Inflation

EZB-Chef­volkswirt sieht Ende der Mini-Teuerung

Wohin steuert die EZB-Geldpolitik? EZB-Chefvolkswirt Philip Lane relativiert die hohe Teuerung, sagt aber auch: Die Zeit extrem niedriger Inflation ist vorbei. Regierungsberater Lars Feld fordert mehr Tempo.

EZB-Chef­volkswirt sieht Ende der Mini-Teuerung

ms Frankfurt

Die Zeiten extrem niedriger Inflation im Euroraum wie in den Jahren vor der Corona-Pandemie werden nach Einschätzung von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane nicht zurückkehren. Das sagte Lane am Donnerstag auf einer Veranstaltung von MNI Market News. Zugleich warnte Lane aber auch davor, die aktuell rekordhohe Inflation überzubewerten und geldpolitisch überzureagieren. Es sei von entscheidender Bedeutung, „eine übermäßige Straffung der Geldpolitik zu verhindern, die die Inflation mittelfristig dauerhaft unter das 2-Prozent-Ziel drückt“, sagte Lane.

Nicht überreagieren

Die Aussagen Lanes untermauern den Eindruck, dass die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts eines geänderten Inflationsbildes zwar ei­nerseits auf eine gewisse Normalisierung ihrer Geldpolitik zusteuert, also vor allem auf ein Ende von Sondermaßnahmen wie den breiten Anleihekäufen, dass sie aber andererseits nicht vor deutlichen Zinserhöhungen oder einer starken Straffung ihrer Geldpolitik steht – anders als etwa die US-Notenbank Fed. Vor allem in Deutschland ist der zaghaftere Ansatz der EZB heftig umstritten. Die Inflation im Euroraum sieg im Januar überraschend auf 5,1%.

Lane sagte nun, es gebe mehrere Faktoren, die darauf hindeuteten, dass das Umfeld einer „übermäßig“ geringen Teuerung, das von 2014 bis 2019 vorherrschte, nicht wiederkehren werde. In jener Periode habe die Inflation im Durchschnitt nur bei 0,9% gelegen. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0% an. Dazu zähle etwa die starke fiskal- und geldpolitische Reaktion auf die Pandemie und das Anziehen der Inflationserwartungen. „Sollte damit zu rechnen sein, dass sich die mittelfristige Inflationsdynamik in der Nähe des 2-Prozent-Ziels stabilisiert, so wird dies eine allmähliche Normalisierung der Geldpolitik ermöglichen“, sagte Lane.

Zugleich sagte Lane aber, dass die Euro-Notenbanker darauf achten müssten, „dass sie nicht so überreagieren, dass die Gefahr besteht, dass eine hohe kurzfristige Inflation zu einer übermäßigen Straffung der Geldpolitik führt“, die dann wiederum die Inflation mittelfristig unter das 2-Prozent-Ziel bringen könnte. Ganz ähnlich hatte zuvor am Donnerstag der spanische Zentralbankchef Pablo Hernandez de Cos ge­warnt, dass die Notenbanker nicht „überreagieren“ dürften. Er forderte einen „klaren, schrittweisen und vorhersehbaren“ geldpolitischen Kurs.

Nach dem überraschenden Tonwechsel der EZB in Sachen Inflation bei der Sitzung Anfang Februar wird munter über den weiteren Kurs spekuliert. Notenbanker selbst senden durchaus widersprüchliche Signale, etwa, wenn es um eine mögliche Zinserhöhung noch in diesem Jahr geht. Inzwischen nimmt der weitere Kurs aber zunehmend Kontur an. Demnach könnte der EZB-Rat nach dem Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März bereits im dritten Quartal auch das parallele Anleihekaufprogramm APP beenden. Das würde die Tür für eine erste Zinserhöhung öffnen. Der Zeitpunkt scheint aber noch offen. Darüber könnte womöglich im Sommer beraten und entschieden werden (vgl. BZ vom 17. Februar).

Aus Sicht des Wirtschaftsberaters von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Lars Feld, sollte die EZB ihren Kurs rasch straffen. „Als erstes muss die EZB dafür sorgen, dass der Ausstieg aus den Anleihekäufen schneller abläuft“, sagte Feld der Wiener Zeitung „Die Presse“. Ihre Aussagen dazu interpretiere er so, dass sie schon ab März weniger Staatsanleihen kaufen könnte. „Außerdem haben wir einen negativen Einlagenzins für die Banken. Diesen von minus 0,5 auf null zu setzen, wäre ein wichtiges Signal an die Banken“, fügte er hinzu. Was den Restriktionsgrad der europäischen Geldpolitik betreffe, würde dies aber nur wenig ändern. Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen sieht die ultralockere EZB-Geldpolitik seit langem kritisch. In der neuen Rolle hat sein Wort noch einmal mehr Gewicht.

Ebenfalls am Donnerstag hat die EZB mitgeteilt, dass sie 2021 kaum noch Gewinn gemacht hat. Der Überschuss sank von rund 1,6 Mrd. Euro im Vorjahr auf nur noch knapp 0,2 Mrd. Euro. Den Rückgang des Gewinns führte die EZB unter anderem auf geringere Erträge aus ihren Fremdwährungsreserven zurückgeführt. Zudem sei die Risikovorsorge erhöht worden. Der EZB-Gewinn wird komplett an die nationalen Notenbanken verteilt, also auch an die Bundesbank. Diese wiederum überweist ihren Gewinn in der Regel zum Großteil an den Finanzminister.