Kryptohandel

Besicherung von Tether erscheint ungenügend

An den Dollar gekoppelte Stable­coins fungieren als Liquiditätspumpe für Kryptohandelsplätze. Die proklamierte Stabilität der Token gibt Tradern die Sicherheit, diese für das Befüllen ihrer Depots für Transaktionen zu verwenden, um damit vom...

Besicherung von Tether erscheint ungenügend

Von Björn Godenrath, Frankfurt

An den Dollar gekoppelte Stable­coins fungieren als Liquiditätspumpe für Kryptohandelsplätze. Die proklamierte Stabilität der Token gibt Tradern die Sicherheit, diese für das Befüllen ihrer Depots für Transaktionen zu verwenden, um damit vom Hauptvorteil der Stablecoins zu profitieren: Sie lassen sich ohne Bank schnell von einem Depot zum anderen bewegen oder können direkt als Sicherheit für Margin-Trading eingesetzt werden. Mit der Kursexplosion von Bitcoin in den vergangenen Monaten sind auch die Stablecoin-Volumina angeschwollen: Tether (USDT) kommt auf gut 58 Mrd. Dollar, Circle (USDC) per Mitte Mai auf gut 14 Mrd. Dollar und Gemini (GUSD) wird nicht aktuell beziffert – allerdings wurde der Token am Montag mit Abschlag bei 0,995848 Dollar gehandelt, was Arbitragemöglichkeiten offenbart.

Audit von den Caymans

Im Mittelpunkt des Interesses steht seit jeher Tether, deren Compliance zur Qualität der Stablecoin-Reserven schon lange in Frage gestellt wird. Die grundsätzliche Qualität wird über die Cayman-Dependance des Audit-Spezialisten Moore bescheinigt, aber einer Aufschlüsselung der Liquidität konnte sich Tether bislang entziehen – bis deren Verquickung mit dem Handelsplatz Bitfinex den Argwohn der New Yorker Generalstaatsanwaltschaft (NYAG) weckte und kürzlich einen Vergleich erzwang. Demzufolge müssen die Reserven nun vierteljährlich dargelegt werden. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Tether und Bitfinex wegen der Vertuschung von Verlusten von 800 Mill. Dollar ermittelt; Bitfinex und Tether zahlten eine Geldstrafe von 18,5 Mill. Dollar.

Die nun per Ende März gezeigte Transparenz ist aber nicht dazu angetan, das Vertrauen in Tether zu stärken. Denn die Daten zeigen, dass Tether von Kunden eingezahlte Depositen vor allem dazu genutzt hat, umfangreich Commercial Paper zu kaufen (siehe Grafik). Diese versprechen zwar eine Überrendite gegenüber US-Staatsanleihen, bergen dafür aber Ausfallrisiken sowie die Gefahr, diese im Notfall nicht schnell genug zu Cash machen zu können. Gemini hat ihre Kundengelder in Konten des Einlagenversicherungsfonds FDIC und in einem Goldman-Sachs-Fonds geparkt, der ausschließlich in US-Staatsanleihen investiert.

Vor diesem Hintergrund geht Te­ther unnötige Risiken ein, denn ihr Depositenmanagement beinhaltet Kreditrisiken, denen im Kapitalmarkt in der Regel Haircuts auf die Collateral-Qualität folgen. Die Gründerin der lizenzierten US-Kryptobank Avanti, Caitlin Long, vermutet Abschläge von 5 bis 10% auf Tether-Sicherheiten in den Portfolios. Außerdem bestehe nun eine Korrelation zu den Kreditmärkten: Komme es dort zu einer Korrektur, würde Tether im Handel wohl nicht mehr die Dollar-Parität halten können. Was außerdem fehlt: Es wird nichts über die Qualität der Vermögenswerte (Wertpapiere) berichtet. Und damit fehlt Anlegern die Sicherheit, dass es sich um kurzfristige, risikofreie und liquide Wertpapiere handelt, wie man sie als Emittent eines Stablecoin benötigt für Phasen der Marktturbulenz. Im Prinzip agiert Tether wie ein unregulierter Geldmarktfonds, also eine Schattenbank mit enger Verbindung zu einer Kryptobörse – was die globalen Bankaufseher auf den Plan rufen sollte. Die haben das zwar im Blick und warnen fleißig vor Stablecoin-Risiken, aber wie immer brauchen sie viel Zeit, um konkret zu werden. Und in diesem luftleeren Raum sind die Start-ups natürlich bemüht, möglichst schnell möglichst viel Boden gutzumachen, um den Banken und Börsenplätzen eine Nasenlänge voraus zu sein.

Dabei ist klar, dass es letztlich ein voll reguliertes Krypto-Ökosystem in Verbindung zum traditionellen Bankensektor geben wird. In den USA zielen die von Caitlin Long gegründete Avanti Bank und der Handelsplatz Kraken auf Vollbanklizenzen, die auf einer Banking Charter von Wyoming gründen und damit eine Brücke bauen von Kryptowerten zum US-Dollar-System. Diesen Weg geht auch das von Facebook initiierte Stablecoin-Projekt Diem (vormals Libra), das seinen Lizenzantrag in der Schweiz zurückgezogen hat und nun einen reinen US-Stablecoin in Partnerschaft mit der Silvergate Bank begeben will. Das heißt, hier fungiert erstmals eine US-Bank als Emittent eines Stable­coin, was ein konservatives Management der Reserven bedeutet. Alles andere ist auch nicht akzeptabel.