ESG-Kriterien

ESG-Streit ist politisch aufgeladen

Der Streit zwischen dem Fondsriesen Blackrock und dem US-Bundesstaat Texas offenbart, wie heikel die Frage der Nachhaltigkeit längst ist. Die Finanzbranche kann sich der Kontroverse nicht entziehen.

ESG-Streit ist politisch aufgeladen

Wenn der US-Bundesstaat Texas eine schwarze Liste von Finanzadressen erstellt, die angeblich fossile Brennstoffe boykottieren und im Gegenzug von öffentlichen Investoren aus dem Staat gemieden werden sollten, dann ist dieser Schritt nach Darstellung des texanischen Rechnungsprüfers Glenn Hegar nicht politisch motiviert. Merkwürdig nur, dass als einzige US-Adresse der Fondsriese Blackrock auf der Liste steht, dessen Chef Larry Fink den Demokraten nahesteht und für seine Mahnbriefe an Unternehmen bekannt ist. Doch selbst wenn parteipolitische Gründe keine Rolle gespielt haben sollten, spräche die Liste keineswegs für eine neutrale Haltung, sondern wäre eine Statement gegen die Ziele der Nachhaltigkeit. Die Frage ist politisch aufgeladen.

Kommunikationsforscher Paul Watzlawick brachte es einmal mit einer doppelten Verneinung auf den Punkt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das lässt sich auch auf die Wirtschaftswelt beziehen: Jede Aussage zur Nachhaltigkeit – und auch der Verzicht darauf – offenbart eine Position zu grundsätzlichen gesellschaftlichen Fragen und zur Rolle der Finanzindustrie. Auch keine Haltung ist eine Haltung. Und eine Ablehnung nachhaltiger Grundsätze enthält ebenso eine Wertung wie die enthusiastische Unterstützung.

Die Kontroverse in den USA macht deutlich, wie heikel die Frage sein kann. Es gibt zwar für die Finanzbranche anerkannte Orientierungspunkte – doch der Ermessensspielraum ist groß. So ist es Konsens, dass Fondshäuser im Interesse der Anleger handeln sollten. Typischerweise verknüpfen Assetmanager daher ihre Nachhaltigkeitsstrategien mit den Zielen der Geldanlage, etwa dem Risiko oder der Rendite. Doch für eine hohe Bedeutung der ESG-Kriterien lassen sich ebenso viele Gründe finden wie für eine skeptische Position. Und wie wichtig Ziele wie der Schutz grundlegender Arbeitsrechte oder die Vermeidung des Klimawandels darüber hinaus für den gewöhnlichen Anleger sind, lässt sich nicht eindeutig sagen. Kulturelle Unterschiede sind in der Debatte offenkundig: Die Bedeutung von Nachhaltigkeit wird von europäischen Häusern tendenziell stärker betont als von US-Adressen. Blackrock fällt hierzulande keineswegs als Vorreiter auf – im Heimatmarkt ist das Haus politisch umstritten.

Die Unbestimmtheit der Nachhaltigkeit und die unvermeidbare Frage der eigenen Haltung bringen mit sich, dass sich jede Adresse angreifbar macht. Bleibt zu hoffen, dass die Debatte hierzulande gesittet zugeht. Kommunikation ist nicht vermeidbar, Streit hingegen schon.

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