Geldpolitik

Zinswende beschert EZB Verluste

Rund um den Globus haben zuletzt Zentralbanken über Verluste berichtet oder diese in Aussicht gestellt. Nun hat auch die EZB ihren Jahresabschluss für 2022 vorgelegt. Sie verbucht Verluste, gleicht diese aber durch die Auflösung von Rückstellungen aus.

Zinswende beschert EZB Verluste

ms Frankfurt

Die Europäische Zen­tralbank (EZB) hat aufgrund hoher Zinsausgaben und Abschreibungen auf Wertpapiere im Jahr 2022 einen deutlichen Verlust von gut 1,6 Mrd. Euro erwirtschaftet. Da sie in gleicher Höhe früher gebildete Rückstellungen auflöste, steht für das vergangene Jahr unter dem Strich ein Jahresüberschuss von null. Die nationalen Zentralbanken gehen deshalb dieses Mal leer aus. Im Jahr 2021 hatte noch ein geringer Gewinn von 192 Mill. Euro zu Buche gestanden. Für die nächsten Jahre zeichnen sich weitere Verluste ab. Die EZB ist aber zuversichtlich, dass sie diese gut auffangen kann. Zudem betont sie, dass bei ihrem Handeln nicht Gewinne oder Verluste, sondern das Mandat der Preisstabilität entscheidend sei.

Debatte über Reputation

Die Bilanzen der Notenbanken und mögliche Verluste stehen derzeit weltweit im besonderen Fokus. Rund um den Globus haben zuletzt Zentralbanken über Verluste berichtet oder diese in Aussicht gestellt – darunter auch die US-Notenbank Fed. Anfang Januar hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) für 2022 sogar einen Rekord-Jahresverlust von 132 Mrd. sfr (rund 134 Mrd. Euro) in Aussicht gestellt (vgl. BZ vom 9. Januar). Das hat eine Debatte ausgelöst, inwieweit solche Verluste die Handlungsfähigkeit der Zentralbanken einschränken oder ihre Glaubwürdigkeit untergraben. Die Notenbanker weisen das zurück, und auch die Zentralbank der Zentralbanken BIZ hat solche Verluste unlängst relativiert (vgl. BZ vom 7. Februar).

Hintergrund für die Verluste sind die geldpolitischen Maßnahmen der Krisenjahre. So hat etwa das Eurosystem aus EZB und den inzwischen 20 nationalen Zentralbanken in den vergangenen Jahren zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie beispiellose Staatsanleihen- und Un­ternehmensanleihenkaufprogramme aufgelegt. Die billionenschweren Bestände an Bonds werfen derzeit aber nur geringe Zinsen ab. Auf der anderen Seite müssen die Euro-Notenbanken im Zuge der Zinswende den Geschäftsbanken nun wieder kräftig Zinsen zahlen für deren Einlagen bei der Notenbank.

Auch bei der EZB wirkt sich das nun entsprechend aus. So nahm sie hohe Abschreibungen auf Anleihen in ihrem sogenannten Eigenmittelportfolio und in ihrem US-Dollar-Portfolio vor. Die Kurse dieser Papiere sind im Zuge des Straffungskurses gesunken – ihre Renditen dagegen gestiegen. Die im Rahmen der großen Anleihekaufprogramme erworbenen Anleihebestände sind davon aber nicht betroffen. Diese werden zu fortgeführten Anschaffungskosten erfasst. Die Abschreibungen schossen insgesamt auf 1,84 Mrd. Euro in die Höhe. Hinzu kamen umfangreiche Zinszahlungen im Zusammenhang mit dem Verrechnungssystem Target2 der Notenbanken der Eurozone, die mit dem Leitzinsanstieg zusammenhängen. Das Zinsergebnis ging gegenüber Vorjahr um knapp 43% auf 900 Mill. Euro zurück. „Die Finanzlage der EZB selbst hat unter dem geldpolitischen Paradigmenwechsel im Jahr 2022 gelitten“, sagte Carsten Brzeski, Global Head of Macro der ING.

In den nächsten Jahren dürfte es weitere Verluste geben. Die EZB fühlt sich dafür aber gut gewappnet. Nach der Auflösung von 1,6 Mrd. Euro Rückstellungen für 2022 verfügt die EZB immer noch über eine Rückstellung für finanzielle Risiken in Höhe von 6,6 Mrd. Euro. Ihr Kapital liegt bei 8,9 Mrd. Euro. Dazu kommen sogenannte „revaluation accounts“ von 36,1 Mrd. Euro. Die finanziellen Ressourcen der EZB lagen damit zusammengenommen Ende 2022 bei 51,6 Mrd Euro. Die BIZ hatte zudem unlängst betont, dass Notenbanken ohne Probleme auch mit negativem Eigenkapital operieren könnten.

Euro-Notenbanken warnen

Aus dem Kreis der nationalen Notenbanken hatte der Chef der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, unlängst gesagt, dass seine Institution in den kommenden Jahren „beträchtliche” Defizite verzeichnen könnte und dass im Extremfall eine Kapitalspritze vom Steuerzahler „notwendig sein könnte“. Die belgische Nationalbank hat potenzielle Verluste in Höhe von etwa 9 Mrd. Euro bis 2027 angekündigt.

Die Bundesbank legt am 1. März ihren Geschäftsbericht für 2022 vor. Anfang Februar hatte Bundesbankpräsident Joachim Nagel im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass sich der Verlust 2022 noch in Grenzen halten werde (vgl. BZ vom 7. Februar). In den Folgejahren seien dann aber deutlichere Verluste zu erwarten. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass dies keine großen Probleme machen werde, weil es Rückstellungen gebe und Verlustvorträge gebildet werden könnten. Das habe es in den 1970er Jahren bereits gegeben.

Ähnlich wie Vertreter der EZB betonte Nagel zudem in dem Interview, dass es für Notenbanken einzig darum gehe, für Preisstabilität zu sorgen: „Die Auswirkungen auf unsere Ertragslage dürfen uns nicht davon abhalten, die Geldpolitik zu machen, die wir aus Sicht der Preisstabilität für nötig halten. Und sie werden uns auch nicht abhalten.“

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