Paul Buchwitz

DWS-Fonds­manager will sich nicht in ESG verlieben

Die DWS hat ein Reputationsproblem in der nach­haltigen Kapitalanlage. ESG-Fondsmanager Paul Buchwitz soll als Person für Fondsstrategien einstehen. Eine kritische Distanz zu ESG-Kriterien sei aber wichtig, sagt er.

DWS-Fonds­manager will sich nicht in ESG verlieben

Von Jan Schrader, Frankfurt

Wer einen nachhaltigen Fonds managt, muss Nachhaltigkeit auch leben, wie Paul Buchwitz sagt. Mit seinen jungen Töchtern gehe er manchmal auf dem Spielplatz Müll einsammeln. Energiesparlampen und pflanzliche Fleischalternativen gehören für den DWS-Manager dazu, auf seine Leidenschaft zu Reisen blickt er zugleich auch kritisch. Mit anderen Teammitgliedern der Gesellschaft besucht er zuweilen als Botschafter der Organisation „Healthy Seas“ Schulen oder Kindertagesstätten, um über das Problem verlorener Fischernetze aufzuklären. Wer Fonds mit Nachhaltigkeitskriterien verwalte, müsse nicht nur Zahlen wälzen, wie er deutlich macht. „Man muss an dem Thema ein Interesse haben.“

Noch vor wenigen Jahren hätte vermutlich kaum ein Fondsmanager über Müllsammeln, Veggie­fleisch und vagabundierende Fischernetze gesprochen. Aber das allgegenwärtige Anlagethema der Nachhaltigkeit, befeuert von Regulatorik und Zeitgeist, stärkt Fondsmanagern wie Buchwitz den Rücken. Investmentgesellschaften brauchen Gesichter, die Nachhaltigkeit und zugleich die übliche Expertise in der Kapitalanlage glaubhaft vertreten können. Buchwitz, der einst als Student in der Zeit des Neuen Marktes sein Interesse für die Börse entdeckte, füllt die Rolle aus. Nach außen vertritt er die Ziele der DWS im nachhaltigen Fondsmanagement, vor drei Monaten wurde er zum Head of Investment befördert. Eine Vorreiterrolle in der Nachhaltigkeit nimmt er allerdings nicht für sich in Anspruch. „Man darf sich nicht verlieben und muss immer eine professionelle Distanz wahren, um objektiv urteilen zu können.“ Und: „Eine positive Wertentwicklung ist für uns genauso wichtig wie der positive Beitrag.“

ESG-Streit hinterlässt Spuren

Den ESG-Skandal der DWS, der im Mai in einer Razzia von Staatsanwaltschaft und Finanzaufsicht bei der Gesellschaft gipfelte und einen Chefwechsel an der Spitze nach sich zog, will Buchwitz nicht kommentieren. Er verweist auf die Konzernführung, die ein etwaiges Fehlverhalten der größten deutschen Fondsgesellschaft wiederholt verneint hat. Doch der im Raum stehende Vorwurf, die Gesellschaft stelle ihre Leistung in der nachhaltigen Geldanlage übertrieben gut da, hinterlässt auch bei Buchwitz Spuren. Er ist darauf bedacht, keine konkrete positive Wirkung fest zuzusagen. So lasse sich nicht sicher belegen, dass eine Investition einen bestimmten Effekt erreicht habe. „Wir können nicht versprechen, dass wir die Welt retten. Aber wir können ein Signal setzen.“

Buchwitz verantwortet zwei ungleiche Fonds – einmal den 2018 lancierten, breit aufgestellten „DWS Invest SDG Global Equities“, der mittlerweile rund 1,5 Mrd. Euro auf die Waage bringt und in Geschäftszweige investieren soll, die mit den facettenreichen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) in Verbindung stehen – mindestens die Hälfte der Erträge der Unternehmen sollen dabei auf SDG-Ziele entfallen. Als kleinerer Themenfonds kam im März 2021 der „DWS Concept ESG Blue Economy“ hinzu, der den Schutz der Ozeane verfolgt und in Unternehmen mit Bezug zum Meer investiert. Dabei kooperiert die Fondsgesellschaft mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) in Deutschland, der den Austausch mit Unternehmen begleitet. Das rund 300 Mill. Euro schwere Produkt verfolgt also einen Engagement-Ansatz. Viele Umweltfolgen im Meer seien dramatisch, aber landläufig kaum bekannt, klagt Buchwitz. So bedrohe die Versauerung der Meere Schalentiere wie Krebse und Muscheln.

Buchwitz zeigt sich überzeugt, dass beide Konzepte Unternehmen zum Umdenken bewegen können. Im Fall des „Invest SDG Global Equities“ argumentiert er, dass die Kapitalanlage entlang von Nachhaltigkeitskriterien Unternehmen unter Druck setze, entsprechende Daten zu liefern. Dieser Schritt sensibilisiere sie somit grundsätzlich für Nachhaltigkeit. „Was gemessen wird, wird auch gemanagt“, sagt Buchwitz dazu. Der „Blue Economy“ soll Unternehmen auswählen, die mit ihrem Geschäft zum Meeresschutz beitragen, oder er soll Firmen bei einem Wandel begleiten. So finden sich etwa der US-Wassersystemspezialist Advanced Drainage Systems, der französische Seekabelhersteller Nexans oder der norwegische Zuchtlachskonzern Mowi im Portfolio, aber auch breiter aufgestellte Firmen wie der Haushaltswaren- und Reinigungsmittelkonzern Reckitt Benckiser.

Die DWS strebt mit dem „Blue Economy“ an, drei bis fünf Unternehmen bei bestimmten Zielen wie der Vermeidung von Plastik intensiver zu begleiten. Wenn sich Konzerne Ziele setzen, pocht das Fondsmanagement auf die Einhaltung und legt, falls nötig, Zwischenschritte fest, wie Buchwitz ausführt. Dabei stimmt sich die DWS mit dem WWF Deutschland ab. Derartige Engagement-Ansätze gewinnen an Bedeutung, wie Buchwitz sagt. Welche Firmen die DWS auf diese Weise begleitet, erläutert die Fondsgesellschaft allerdings nicht – aus „regulatorischen Gründen“, wie ein Sprecher erläutert.

Bei der DWS ist Buchwitz nicht allein – mehrere seiner Kollegen betreuen Fonds mit Nachhaltigkeitskriterien, etwa Christoph-Arend Schmidt („ESG Dynamic Opportunities“), Christoph Ohme („ESG Investa“), Lars Ziehn („ESG Top World“) und Martin Berberich („ESG Equity Income“). Eine Prominenz wie Deka-Nachhaltigkeitschef Ingo Speich oder Ökoworld-Gründer Alfred Platow brachte die DWS bislang nicht hervor. Als Vertreterin für Nachhaltigkeit hatte die DWS einst ihre zeitweilige ESG-Managerin Desiree Fixler präsentiert. Doch das Fondshaus und die Managerin trennten sich im Streit. Seither steht die DWS in der Debatte öffentlich unter Druck.

Geldanlage als „Lifestyle“

Als Buchwitz 2007 zur DWS kam, war Nachhaltigkeit nur ein Nischenthema – neben der weltweiten Finanzkrise fanden in den Folgejahren nur wenige Anlagethemen Platz, während die Pleite von Solarfirmen den Ruf klimabezogener Investments zusätzlich belastete, wie Buchwitz erzählt. Nachdem 2015 das Pariser Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verabschiedet worden waren, stieg der Stern der nachhaltigen Geldanlage wieder. Seit August müssen Berater im Finanzvertrieb dazu die Interessen ihrer Kundschaft erfragen. Für Fondsmanager wie Buchwitz stehen die Zeichen der Zeit günstig. „Nachhaltiges Investieren ist mittlerweile Bestandteil eines verantwortungsbewussten Lifestyles geworden.“