Xiaolin Chen

„China öffnet seine Grenzen“

Trotz der Unsicherheit um Chinas Corona-Politik sieht der Assetmanager Kraneshares Chancen in der Volksrepublik. Der Aktienmarkt werde von einer zunehmenden Öffnung im 1. Quartal 2023 profitieren.

„China öffnet seine Grenzen“

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Die chinesische Regierung hat Investoren mit ihrer Anti-Covid-Politik stark verunsichert. Wenngleich Peking nun Corona-Gegenmaßnahmen lockert, rechnen Ökonomen mit einem erheblich verlangsamten Wachstum in der Volksrepublik. Der Assetmanager Kraneshares sieht für Anleger in China dennoch Chancen. Im Rahmen der Entwicklungspolitik Pekings, deren Ziele Präsident Xi Jinping auf dem Parteikongress im Oktober untermauert habe, sei in den kommenden fünf Jahren mit einer entgegenkommenden Geld-, Steuer- sowie Regulierungspolitik zu rechnen. Die Regierung habe zudem Maßnahmen veröffentlicht, mit denen sie Hürden für das Wirtschaftswachstum angehen wolle.

„Das erste Hauptelement der Strategie wurde bereits bestätigt – China öffnet seine Grenzen“, sagt Xiaolin Chen, Leiterin des internationalen Geschäfts bei Kraneshares. Nach der strengen Null-Covid-Strategie sei eine vollständige Öffnung im ersten Quartal 2023 wahrscheinlich. Wenngleich dies nicht reibungslos verlaufen werde, reagierten Investoren positiv auf diese Maßnahmen.

Zugleich adressiere die Regierung auch die Turbulenzen am Immobilienmarkt. So legten die Bankenaufsicht und die Zentralbank Mitte November ein 16 Punkte umfassendes Richtlinienpaket zur Förderung einer „stabilen und gesunden Entwicklung“ der Branche vor. Dabei sind auch umfassende Kredithilfen für verschuldete Wohnungsbaugesellschaften und finanzielle Unterstützung vorgesehen, mittels derer die Fertigstellung angefangener Projekte sichergestellt werden soll.

„Immobilien, die über 60% des Finanzvermögens der chinesischen Haushalte ausmachen, haben in den vergangenen Monaten eine Reihe von Konsolidierungen durchlaufen – die Auswirkungen auf andere Anlageklassen hielten sich jedoch in Grenzen“, sagt Chen. Infolge der von Zentralbank und Bankenaufsicht angekündigten Maßnahmen habe sich der Markt erholt. Jedoch sei langfristig wichtig, wie die zusätzliche Liquidität konkret genutzt werde, um Bauträger zu unterstützen. Außerdem müssten Anleger beobachten, ob die Nachfrage im Immobiliensegment durch eine attraktive Anzahlungspolitik und günstige Hypothekenzinsen für Erstkäufer steigen werde.

Handelskonflikt verunsichert

Allerdings rückt auch der Handelskonflikt zwischen China und den USA nach und nach wieder in den Fokus der Anleger. So trübten im Herbst umfassende Beschränkungen der US-Regierung in Bezug auf Halbleiterexporte nach China die Marktstimmung massiv ein. Chen sieht allerdings durch das lange Gespräch zwischen den Staatsoberhäuptern Xi Jinping und Joe Biden am Rande des G20-Gipfels auf Bali Mitte November positive Signale. Die Berichterstattung der chinesischen Staatsmedien über den Gipfel sowie die Tatsache, dass es auch zu Folgetreffen wie dem für Anfang 2023 geplanten Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in der Volksrepublik komme, deute auf eine Entspannung im Verhältnis der beiden Nationen hin. „Für den chinesischen Markt könnten sich daraus positive Überraschungen ergeben – dann dürften sich Anleger auch wieder verstärkt auf die Fundamentaldaten der Unternehmen konzentrieren“, prognostiziert Chen.

Besonders ins Auge fassen sollten Investoren auch die Konsumentwicklung im Reich der Mitte. So gebe es trotz des schwierigen Makro-Umfelds Anzeichen für einen Anstieg, langfristig sei ohnehin mit einer stabilen Zunahme zu rechnen. „In China ziehen jedes Jahr 20 Millionen Menschen vom Land in die Stadt“, sagt Chen. „Heute leben 170 Millionen der 1,4 Milliarden Chinesen in Städten.“ Diejenigen, die ins Urbane zögen, strebten danach, ihren Zugang zu höherer Bildung und ihre Lebensbedingungen insgesamt zu verbessern. „China hat die bevölkerungsreichste Mittelschicht der Welt, und dies wird zu einem konstant hohen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen führen“, führt Chen aus.

Internetaktien stellen laut Kraneshares die Übertragungsmotoren für den inländischen Konsum dar – schließlich finde dieser in weiten Teilen online statt. „Die von Chinas Tech-Unternehmen gewonnenen Marktanteile dürften intakt bleiben, da sich die Konsumgewohnheiten der Kunden im Laufe der Corona-Pandemie weiterentwickelt haben und keine andere Richtung mehr einschlagen sollten“, sagt Chen. Darüber hinaus erweiterten Tech-Unternehmen ihre Dienstleistungen.

Interesse an E-Commerce

Das Anlegerinteresse am E-Commerce bleibe trotz der Kursrückschläge im laufenden Jahr hoch. Zudem wolle Peking die technologische Entwicklung fördern, Investoren fänden daher interessante Gelegenheiten im Star-Market, der „Nasdaq Chinas“. Auch in anderen Segmenten ergäben sich Chancen, zum Beispiel im Gesundheitswesen, das aufgrund der alternden Bevölkerung im Fokus stehe, oder im Markt für Elektroautos, in dem die Nachfrage enorm hoch sei und den die Regierung stark subventioniere. Zudem könnten Anleger vom Wachstum der Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Quellen profitieren.

Diese Trendthemen dürften Investoren nach Ansicht von Kraneshares auf Jahrzehnte hinaus beschäftigen. „Thematisches Investieren hat in China einen viel längeren Zeithorizont als im Westen“, sagt Chen. Exchange Traded Funds (ETF) seien ein beliebtes Mittel, um an langfristigen Trends zu partizipieren. Die meisten dieser Basisindizes seien indes so strukturiert, dass sie die alte Wirtschaft Chinas reflektierten. Dagegen hebt sich laut Kraneshares der CSI China Internet Index ab, der Vorreiter technologischer Innovation abbilden solle. Dieser enthalte Unternehmen, die zu Nutznießern der chinesischen Konsumstärke der kommenden Jahre werden dürften.

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