Geldpolitik

EZB besorgt wegen Rekord­inflation

Die Euro-Währungshüter deuten ein Umdenken an mit Blick auf die hohe Teuerung und ihre geldpolitische Reaktion. Die Zinswende in Euroland könnte früher kommen. Bereits im März könnte vieles klarer sein.

EZB besorgt wegen Rekord­inflation

ms Frankfurt

Die rekordhohe Inflation im Euroraum sorgt für immer größere Besorgnis in der Europäischen Zentralbank (EZB). Das hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Zinssitzung des EZB-Rats am Donnerstag deutlich gemacht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund schließt die Notenbank nun eine erste Zinserhöhung noch im Jahr 2022 nicht mehr aus. Besondere Bedeutung kommt jetzt der Zinssitzung im März zu, wenn die EZB-Volkswirte neue Projektionen für Wachstum und Inflation vorlegen.

„Situation hat sich geändert“

Im Gegensatz etwa zur US-Notenbank Fed oder der Bank of England hatte sich die EZB bislang immer gegen Inflationssorgen gestemmt und argumentiert, dass die hohe Teuerung vor allem auf Sondereffekte im Zusammenhang mit der Pandemie zurückgehe und nur vorübergehend sei. Einen Tag vor der Zinssitzung hatte allerdings die Vorabschätzung der Inflationsrate für den Januar erneut für eine böse Überraschung gesorgt. Statt wie erwartet deutlich nachzugeben, legte sie sogar erneut leicht zu und erreichte mit 5,1% ein Rekordhoch. Damit zeichnet sich ab, dass die Inflation 2022 nicht so rasch und nicht so stark zurückgeht wie von der EZB erhofft.

EZB-Präsidentin Lagarde sagte nun am Donnerstag, die unerwartet hohe Inflation im Dezember (5,0%) und Januar habe im EZB-Rat „einhellig“ für Besorgnis gesorgt. „Die Situation hat sich in der Tat geändert“, fügte sie hinzu. In seine geldpolitische Erklärung nahm der EZB-Rat zudem zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Risikoeinschätzung zum Inflationsausblick auf und sprach von Aufwärtsrisiken – „vor allem auf kurze Sicht“. „Die Inflation könnte höher ausfallen, wenn der Preisdruck dazu führt, dass die Löhne stärker steigen als erwartet, oder wenn die Wirtschaft ihre Kapazität rascher wieder voll ausschöpft“, hieß es.

Erst Mitte Dezember hatten die EZB-Volkswirte ihre Inflationsprognose für das Jahr 2022 von zuvor 1,7% auf 3,2% angehoben – so stark wie nie zuvor. Für 2023 und 2024 hatten sie aber wieder einen Rückgang der Teuerung unter die EZB-Zielmarke von 2% vorhergesagt – auf jeweils 1,8%. Mit den Dezember- und Januar-Daten zur Inflation scheint diese Prognose aber bereits jetzt Makulatur. Auch Lagarde deutete an, dass es im März erneut eine Aufwärtsrevision geben könne. Im Lichte der neuen Projektionen werde der EZB-Rat dann über seinen weiteren Kurs entscheiden. Für die Wirtschaft ist die EZB weiter recht zuversichtlich: Für das erste Quartal erwartet sie zwar erneut ein schwächeres Wachstum – nach nur 0,3% im vierten Quartal. Dann aber setzt sie auf eine starke Erholung.

Angesichts dieser Gemengelage scheint nun möglich, dass auch im Euroraum bereits im Jahr 2022 die Leitzinsen steigen könnten. Jedenfalls wollte Lagarde am Donnerstag auch auf mehrfaches Nachfragen ihre Aussage vom Dezember nicht wiederholen, dass eine Zinserhöhung im Jahr 2022 „sehr unwahrscheinlich“ sei – was damals als Absage an einen Zinsschritt interpretiert worden war. Mehrfach verwies Lagarde nun auf die Sitzung im März, wenn neue Projektionen vorliegen. Dann könne der Rat besser über den weiteren Kurs entscheiden. „Wir sind bereit, alle unsere Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei unserem Zielwert von 2% stabilisiert“, sagte sie.

Mitte Dezember hatte der EZB-Rat beschlossen, dass die Nettokäufe im Zuge des 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP Ende März enden sollen. Zur teilweisen Kompensation soll aber das parallele Anleihekaufprogramm APP mit einem Kaufvolumen von 20 Mrd. Euro pro Monat sogar zeitweise aufgestockt werden, und ein Enddatum für das APP hatte der Rat noch nicht avisiert. Denkbar scheint nun aber ein Ende der Käufe bereits im Herbst.

Lagarde machte aber auch klar, dass der EZB-Rat keine voreiligen Schlüsse ziehen werde. Sie betonte zudem, dass der Rat weiter davon ausgehe, dass die Teuerung im Verlauf des Jahres 2022 nachlassen werde. Vor allem untermauerte sie das „Sequencing“, gemäß dem der Rat erst die Anleihekäufe beenden will, ehe er die Leitzinsen anhebt.