Grossbritannien

Hypotheken­zinsen schießen nach oben

Britische Eigenheimbesitzer werden künftig jeden Monat weit höhere Raten für ihre Wohnimmobilienkredite zahlen müssen als gedacht. Das macht sich bereits am Häusermarkt bemerkbar.

Hypotheken­zinsen schießen nach oben

hip London

 – Der Anstieg der Marktzinsen nach der Vorstellung des Wachstumsplans der britischen Re­gierung hat dafür gesorgt, dass britische Eigenheimbesitzer künftig weit höhere Raten für ihre Wohnimmobilienkredite zahlen müssen. Hypothekenanbieter zogen danach mehr als zwei Fünftel aller Angebote zurück. Der Chef der Finanzaufsicht FCA kritisierte das. „Wenn ein Produkt vor­übergehend zurückgezogen wird, würden wir gerne verstehen, wann es wieder zurückkommt, damit die Leute, die refinanzieren müssen, in der Lage sind, mit ihren Plänen fortzufahren“, sagte Nikhil Rathi der „Sunday Times“.

Langsame Rückkehr

Die Hypothekenanbieter kommen langsam wieder an den Markt, allerdings zu höheren Preisen. Der Website Moneyfacts zufolge wird für eine zweijährige Festzinshypothek im Schnitt erstmals ein Zins von mehr als 6,07 % verlangt. Das hat es seit November 2008 nicht mehr gegeben. Vor der Rede von Schatzkanzler Kwasi Kwarteng vor zwei Wochen hatte er noch bei 4,74 % gelegen, im Dezember 2021 bei 2,34 %. Der durchschnittliche Zins einer zweijährigen variablen Hypothek stieg seit Anfang des Jahres von 4,41% auf 5,97%.

Damit nicht genug: Die Banken müssen prüfen, ob Antragsteller auch höhere Zinsen verkraften können. Deshalb könnte eine Um­schuldung für viele, die ihre Immobilie auf Kante finanziert haben, ­zur Zitterpartie werden. Sarah­ Breeden, die für die Beaufsichtigung der Einlageninstitute zuständige Exe­kutivdirektorin der Bank of England, hatte bereits im Juli vor dem Finanzausschuss des Unterhauses gesagt, dass rund ein Fünftel aller Hypotheken mit variablen Zinsen ausgestattet ist. Von den verbleibenden 80% laufe ein Viertel binnen zwölf Monaten aus. Also müssten 40 % der Hypothekenschuldner auf kurze Sicht mit steigenden Zinsen rechnen.

„Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben für größere wirtschaftliche Ungewissheit gesorgt“, sagte Kim Kinnaird, Direktorin bei Halifax Mortgages, einem der großen Hypothekenanbieter des Landes. Der von dem zur Lloyds Banking Group gehörenden Institut er­stellte Hauspreisindex zeigt, dass der durchschnittliche Preis eines Eigenheims im September um 0,1 % auf 293 835 Pfund gesunken ist. Damit lag er aber immer noch um 9,9 % über Vorjahresniveau. Es war der zweite Rückgang innerhalb von drei Monaten.

Kinnaird geht davon aus, dass die Aussicht auf weiter stark steigende Zinsen und die Auswirkungen höherer Hypothekenzinsen auf die Erschwinglichkeit von Häusern in den kommenden Monaten einen wesentlich stärkeren Abwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise ausüben werden. „Für Hausbesitzer ist das zweifellos ein Grund zur Sorge, aber die nie dagewesene Immobilienpreisinflation, die wir in den vergangenen Jahren beobachtet haben, bewegte sich weit über dem historischen Durchschnitt.“

Damit könnten Immobilieneigentümer wieder mit einem Problem konfrontiert werden, mit dem sie sich schon lange nicht mehr auseinandersetzen mussten: negativem Eigenkapital, wenn der Marktwert ihres Eigenheims unter den von ihnen bezahlten Preis sinkt. Die Analystin Sarah Coles von Hargreaves Lansdown sprach von einem „furchtbaren Schock“ für Hausbesitzer und Kaufinteressenten. „Wer ein Haus besitzt, läuft immer Gefahr, dass der Wert der Immobilie sinkt, aber plötzlich fühlte sich das viel greifbarer an“, sagte Coles.

Krisengespräch im Schatzamt

Kwarteng bestellte am Donnerstag Barclays, Natwest und Lloyds Banking Group zu einem Krisengespräch ins Schatzamt. Auch kleinere Institute wie Starling Bank nahmen daran teil. Wie Bloomberg unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Kreise berichtet, wiesen einige Teilnehmer auf Probleme von Kunden mit tilgungsfreien Produkten hin. Auch manche Kunden, die ein Objekt mit einer Buy-to-let-Hypothek erwarben, um es zu vermieten, haben offenbar Schwierigkeiten. Bloomberg-Daten zufolge ist der Appetit auf Verbriefungen riskanterer Hypotheken wie etwa Buy-to-let stark zurückgegangen. Darauf spezialisierte Firmen wie Lendinvest und Keystone Property Finance hätten von April bis Ende September lediglich Produkte im Volumen von 6,75 Mrd. Pfund abgesetzt. Das sei weniger als die Hälfte des im Auftaktquartal erreichten Werts.

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