Baisse

Die Märkte stecken inmitten einer Neuausrichtung

Infolge der Coronakrise und geopolitischer Umbrüche hat die Weltwirtschaft eine grundlegende Neuausrichtung durchgemacht. Dies hat tiefgreifende Folgen für verschiedene Assetklassen.

Die Märkte stecken inmitten einer Neuausrichtung

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass selbst Aktienmarkt-Baissen eine Pause einlegen. Angesichts positiver Ergebnisausweise und der Hoffnungen, dass die US-Notenbank ihre Zinserhöhungen verlangsamen oder ganz beenden könnte, gaben sich die Anleger wieder zuversichtlicher. In der Folge legte der S&P 500 zwischen dem 14. Oktober und dem 11. November 2023 um 11% zu.

Trotz dieser Erholung glauben wir nicht, dass wir auf das Ende dieses Bärenmarktes zusteuern. Unser Anlagekomitee ist bei seiner jüngsten Sitzung zum Schluss gelangt, dass die Baisse noch nicht überstanden sein dürfte. Die wichtigsten Zentralbanken straffen ihre Geldpolitik weiter – und somit auch die Liquiditätsbedingungen. Zudem wird sich das Wirtschaftswachstum voraussichtlich weiter abschwächen, während die Eurozone und Großbritannien in eine Rezession abrutschen dürften und das Risiko für ein ähnliches Szenario in den USA steigt. Straffere Liquiditätsbedingungen in Verbindung mit höheren Realzinsen und abflauendem Wachstum sind den Unternehmensgewinnen nicht zu­träglich, weshalb die Gewinnerwartungen immer noch zu optimistisch sein dürften.

Daher sind wir der Ansicht, dass weiter Vorsicht angezeigt ist. Wir halten daher an unserer Untergewichtung von Aktien aus Industrie- und Schwellenländern in unseren Portfolios fest und bestätigen unsere Übergewichtung von Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern, da sie im Vergleich zu US-Treasuries einen attraktiven Renditevorteil bieten. Wir bleiben bei einer neutralen Allokation in Staatsanleihen, räumen jedoch ein, dass ihre Attraktivität zuletzt Monaten generell gestiegen ist und weiter steigen dürfte.

Indes rechnen wir mit anhaltend erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten, da die Risiken und die restriktiven Finanzierungsbedingungen weltweit bestehen bleiben. Dies dürfte das Wachstum und somit Risikoanlagen belasten. Gleichwohl bieten sich vor allem bei Fixed-Income-Anlagen auch Chancen. Fixed Income dürfte wieder attraktiver werden, da die Inflation ihren Zenit und die Geldpolitik restriktives Terrain erreicht. Die Performance von Anleihen und Aktien dürfte wieder unterschiedlich verlaufen, denn die Aktienmärkte könnten im 1. Halbjahr 2023, sobald sich das schwächere Wirtschaftswachstum in den Unternehmensgewinnen niederschlägt, volatil bleiben.

Langsameres Wachstum

Aufgrund der Coronakrise, des demografischen Wandels, des Klimawandels und schwächerer Unternehmensinvestitionen infolge der geopolitischen Umbrüche hat die Weltwirtschaft eine grundlegende Neuausrichtung durchgemacht. Dies dürfte sich in unseren längerfristigen Prognosen für die Weltwirtschaft niederschlagen, die ein deutlich langsameres Wachstum als 2010 bis 2019 vorsehen. Die Inflation wird auch 2023 ein Thema bleiben, obwohl sie ihren Höhepunkt erreichen und allmählich sinken dürfte.

Aufgrund Straffungen der Geldpolitik, steigender Realzinsen, der Energiekrise in Europa, des andauernden Abschwungs am chinesischen Immobilienmarkt und der coronabedingten Lockdowns haben wir unsere Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt auf breiter Front gesenkt. Neben der Rezession in der Eurozone und in Großbritannien erwarten wir nun auch einen Wachstumsrückgang in China. Diese Volkswirtschaften dürften bis Mitte 2023 die Talsohle erreichen und sich dann langsam erholen – vorausgesetzt, dass die USA einer Rezession entkommen können. Wir erwarten, dass die US-Wirtschaft im 4. Quartal 2023 um 0,5% gegenüber dem Vorjahr wachsen wird, wobei jedoch die Abwärtsrisiken überwiegen.

Das neue geopolitische Umfeld spricht für weniger internationale Zusammenarbeit bei technologischen Innovationen, verminderte Mobilität von Arbeitskräften und somit geringere Produktivitätssteigerungen. Daher dürfte das Potenzialwachstum in den nächsten fünf Jahren niedriger ausfallen als dies in der jüngeren Vergangenheit der Fall war.

Längerfristig können sich jedoch aus der Neuordnung der internationalen Beziehungen neue Entwicklungen im globalen Währungssystem ergeben. Das heutige Dollar-basierte Währungssystem, in dem 90 % aller Währungstransaktionen eine Dollar-Komponente aufweisen, reflektiert immer noch die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieses System hat einen enormen Reformprozess durchlaufen, der eine Änderung des geldpolitischen Ansatzes beinhaltete, und Reformen der Leitlinien und Instrumente der Reservepolitik er­lebt, wurde aber nie infrage gestellt.

Zwei Währungssysteme

Aufgrund des Neutralitätsverlusts, den der Dollar durch das Einfrieren russischer Zentralbankreserven bei der US-Notenbank und anderen Zentralbanken 2022 als Leitwährung erlitten hat, sowie der Entstehung einer multipolaren Welt und der Neuausrichtung des internationalen Handels könnten sich durchaus zwei parallele Währungssysteme herausbilden: das bekannte dollarbasierte System und ein noch zu entwickelndes alternatives System, das den Greenback umgeht. Inwieweit dies die Auslandsnachfrage nach dem Dollar als Reservewährung und US-Staats­anleihen als Reserveguthaben beeinflusst, wird richtungsweisend für den Greenback sein.

Die wichtigen Zentralbanken sind offenbar entschlossen, die Inflation in die Nähe ihres 2-Prozent-Ziels zu bringen. Die Teuerung könnte 2023 über dem Zielwert bleiben, dürfte aber ab 2024 wieder nahe am Zielwert liegen. Dauerhaft höhere Zinsen und ein niedrigeres Trendwachstum werden allerdings der Preis dafür sein.

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