Bankenturbulenzen

Keine neue Bankenkrise zu befürchten

Die Turbulenzen in der Bankenbranche haben Sorgen vor einer neuen großen Finanzkrise aufkommen lassen. Diese sind übertrieben, die heutige Lage ist nicht mit der großen Finanzkrise vergleichbar.

Keine neue Bankenkrise zu befürchten

Von Oliver Piquardt*)

Die negativen Meldungen haben sich in den letzten Wochen überschlagen. Erst kam es zum Zusammenbruch dreier Regionalbanken in den USA. Dann spitzte sich die Lage bei der Credit Suisse so stark zu, dass sie letztlich von UBS übernommen werden musste. Hauptproblem bei diesen Banken war ein massiver Vertrauensverlust in ihre finanzielle Stabilität aufgrund von Marktwertverlusten bei Wertpapieren infolge des schnellen Zinsanstiegs. Dies hat zu einem massiven Abzug von Einlagen in kürzester Zeit geführt. Dieses Vertrauensproblem weitete sich auf weitere US-Regionalbanken aus. Selbst die Ankündigung eines Notfallkreditprogramms der US-Notenbank für diese Geldinstitute konnte die Stimmung bislang nicht nachhaltig beruhigen.

Verschärfte Regulierung

Angesichts dieser Entwicklungen werden zurzeit Parallelen zur großen Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 gezogen und die Angst vor einer neuen weltweiten Bankenkrise wächst. Diese Sorgen sind aber aus unserer Sicht übertrieben. Zum einen ist die Ausgangslage der Banken eine andere. Die Regulierung wurde in Reaktion auf die Folgen der großen Finanzkrise in vielerlei Hinsicht massiv verschärft. Die Banken müssen heute deutlich mehr Eigenkapital und Liquidität als damals vorhalten, die Vernetzung der Banken untereinander über Derivate und den Interbankenmarkt hat sich drastisch verringert. Zudem wurden die Risiken in den Kreditportfolios der Banken erheblich reduziert.

Ursachen nicht vergleichbar

Auch die Ursachen der aktuellen und der damaligen Krise sind nicht miteinander vergleichbar. 2006 platzte in den Vereinigten Staaten eine Hauspreisblase, die zu hohen Verlusten bei Hypotheken(-papieren) und nachfolgenden Eigenkapitalproblemen bei Banken weltweit geführt hat. Dagegen sitzen die Banken derzeit zwar auf Barwertverlusten bei Wertpapieren und Krediten aufgrund des massiven Zinsanstiegs, sie sollten aber ihr Geld bei Fälligkeit der Papiere und Kredite wieder vollständig zurückerhalten.

In Verbünde eingebettet

Im Gegensatz zu den US-Regionalbanken ist zudem ein großer Teil der kleineren europäischen Banken in Verbünden organisiert. Die dort geregelte gegenseitige Unterstützung macht diese Institute deutlich weniger anfällig für Vertrauensprobleme und eine daraus resultierende Einlagenflucht. Ein Faktor, der in den USA bei den drei zusammengebrochenen Banken maßgeblich zum massiven Einlagenabzug beigetragen hat, war der ungewöhnlich hohe Anteil unversicherter Einlagen. Einlagen werden in den USA über die staatliche FDIC bis zu einer Summe von 250000 US-Dollar je Kunde garantiert. Die drei Banken verfügten aber über deutlich höhere Einlagen je Kunde, so dass bis zu 94% der Einlagen nicht der Garantie unterlagen. Diese waren somit besonders anfällig dafür, im Falle einer Vertrauenskrise schnell abgezogen zu werden. In Europa ist dieses Risiko deutlich geringer. Die durchschnittlichen Einlagen je Kunde dürften viel niedriger sein als bei den drei zusammengebrochenen Banken. Zudem existieren beispielsweise in Deutschland oder Frankreich neben der gesetzlichen Einlagensicherung bis zu 100000 Euro je Kunde noch freiwillige verbundinterne Sicherungssysteme. Diese zielen darauf ab, den Erhalt der Mitgliedsinstitute zu sichern und damit die Einlagen in unbegrenzter Höhe zu garantieren.

Risiko Vertrauenskrise

Ein plötzlicher Vertrauensverlust und daraus folgender massiver Einlagenabzug kann die Liquiditäts­lage einer Bank in kürzester Zeit massiv verändern und kann bei keiner einlagenfinanzierten Bank kom­plett ausgeschlossen werden. Im aktuellen höchst nervösen Umfeld gilt es demnach, eine Spirale aus negativen Schlagzeilen um die Stabilität einer Bank und Einlagenabzügen unbedingt zu verhindern. Sollte eine solche Spirale einmal eingesetzt haben, ist es äußerst schwer, diese wieder zu stoppen. Am ehesten geeignet und in der Lage, Negativspiralen im Keim zu ersticken, sind die Zentralbanken als Lender of Last Resort. So hat die EZB auch bereits letzte Woche ihre Bereitschaft signalisiert, Liquiditätsunterstützung zu leisten, sollte diese notwendig sein. Daneben könnten Regierungen die Einlagen über die bestehende Sicherung hinaus garantieren, um das Problem einer Einlagenflucht bei Banken zu reduzieren. In den Vereinigten Staaten hat Finanzministerin Janet Yellen bereits angedeutet, eine solche Garantie notfalls aussprechen zu wollen, sollte sich die Lage bei den Regionalbanken noch einmal verschärfen.

Stimmung bleibt nervös

Wir rechnen damit, dass die Stimmung an den Märkten vorerst nervös bleiben wird. Allmählich sollte sich aber die Erkenntnis durchsetzen, dass die Banken grundsätzlich fundamental sehr gut dastehen. Deshalb gibt es keinen Grund für eine Panik oder einen Vertrauensverlust. Es drohen keine massiven Kreditverluste, bei den Eigenkapitalquoten bestehen im historischen Vergleich sehr komfortable Puffer zu den Mindestvorgaben und auch die Liquiditätslage ist sehr gut. Hinzu kommt, dass die Gewinne der Banken weltweit dank der Leitzinsanhebungen steigen.

Credit Suisse ein Sonderfall

Zwar hat das Beispiel von Credit Suisse gezeigt hat, dass auch bei einer Bank, die nach Aussage der zuständigen Aufsicht über ausreichend Eigenkapital und Liquidität verfügt, kurzfristig eine existenz­bedrohende Vertrauenskrise entstehen kann, das Institut ist aber ein Sonderfall. Die Bank hat schon seit einigen Jahren Investoren in schöner Regelmäßigkeit mit negativen Schlagzeilen verschreckt und Zweifel an einer erfolgreichen Restrukturierung sowie an einem profitablen Geschäftsmodell aufkommen lassen. In einer vergleichbaren Situation befindet sich keine andere europäische Großbank. Allerdings muss man damit rechnen, dass es in den USA zu weiteren Negativmeldungen bei einzelnen Regionalbanken kommen könnte. Diese dürften aber nach und nach ihren Schrecken für die europäischen Finanzmärkte verlieren. Ein gewisser Gewöhnungseffekt dürfte dann eintreten.

Wieder engere Spreads

Zudem rechnen wir damit, dass die US-Regierung wie von einzelnen Banken schon gewünscht eine zeitlich begrenzte Garantie für die Einlagen von Regionalbanken aussprechen dürfte – insbesondere, wenn sich die Probleme bei einzelnen Instituten in den USA noch einmal verschärfen sollten. Da auch das Damoklesschwert einer möglichen Abwicklung der Credit Suisse, das insbesondere über den europäischen Finanzmärkten geschwebt hat, durch die UBS-Übernahme beseitigt wurde, rechnen wir damit, dass sich die Bankenspreads in den kommenden Wochen und Monaten wieder einengen werden.

*) Oliver Piquardt ist Leiter Credit Research Financials bei der DZ Bank.

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