Ausblick

Dax-Schwäche in Sicht

Mit der mutmaßlichen Sprengung der deutsch-russischen Ostseepipelines Nord Stream  1 und Nord Stream  2 haben sich die Aussichten für die Konjunkturentwicklung und den Aktienmarkt verschlechtert.

Dax-Schwäche in Sicht

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Mit der mutmaßlichen Sprengung der deutsch-russischen Ostseepipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 haben sich die Aussichten Deutschland hinsichtlich der Versorgung mit Erdgas und in der Folge auch der Konjunktur erheblich verschlechtert. Zwar wurden die Pipelines zuletzt nicht genutzt, sie wären aber eine Option gewesen im Falle einer Zuspitzung des Erdgasmangels in Deutschland. Für den Aktienmarkt ist damit ein weiterer Belastungsfaktor hinzugekommen – so als gäbe es noch nicht genug davon: hohe Inflation, der Ukraine-Krieg und Rohstoff- und Energieknappheit. Eine Rezession kann in Deutschland nun nicht mehr abgewendet werden, und die Schätzungen reichen bis zu einer Kontraktion des Bruttoinlandsproduktes um rund 9% im kommenden Jahr.

Auf der anderen Seite weisen Analysten darauf hin, dass die börsennotierten Unternehmen von Energiemangel und Rezession in Deutschland nur bedingt betroffen sind. So erzielen die Unternehmen im Dax im Durchschnitt weniger als 20% ihrer Erlöse in Deutschland, selbst im MDax sind es nur rund 40%. Die Konzerne können energieintensive Produktionsstätten aus Deutschland in andere Länder verlegen, womit nach der Bewältigung der Anpassungskosten das Problem für die Unternehmen gelöst wäre. Rezession und Energieknappheit sind also in erster Linie das Problem der privaten Haushalte und der kleinen und mittelständischen Unternehmen – die freilich die überwiegende Mehrzahl der Arbeitsplätze in Deutschland stellen. Der schwache Euro sorgt zudem dafür, dass die im Ausland erzielten Gewinne tendenziell steigen. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Mit einem schwächeren Euro nimmt auch die Attraktivität europäischer Aktien für Investoren aus den angelsächsischen Währungsräumen ab – und diese dominieren nun mal den Dax.

11000 Punkte möglich

Die meisten Aktienstrategen rechnen daher mit einem schwachen vierten Quartal am Aktienmarkt und dem Ausfall der Jahresendrally. Die Schwäche könnte so lange anhalten, bis erkennbar wird, ob es Deutschland durch den Winter schafft, und bis ein Ende der Phase starker Leitzinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank in Sicht ist. Während der Dax vor dem Wochenende um die Marke von 12000 Punkten gekämpft hat, halten es beispielsweise die dem Bundesverband öffentlicher Banken (VÖB) angeschlossenen Institute für denkbar, dass der Index bis auf 11000 Punkte nachgibt. Ein solches Niveau sehen die Analysten dann aber auch schon wieder als eine gute Kaufgelegenheit an. Im Extremfall sei sogar ein kurzzeitiges Unterschreiten der 12-Monats-Forward-Buchwerte des Dax nicht ganz auszuschließen, die derzeit bei rund 9500 Dax-Punkten liegen. Dies würde allerdings als eine klare irrationale Übertreibung angesehen.

Ob es dann im neuen Jahr zu der erhofften Erholung des Kursniveaus am deutschen Aktienmarkt kommt, steht allerdings in den Sternen, weil Deutschland mit dem höchstwahrscheinlich endgültigen Ausfall der Ostseepipelines die langfristige Energieknappheit droht und die Gefahr besteht, dass Deutschland von Ländern wie Polen, durch die die letzten Pipelines verlaufen, erpresst werden kann.

In der neuen Börsenwoche steht eine Reihe wichtiger Konjunkturdaten auf dem Programm. Highlight der Woche wird der US-Arbeitsmarkt am kommenden Freitag sein, für den die Commerzbank mit dem Ausweis von netto 280000 neuen Stellen in den USA rechnet sowie einer auf dem extrem niedrigen Niveau von 3,7% verharrenden Arbeitslosenquote.

Am Donnerstag stehen dann die europäischen Einzelhandelsumsätze und die deutsche Industrieproduktion auf dem Terminplan. Die Deindustrialisierung Deutschlands dürfte schon begonnen haben: Die Commerzbank rechnet mit einem Rückgang der Industrieproduktion um 1,5%. Diese Daten dürften die Sorgen am Aktienmarkt verstärken.

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