigend einer tieferen Integration der USA mit Grönland zu, wodurch Chinas Einfluss in der Arktis geschwächt würde. Die Position der USA würde im Norden gestärkt, während ein größerer Einfluss auf oder eine stärkere Kontrolle über den Panamakanal ihre Position im Süden festigen würden. Dafür riskiert man den Bruch mit den Europäern, die aus Sicht der Regierung ihren Nato-Verpflichtungen nicht nachkommen und zwar keine Exporte hereinlassen, dafür aber möglichst viel in die USA exportieren wollen.

China ist immer noch Russlands bester Verbündeter. Warum ist es nie zu Sanktionen gekommen?

Weil man sich mit China nicht anlegen kann. Die wirtschaftlichen Verwerfungen wären zu schwerwiegend – für die Vereinigten Staaten, für China und für Europa. Das zumindest war die Sichtweise des Biden-Teams, aus gutem Grund. Aber Trump ist bereit, radikaler vorzugehen. Anstatt sich auf Sanktionen zu konzentrieren, um China von einer Annäherung an Russland abzuhalten, strebt er eine stärkere Abkopplung von China an.

Wegen all der ausgelagerten Produktion. Schon allein wenn es um Medikamente geht ...

Das hat sich in der Pandemie herauskristallisiert.

Deshalb bekommen wir keine Reparationen.

Wer weiß, wo das endet. Was begonnen hat, ist jedenfalls eine überzeugendere Form der Abkopplung. Ab der zweiten Amtszeit von George W. Bush ging es um die Akzeptanz des friedlichen Aufstiegs von China. Seit der ersten Amtszeit von Trump versuchen wir, das Verhältnis zur Volksrepublik neu zu organisieren. Unter Biden standen Friendshoring und Nearshoring im Fokus. Unter Trump geht es stärker um Reshoring. Das ist eine 180-Grad-Wende vom Entgegenkommen hin zur Abkopplung.

Und Europa?

Teil der Frustration, die man nicht nur in der Trump-Regierung, sondern innerhalb der US-Eliten im Umgang mit den Europäern empfinget, ist, dass es so schwierig ist, sie zu einer gemeinsamen Politik zu bewegen. Denn es sind mehrere große Länder, von denen die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Und deren Interessen weichen voneinander ab. Eigentlich wurde angenommen, dass der Brexit und damit der Verlust des britischen Vetorechts Kontinentaleuropa näher zusammenbringen würde. Doch am Ende ist das nicht erfolgt.

Was hat sich verändert?

Vielleicht ist Polen jetzt ein großer Akteur in Europa. Es ist zwar keine große Volkswirtschaft, wächst aber sehr schnell. Und es ist ein militärischer Akteur. Wenn fünf große Länder im europäischen Teil der Nato eine Rolle spielen, sind es Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen. Das Gleichgewicht verschiebt sich zugunsten der Falken Deutschland, Frankreich und Polen. Es verschiebt sich aus meiner Sicht nicht in Richtung strategische Autonomie. Die Falken setzen auf Wiederbewaffnung. Zwei sind bereits bewaffnet. Und Deutschland bewegt sich sehr schnell in diese Richtung.

Bislang sind es vor allem Worte. Niemand hat Steuererhöhungen für die Wiederbewaffnung angekündigt.

Andererseits hat sich Trump bislang in keinster Weise aus der Nato zurückgezogen. Es war viel Rhetorik, obwohl er Truppen verlegt, um den Druck auf Europa aufrechtzuerhalten, mehr auszugeben und einen größeren Teil der finanziellen, militärischen und personellen Kosten zu tragen. Er hat den Druck auf die Ukraine erhöht, indem er die geheimdienstliche Zusammenarbeit und die Waffenlieferungen aussetzte. Er will zeigen, wer der Boss ist.

Bislang mit wenig Erfolg.

Wenn es ein Land auf der Welt gibt, dessen Existenz bedroht ist, dann ist es die Ukraine. Sie werden nicht aufhören zu kämpfen. Die Frage ist nur, wie und wer es finanzieren wird. Doch nun scheint Trump zu der Erkenntnis zu gelangen, dass auch Russland nicht aufhören wird – zumindest noch nicht – und dass die zentralen nationalen Interessen oder Ziele anderer Großmächte möglicherweise nicht so leicht miteinander in Einklang zu bringen sind.

Wer hätte daran ein wirtschaftliches Interesse?

Wir befinden uns in einer Welt, in der wirtschaftliche Beweggründe nicht mehr alles erklären. Anders gesagt: Das Machtgleichgewicht verschiebt sich von den Zentralbanken zum Rest des Staats.

Können Sie das etwas genauer erklären?

Als wir noch in einer globalisierten Welt lebten, war das Angebot sehr elastisch. Es kam auf die Nachfrage an. Also managten Zentralbanken die Nachfrage. Sie waren der wesentliche Treiber des Wirtschaftszyklus. Es war eine in hohem Maße globalisierte und dollarisierte Welt. Jetzt werden überall alle möglichen Barrieren und Hindernisse errichtet: Für Daten, Handel, Dienstleistungen vielleicht weniger als in der Vergangenheit, geopolitische Bruchlinien. All diese Barrieren sorgen für ein wesentlich weniger elastisches Angebot. Es ist eine Weltwirtschaft, die weit mehr durch Regulierung und Zölle gefesselt wird. Sie wird nicht mehr von Zentralbanken dominiert. Die Macht hat sich von der Nachfrageseite zur Angebotsseite verschoben.

Was hat das für Auswirkungen?

Gäbe es einen Krieg in Asien oder einen Weltkrieg wie den in der Ukraine, könnte ihn der Westen verlieren. Die Demokratien könnten ihn verlieren, insbesondere wenn sich China und Russland zusammenschließen. Gemeinsam verfügen sie über eine hochgradig komplementäre Wirtschaft. Man kann zwar immer sagen, dass die russische Wirtschaft kleiner als XY ist. Aber wenn es um Rohstoffe geht, ist Russland eine Supermacht. China ist eine Supermacht im verarbeitenden Gewerbe und im militärischen Sinne.

Was will also die US-Regierung?

Das Ziel der US-Regierung ist, das Risiko eines Weltkriegs durch Abschreckung zu verhindern. Dieses Risiko könnte in der Ukraine entstehen, aber auch in Taiwan oder anderswo in Asien. Ich sage nicht, dass das passieren wird oder auch nur, dass sich die Dinge in diese Richtung entwickeln, aber es ist ein zunehmendes Risiko. Und ich denke nicht, dass die USA einen Isolationismus verfolgen. Es ist vielmehr Unilateralismus. Dieser Unilateralismus ist daraus entstanden, dass man das Gefühl hat, sich nicht auf seine Verbündeten verlassen zu können, vor allem nicht auf Europa. 

Worum  geht es Trump im eigenen Land?

Innenpolitisch geht es um die Rückkehr zum ursprünglichen amerikanischen Ideal eines sehr kleinen Staats. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Antwort Europas auf diese Herausforderung darin besteht, den Staat auszuweiten. Der Treiber dabei war Deutschland.

Ähnliches sieht man in Großbritannien. Wenn man sich allein das Beschäftigungswachstum im öffentlichen Dienst ansieht ...

Furchtbar. Aber in Großbritannien wird man sich langsam darüber im Klaren, dass man etwas unternehmen muss. Man hat die Kürzung von Sozialleistungen auf den Tisch gelegt.

Aber nur soviel, damit man behaupten kann, einen ausgeglichenen Haushalt zu haben.

Ja, alles nur Feinabstimmung.

Gepaart mit einer sehr optimistischen Prognose des Office for Budget Responsibility.

Dem unabhängigen Haushaltshüter.

Und einem passenden Timing der Anleihenverkäufe durch die nicht so unabhängige Schuldenagentur. Die Marktreaktion erweckte den Eindruck, als wäre alles in Ordnung.

Ich denke nicht, dass sich irgendjemand dadurch an der Nase herumführen lässt. Wenn man sich auf der Welt umsieht, steigen überall die Anleiherenditen. Die USA sind eine mögliche Ausnahme, nun, da das Risiko einer Rezession oder eines schwächeren Trendwachstums besteht – obwohl das Inflationsrisiko bzw. das Risiko einer Stagflation/Wachstumsschwäche mit hoher Inflation die Anleihenrenditen dort momentan auch noch in die Höhe treibt. In der Eurozone denkt man, dass man diesen fiskalpolitischen Booster braucht, um Europa aus seiner Benommenheit herauszubekommen. Rüstung und Infrastruktur sollen dabei helfen. Das Wachstum wird höher sein, die Inflation wird ebenfalls höher ausfallen als sonst, also steigen die Renditen.

Und in Großbritannien?

Hier steigen die Renditen, weil der fiskalische Druck steigt. Der Inflationsdruck lässt etwas nach, aber nicht sehr viel. Das Wachstum stagniert und niemand erwartet, dass es wesentlich zunehmen wird. Und dennoch wird Großbritannien zum High-Yielder der G7. Was der Markt uns damit vielleicht mitteilen möchte, ist dass Europa wieder eine Wachstumsprämie zugesprochen wird. Großbritannien wird dagegen wieder mit einer Risikoprämie belegt. In den USA bewegen sich die Neigung der Renditekurve und die Laufzeitprämien derzeit beide nach oben – in der Regel ist das der Fall, wenn die Wirtschaft nach einer Rezession zu einem starken Aufschwung übergeht. Das gleiche war aber auch bereits in Stagflationsphasen, wie in den 1970er Jahren, zu beobachten.

Wieso also die Unruhe am Anleihenmarkt?

Die Angst ist, dass Trump die Fed ins Visier nehmen wird. Das tut er manchmal. In Europa gibt es das weniger. Liz Truss ging ein wenig in diese Richtung. Aber wenigstens wird das Kind nicht mit dem Bade ausgekippt. Und allen ist klar, dass man enger zusammenarbeiten muss, wenn man seine Ziele erreichen will. Das ist der positive Aspekt dessen, was Trump getan hat: Im Rest der Welt ist es zu Veränderungen gekommen. 

Das Interview führte Andreas Hippin

Das Interview führte Andreas Hippin. Das vollständige Interview finden Sie unter www.boersen-zeitung.de.

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