Volker Kurr

„Indische Lokalwährungs-Staatsanleihen attraktiv“

Volker Kurr ist von indischen Lokalwährungs-Staatsanleihen überzeugt. Der Head of Europe Institutional von Legal & General Investment Management verweist unter anderem auf eine hohe Verzinsung.

„Indische Lokalwährungs-Staatsanleihen attraktiv“

Christopher Kalbhenn.

Herr Kurr, Indien hat den Zugang zu seinen Staatsanleihen für ausländische Investoren erleichtert. Welchen Hintergrund hat das?

Indien hat viele Jahre eine Politik der Abschottung betrieben, sowohl in der Finanz- als auch in der Realwirtschaft. Daher ist der Subkontinent, was die Finanz- und die Realwirtschaft betrifft, nur in geringem Ausmaß international verflochten, und zwar auch in geringerem Ausmaß als viele Schwellenländer. Das Land ist eine Demokratie und mit 1,4 Milliarden Einwohnern der zweitbevölkerungsreichste Staat der Welt. Die Regierung hat sich mittlerweile auf die Fahne geschrieben, zu China aufzuschließen, und daher beschlossen, sich stärker zu öffnen. Indische Staatsanleihen sind jetzt für Ausländer grundsätzlich erwerbbar. Noch vor kurzem war dies nahezu unmöglich. Für Investoren ist das Land sehr interessant. Es ist die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und weist sehr hohe Wachstumsraten auf. Experten schätzen, dass Indien im Jahr 2050 die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein wird.

Welche Größenordnungen werden für Ausländer zugänglich?

Aktuell stehen Investoren unter dem „Fully Accessible Route (FAR)“-Programm 17 Staatsanleihen in lokaler Währung mit einem Volumen von umgerechnet etwa 200 Mrd. US-Dollar offen.

Welche Vorzüge für Anleger bieten indische Staatsanleihen?

Der indische Lokalwährungsanleihemarkt hat mit nur 2% den mit Abstand geringsten Anteil ausländischer Investoren. Das deutet auf erhebliches Aufholpotenzial hin. Das Land ist mit einer Bonitätsnote von „BBB-“ im Investment-Grade-Bereich, unser internes Rating sieht das Land bei „BBB“. Die Ausblicke sämtlicher Ratingagenturen für Indien sind stabil. Die laufende Verzinsung der Lokalwährungsanleihen beläuft sich auf mehr als 6%. Damit sind indische Lokalwährungs-Staatsanleihen definitiv attraktiv. Die Renditeaufschläge auf amerikanische Staatsanleihen sind erheblich. Auch im Vergleich mit anderen „BBB“-gerateten Staaten sowie gegenüber US-Unternehmensanleihen mit „BBB“-Rating weist Indien erhebliche Aufschläge auf.

Wie ist es um das Währungsrisiko bestellt?

Investoren müssen bedenken, dass über die Währung Volatilität reinkommt. Der Entwicklung der Landeswährung kommt mittel- und langfristig erhebliche Bedeutung zu. Indien hat aber wie andere asiatische Länder auch aus den Krisen der Vergangenheit Konsequenzen gezogen und Devisenreserven aufgebaut. Das Land verfügt über die viertgrößten Devisenreserven der Welt. Das deutet auf Aufwertungspotenzial hin.

Wie sind indische Staatsanleihen im Portfoliokontext zu beurteilen?

Die meisten Industrieländeranleihenmärkte sind positiv korreliert. Indische Staatsanleihen zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie schwach und teilweise sogar negativ korreliert sind. Damit können sie einen sehr wichtigen Beitrag unter Diversifikationsgesichtspunkten leis­ten. Wir haben uns die Korrelation der Assetklassen unter dem Eindruck der momentanen Volatilität im Markt angeschaut. Indische Staatsanleihen haben sich stabil gezeigt. Sie zeigen eine geringe Korrelation auch zu anderen Emerging Markets. Dazu trägt bei, dass das Land wie bereits erwähnt nicht so stark in die Weltwirtschaft verflochten ist und eine untypische Wirtschaftsstruktur aufweist. Anders als dies bei vielen anderen Schwellenländern der Fall ist, spielt die Ausfuhr von Rohstoffen für Indien kaum eine Rolle. Zudem exportiert das Land viele Dienstleistungen im IT-Bereich, in dem es eine führende Rolle innehat. Die besondere wirtschaftliche Positionierung Indiens führt zu einer entsprechend geringen Korrelation.

Stellen Sie bereits einen stark steigenden Zuspruch für indische Staatsanleihen fest?

Indische Staatsanleihen können immer nur Beimischung sein. Wir haben erste institutionelle Investoren, die das in ihre strategische Asset-Allokation aufgenommen haben. Es handelt sich um einen finnischen Versicherer und einen deutschen Pensionsfonds.

Wie sieht es mit Privatanlegern aus?

Für Privatanleger ist die Assetklasse über unseren Fonds auch verfügbar. Wir haben einen ETF auf indische Staatsanleihen aufgelegt, die bisher einzige Möglichkeit, passiv in diesen Markt zu investieren.

Wie haben sich indische Staatsanleihen historisch in Schwächephasen entwickelt?

Der bisherige maximale Drawdown indischer Staatsanleihen bewegt sich in etwa auf dem Niveau amerikanischer Staatstitel, bei deutlich höheren Renditen. Die Reserve Bank of India wurde 1935 noch zu Zeiten des British Empire gegründet, und noch nie ist eine indische Staatsanleihe in den Default gegangen. Dabei sind in den zurückliegenden 90 Jahren viele Länder in Schwierigkeiten geraten.

Sie erwähnten Aufwertungspotenzial für die indische Rupie. Was kann man sich denn da vorstellen?

Währungen kann man unserer Meinung nach in der kurzfristigen Sicht nicht wirklich prognostizieren. Sie sind aus unserer Sicht keine Assetklasse. Aus mittel- bis langfristiger Sicht sind wir für die indische Rupie allerdings nicht negativ gestimmt. Indien hat ein niedriges Leistungsbilanzdefizit, was daran liegt, dass ausländische Investoren in die Realwirtschaft des Landes investieren. Das Defi­zit wird vollständig durch ausländische Direktinvestitionen finanziert. Wichtig sind auch die bereits erwähnten Devisenreserven. Sie belaufen sich auf mehr als 600 Mrd. Dollar. Ein Grund dafür ist, dass Indien kein Interesse hat, dass die Landeswährung stärker wird. Die Währung ist zwar volatil, am Staatsanleihenmarkt wird das aber durch eine Verzinsung von 6% entlohnt. Gleich­zeitig besteht die Möglichkeit, dass sich auch auf der Währungsseite ein positiver Ertragseffekt ergeben wird. Mittel- bis langfristig besteht unserer Einschätzung nach durchaus Aufwertungspotenzial. In den zurück­liegenden drei Jahren war die Währung trotz der Corona-Pandemie stabil.

Zugänglichkeit von Märkten ist die Voraussetzung für die Aufnahme in Indizes. Was ist da möglich?

Sowohl Bloomberg als auch J.P. Morgan erwägen aufgrund der zunehmenden Öffnung für ausländische Investoren, Indien in ihre Flaggschiff-Indizes aufzunehmen. Ein Indexanteil von etwa 9% und Zu­flüsse von voraussichtlich 35 bis 40 Mrd. US-Dollar sind dadurch zu erwarten. J.P. Morgan setzt vor einer Aufnahme Länder zunächst auf die Watch List. China wurde im Jahr 2017 auf die Watch List gesetzt. 2019 wurde die Aufnahme angekündigt, die im Februar 2020 erfolgte. Allerdings erfolgt eine Aufnahme in 1-Prozent-Schritten, so dass es noch zehn Monate dauerte, bis das maximal mögliche Indexgewicht von 10%, das China aufgrund seiner Größe einnimmt, erreicht wurde. Indien wurde im Januar 2020 auf die Watch List gesetzt. Wir erwarten, dass die Aufnahme des Landes noch in diesem Jahr angekündigt wird und sie dann drei bis fünf Monate danach erfolgen wird. Zur Aufnahme wird es also voraussichtlich gegen Ende 2022 oder im Jahr 2023 kommen.

Wie sehen die Daten Ihres ETF aus?

Wir haben den L&G India INR Government Bond Ucits ETF im Oktober 2021 an den Markt gebracht. Er bildet den J.P. Morgan India Government Fully Accessible Route (FAR) Bond Index ab. Die rechnerische Rendite liegt bei 6,12%, die Duration und die durchschnittliche Restlaufzeit betragen 6,4 und knapp 11 Jahre. In Dollar gerechnet beträgt die simulierte durchschnittliche Rendite des Index der zurückliegenden fünf Jahre 4,8% p.a., bei einer Volatilität von 6,6%. Um in den Index aufgenommen zu werden, müssen Anleihen ein Mindestvolumen von 1 Mrd. Dollar haben. Die Restlaufzeit zu den je­weiligen Index-Rebalancing-Zeitpunkten muss mindestens 2,5 Jahre betragen.

Das Interview führte

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