Growth-Equity-Beteiligungen

Wachstums­schmerzen

Growth Equity befeuert Europas Tech-Aufholjagd mit üppigen Start-up-Finanzierungen. Doch das Misstrauen gegenüber den Wachstumsversprechen wächst.

Wachstums­schmerzen

Growth Equity hat sich zu dem am schnellsten wachsenden Investmentfeld abseits der Börsen entwickelt. Die Minderheitsbeteiligungen an etablierten, aber noch jungen und schnell wachsenden Unternehmen, die nicht an der Börse gelistet sind, haben mit einem Vermögensvolumen, das Morgan Stanley auf 1,2 Bill. Dollar beziffert, inzwischen mehr Kapital der Finanzinvestoren angezogen als Investments in Direktkredite, Wagniskapitalfinanzierungen oder Infrastrukturbeteiligungen. Rund 15% von den 8 Bill. Dollar „Private Capital“ stecken mittlerweile in Growth Equity. In Europa befeuert das ei­ne erfreuliche Aufholjagd ge­genüber den USA und China im Technologiesektor. 2021 haben Growth-Equity-Beteiligungen in Europa laut Adams Street erstmals die Marke von 100 Mrd. Dollar überschritten – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Die größten einzelnen Finanzierungssummen erhielten der schwedische Elektroauto-Batterieentwickler Northvolt (2,8 Mrd. Dollar), der britische Online-Gebrauchtwagenhändler Cinch (1,3 Mrd.) und der schwedische Zahlungsanbieter Klarna (1 Mrd.). In Deutschland verdreifachten sich die Start-up-Finanzierungen auf 17 Mrd. Euro mit den höchsten Summen für den Schnelllieferdienst Gorillas, den Datenanalyse-Softwarehersteller Celonis und die Smartphone-Bank N26.

Auch der Ausstieg aus den Growth-Equity-Beteiligungen an den 321 europäischen „Einhörnern“ mit Milliardenbewertung über Börsengänge, Übernahmen oder Fusionen mit Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) funktioniert inzwischen recht reibungslos und hat in Europa 2021 ein Volumen von 275 Mrd. Dollar erreicht. Beispiele in Deutschland für IPOs aus Growth-Equity-Beständen waren der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1, der Linux-Softwareanbieter Suse und der Online-Modehändler About You. Der Sportzubehörhändler Signa Sports und der Flugtaxianbieter Lilium gingen per Spac-Fusion an die US-Börse.

Growth Equity hat sich in den vergangenen Jahren als nicht genau abgegrenztes, aber schnell wachsendes Investmentfeld etabliert – in der Mitte zwischen traditionellen Wagniskapitalfirmen, die kleine Beteiligungen an jungen Unternehmen erwerben, und Private-Equity-Fonds, die in der Regel reifere Unternehmen komplett kaufen. Es gibt ein Gedrängel: Um Growth Equity konkurrieren inzwischen – neben Finanzinvestoren und Wagniskapitalgebern – auch Hedgefonds wie Tiger Global oder herkömmliche Assetmanager wie BlackRock.

Bei allem Jubel über die Tech-Aufholjagd in Europa, die diese Investoren finanzieren, bleibt ein schaler Nachgeschmack. Es wird wohl für Tech-Jungunternehmen selten wieder so einfach werden, an frisches Kapital abseits der Börse zu kommen. Ein Großteil der Investmentsummen kam indirekt aus dem offenen Geldhahn der Notenbanken, der voraussichtlich langsam zugedreht wird, und aus den billionenschweren staatlichen Konjunkturprogrammen. Anleiherenditen, die durch die Käufe der Notenbanken gedrückt wurden, waren so niedrig und Aktienkurse so weit nach oben ausgereizt, dass Investoren auf der Suche nach Rendite abseits der Börsen jede Gelegenheit nutzten. Es grassierte die „Angst, etwas zu verpassen“ („fear of missing out“), nämlich die größten künftigen Gewinner.

Laut einer Umfrage von Numis Securities unter 200 institutionellen Investoren planen noch immer drei Viertel der Befragten, den Anteil von Growth Equity an ihrer Assetallokation wegen der bisher lukrativen Renditen zu erhöhen. Doch die Begeisterung könnte sich bald in einen Katzenjammer verwandeln. Schon sind die Kurse von rund zwei Dritteln der Börsenneulinge des vergangenen Jahres – darunter viele Tech-Start-ups – unter den Ausgabepreis gefallen. Die Spreu trennt sich vom Weizen – besonders bei jungen Tech-Unternehmen –, und die (Geld-)Flut hebt an der Börse nicht mehr alle Boote. Damit beginnt sich das Fenster zu schließen für lukrative Ausstiege per IPO aus hoch bewerteten Beteiligungen. Das wird besonders solche Hedgefonds wie Tiger Global – einer der weltweit größten Wachstumsfinanzierer – treffen, die jeden Tag eine oder zwei größere Finanzierungsrunden durchgezogen haben, oft genug ohne nennenswerte Due Diligence. Eine erste Blase ist bereits geplatzt: die Überbewertung junger US-Elek­troautofirmen wie Lordstown, Rivian oder Lucid. Das Misstrauen gegen überoptimistische Wachstumsversprechen wächst. Wer jetzt weiter sorglos hoch bewertete Growth-Equity-Beteiligungen an Jungunternehmen eingeht, könnte noch länger darauf sitzenbleiben.

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