Portfoliomanagement

Das Comeback der Diversifikation

Nach dem schwierigen Jahr 2022, in dem sowohl Aktien als auch Anleihen nach unten rutschten, sollte das neue Jahr mit Blick auf Diversifikationsergebnisse wieder bekömmlicher werden.

Das Comeback der Diversifikation

Einer Weisheit zufolge ist nichts umsonst: „There ain’t no such thing as a free lunch.“ In der Finanzwirtschaft gilt eine Ausnahme: Diversifikation. Wie der US-Ökonom und Nobelpreisträger Harry Markowitz nachgewiesen hat, ermöglicht das Streuen des Anlagekapitals über mehrere Investments eine Reduktion des Portfoliorisikos bei gleichbleibenden Ertragserwartungen oder eine Erhöhung der Ertragserwartungen bei unverändertem Portfoliorisiko. Hier gibt es also wahrlich ein Gratismahl. Doch auch abseits mathematisch-statistischer Beweisführungen zu Mischungsvorteilen in Portfolien existieren bereits seit langem heuristische Empfehlungen zur Vermögensaufteilung, so etwa die Lebensaltershypothese (100 minus Lebensalter gleich Aktien- oder Risikoquote) und die „Drei-Speichen-Strategie“ (stets drei Teile: Land, Handelswaren und Bares).

2022 Jahr der Magerkost

Die Erfahrung lehrt allerdings, dass Diversifikationsvorteile im Zeitablauf unterschiedlich hoch ausfallen. 2022 war diesbezüglich ein Jahr der Magerkost: Die meisten Anlageklassen lagen im Minus, notabene rauschten Aktien und Anleihen quasi Seit an Seit nach unten. Rententitel konnten ihrem Status als Portfoliostabilisator in Krisenzeiten somit nicht gerecht werden. Schlimmer noch: In Kerneuropa radierten die Kursverluste von Staatsanleihen die Erträge etwa eines Jahrzehnts aus. Weltweit sank die Börsenkapitalisierung der Aktien- und Rentenmärkte um rund 33 Bill. US-Dollar – das entspricht etwa einem Drittel der globalen jährlichen Wirtschaftsleistung.

Ein eher technischer Grund für das schlechte Abschneiden nicht nur von Dividenden-, sondern auch von Kupontiteln war das bis vor kurzem gültige Negativzinsumfeld. Nachdem die Notenbanken mit ihrer irrlichternden Geldpolitik in vielen Anleihesegmenten die Kurse auf astronomische Höhen und in Grenzbereiche getriebenen hatten, konnten Rententitel quasi nicht mehr positiv reagieren. Sprich, die Zinsen konnten in der Krise nicht deutlich weiter fallen. Die überfällige und infolge des Inflationsanstiegs eingeleitete monetäre Wende führte somit gerade am langen Ende der Renditestrukturkurve zu Kursverlusten im zweistelligen Prozentbereich.

Vier ist die neue Zwei

Positiv schnitten im abgelaufenen Kalenderjahr nur Rohstoffe ab, deren Preise aufgrund kriegs- und pandemiebedingter Lieferengpässe nach oben schossen, sowie Gold. Letzteres erscheint intuitiv logisch, gilt Gold doch als „Krisenwährung“. Das Plus für den heimischen Investor ergab sich jedoch ausschließlich durch den festeren Dollar. Nach diesen Entwicklungen stellt sich für 2023 die Frage, ob mit Blick auf die Diversifikationsvorteile Schmalhans Küchenmeister bleiben wird oder ob etwas reichhaltigere Kost zu erwarten ist. Zur Beantwortung sei zunächst skizziert, wie sich das Kapitalmarktumfeld zu Beginn des neuen Jahres darstellt. In Europa und den USA wird eine Rezession wohl unvermeidlich sein. Gleichzeitig dürften die Teuerungsraten zwar niedriger ausfallen, die Inflationssockel werden voraussichtlich jedoch höher als in der Vergangenheit gewohnt und von den Notenbanken gewünscht bleiben. Stichwort: Vier (Prozent Teuerung) ist die neue Zwei. In dieser Lage und angesichts der (späten) Rückbesinnung auf ihr eigentliches Preisstabilitätsmandat bleibt den Währungshütern gar nichts anderes übrig, als die Zinsschraube weiter anzuziehen. Das Resultat: Sowohl in den USA als auch im Euroraum dürften die Leitzinsen höher steigen und länger auf einem hohen Niveau bleiben als derzeit an den Märkten erhofft. Doch es gibt auch positive Nachrichten: So hat der weltweit von den Notenbanken aufgenommene Kampf gegen die hohe Inflation eine Renaissance des Zinses zur Folge.

Wieder laufendes Einkommen

Dies kann fast nicht genug gewürdigt werden, denn gerade die Anleihemärkte werden damit weniger verzerrt und können künftig wieder auf zyklische Schwankungen reagieren. Verbunden ist hiermit, dass dieses zentrale Marktsegment nach vorn schauend wieder laufendes Einkommen abwirft. Wichtig beim Blick auf Aktien: Die Vergangenheit lehrt, dass Kalenderjahre vor einer Rezession in der Regel schlecht sind – wie 2022. Kalenderjahre mit negativen Wirtschaftswachstumsraten – wie für 2023 erwartet – waren hingegen durchaus vernünftige Börsenjahre. Der Grund: Die Finanzmärkte fangen meist bereits um die Mitte des Abschwungs herum an, eine künftige Konjunkturerholung zu antizipierten. All dies hat zur Folge, dass Diversifikation künftig wieder besser wirken dürfte.

Für Anleger und solche, die es werden wollen, sind in dieser Gemengelage – Durchschreiten einer konjunkturellen Talsohle im Verlauf des Jahres, Gefahr von Lohn-Preis-Spiralen, unsicherheitsbedingte Marktvolatilitäten – eine breite Aufstellung und Agilität das A und O. Dies kann zum Beispiel über Multi-Asset-Fonds geschehen, die über viele Segmente hinweg mit flexibler Gewichtung anlegen können. Gerade bei Kipp- und Umkehrpunkten der Konjunktur ist es wichtig, schnell reagieren und umschichten zu können, da dies an den Finanzmärkten gemeinhin mit Favoritenwechseln einhergeht. Speziell im Aktiensegment sollten aus dem wirtschaftlichen Tal heraus zunächst auch dividendenstarke Titel gefragt sein – zumindest lehrt dies die Vergangenheit.

Fazit: Im vergangenen Jahr mussten Anleger infolge des Krieges in der Ukraine und der daraus resultierenden Stagflation den Gürtel ganz eng schnallen. Aufgrund eines 30-Jahres-Hochs bei der Korrelation zwischen den wichtigsten Assetklassen kamen Diversifikationsvorteile in einem derart geringen Ausmaß zum Tragen wie selten zuvor. 2022 ist damit auch ein Beleg dafür, dass eine Streuung des Anlagekapitals nur die notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für stabile Ergebnisse ist. Es gibt jedoch Anlass für verhaltenen Optimismus: Mit einer dynamischen Multi-Asset-Strategie und mit ein bisschen Risikoappetit sollte das neue Jahr mit Blick auf die Diversifikationsergebnisse wieder bekömmlicher werden.

Zuletzt erschienen:

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