Geldpolitik

EZB-Granden dämpfen Zins­fantasien

Die EZB hat ein schnelleres Ende ihrer billionenschweren Anleihekäufe avisiert. Das hat Spekulationen geschürt, dass es auch schneller zu Zinserhöhungen kommen könnte. Führende Notenbanker bremsen nun.

EZB-Granden dämpfen Zins­fantasien

ms Frankfurt

Nach der überraschenden Ankündigung für ein schnelleres Ende der EZB-Anleihekäufe haben führende Notenbanker betont, dass damit nicht auch mögliche Zinserhöhungen automatisch früher kommen müssen. „Wir werden die Ankäufe von Vermögenswerten wahrscheinlich unter bestimmten Bedingungen beenden, aber wir sagen, dass die Frage der Zinserhöhungen einige Zeit danach kommen wird“, sagte Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau am Freitag. Diesem Teil der Kommunikation hätten die Märkte nicht genug Beachtung geschenkt. In die gleiche Richtung äußerten sich auch andere Notenbanker wie etwa Finnlands Zentralbankchef Olli Rehn.

Märkte spekulieren

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte am Donnerstag beschlossen, die Käufe im Zuge des Anleihekaufprogramms schneller zu drosseln als zuvor avisiert, und erstmals auch ein mögliches Enddatum genannt: das dritte Quartal. Zuvor war spekuliert worden, dass sich die Euro-Hüter wegen des Ukraine-Kriegs und wegen der großen Unsicherheit über die Folgen zurückhalten und auf Zeit spielen könnten. Offenbar überwiegen im EZB-Rat aber die Sorgen wegen der rekordhohen Inflation. Die EZB-Volkswirte sagen nun 5,1% Inflation für 2022 voraus. Tatsächlich könnte es auch noch deutlich höher gehen.

Die Beschleunigung der Drosselung schürte Spekulationen, dass auch die EZB-Leitzinsen früher angehoben werden könnten als zuletzt gedacht – womöglich bereits im Oktober statt erst im Dezember oder sogar erst 2023. Allerdings änderte der EZB-Rat auch seinen Zinsausblick (Forward Guidance). Bislang hatte er stets betont, dass die Leitzinsen „kurz“ nach dem Ende der Anleihekäufe erhöht werden sollen. Jetzt soll das „einige Zeit“ nach Ende der Nettokäufe geschehen. Auch auf mehrfache Nachfrage ließ EZB-Präsidentin Christine Lagarde offen, was das konkret bedeutet. Das könnte „eine Woche oder auch Monate“ bedeuten, sagte sie.

Villeroy de Galhau hob am Freitag nun diese Änderung hervor. Die Märkte hätten dies nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, sagte er mit Blick auf die Formulierung „einige Zeit“. „Das heißt, es ist völlig offen, es gibt keinen Automatismus, es könnte lange dauern und wir werden uns die nötige Zeit nehmen“, so der Notenbanker im Sender BFM Business Radio. Ganz ähnlich äußerte sich am Freitag auch der slowakische Zentralbankchef Peter Kazimir. Es gebe bei Zinserhöhungen keinen Automatismus, sagte er.

Finnlands Notenbankchef Rehn betonte, dass sich die EZB mit dem Beschluss zum beschleunigten Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik mehr Spielraum verschafft habe. Es sei ein Kompromiss, zu dem er stehe, sagte Rehn am Freitag. „Wir bewahren und erhöhen in der Tat sogar die Bewegungsfreiheit.“ Mit Blick auf die noch nicht absehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine sagte der Ex-EU-Kommissar, in einem Umfeld weit verbreiteter Unsicherheit empfehle es sich, kleine Schritte umsichtig zu gehen. Es gelte zu warten, bis sich der Nebel gelegt habe. Der raschere Ausstieg aus den Käufen bedeute allerdings nicht, dass eine Zinserhöhung rasch folgen müsse.

Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge

Unterdessen berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag unter Berufung auf Insider, dass die EZB mit Hochdruck an einem Rettungsschirm für Ukraine-Flüchtlinge arbeite. Dabei gehe es um einen Mechanismus, der es den Osteuropäern erlaubt, ihr Erspartes in harte Devisen zu tauschen, hieß es. Mehrere Währungshüter, insbesondere aus Osteuropa, hätten die EZB gebeten, eine Lösung für die Flüchtlinge in ihrer Finanznot zu finden. Auch aus den EU-Staaten gebe es Druck.

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