Coinbase & Co.

Krypto-Aktien tauen vorsichtig auf

Coinbase und Microstrategy haben für das zweite Quartal Milliardenverluste vermeldet – dennoch befinden sich ihre Aktien im Rallymodus. Der Aufschwung dürfte allerdings mit Vorsicht zu genießen sein.

Krypto-Aktien tauen vorsichtig auf

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Für Investoren sind es willkommene Sonnenstrahlen inmitten eines frostigen Kryptowinters: Die schwer gebeutelten Aktien vieler am Markt für Digital Assets aktiver Unternehmen haben in den vergangenen Wochen kräftig angezogen. So hat das Papier der Handelsplattform Coinbase Global seinen Wert seit Ende Juni nahezu verdoppelt – zu­vor hatte es seit Jahresbeginn ge­rechnet um mehr als 81% nachgegeben. Die Aktie des US-Softwarekonzerns Microstrategy, der in großem Stil in Bitcoin investiert, ist seit dem Beginn des dritten Quartals gar um 112% in die Höhe geschnellt.

Dabei nimmt sich die fundamentale Situation gerade bei den beiden genannten Unternehmen düster aus. So verfehlte Coinbase im zweiten Quartal die Umsatzerwartungen und wies einen Nettoverlust von 1,1 Mrd. Dollar aus. Der Crash des eigentlich an den Dollar gekoppelten Stable­coins TerraUSD im Mai und die anschließende Insolvenzwelle unter Digital-Assets-Dienstleistern hat im Segment eine hohe Unsicherheit entfacht, in deren Folge sich die Anleger in den vergangenen Monaten in Scharen von den Kryptobörsen zu­rückgezogen haben.

Auf Coinbase sind die durch institutionelle Investoren generierten Handelsvolumen zwischen April und Juni gegenüber dem ersten Quartal um 27% gesunken. Bei den Privatanlegern belief sich der Rückgang gar auf 40%. Obwohl das institutionelle Trading für den Plattformbetreiber die wesentlich größere Bedeutung einnimmt, ist der Retail-Schwund für ihn doch besonders schmerzhaft – denn in diesem Segment generiert Coinbase im Durchschnitt wesentlich höhere Gebühren. Die Kryptobörse warnte bereits vor einem weiteren Rückgang der Handelsvolumen im dritten Quartal. Investoren befürchten, dass Coinbase nachhaltig Marktanteile an Konkurrenten wie Binance oder FTX verlieren könnte.

Auch Microstrategy enttäuschte mit der Erlösentwicklung im zweiten Quartal die Analysten und vermeldete einen Milliardenverlust. Nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse verkündete zudem der langjährige CEO Michael Saylor seinen Rücktritt. Unter der Führung des Managers, der dem Softwarekonzern als Präsident des Verwaltungsrats erhalten bleibt, hatte Microstrategy 2020 begonnen, große Teile der Barreserven in Bit­coin zu investieren.

Stellvertreterin für Bitcoin

In der Folge wurde die Aktie des Unternehmens, das eigentlich auf Datenanalyse und Cloud-Lösungen spezialisiert ist, zu einem Stell­vertreter­investment für eine Anlage in Digitalwährungen. Ende Juni hielt der Konzern 129699 Bitcoin, deren Buchwert sich auf knapp 1,99 Mrd. Dollar belief – dieser fiel damit niedriger aus als der kumulierte Wertminderungsaufwand der Kryptobeteiligung.

Angesichts der engen Bindung des Aktienkurses an die Cyberdevise liegt die Vermutung nahe, dass Microstrategy zuletzt von der allgemein aufgehellten Stimmung am Digital-Assets-Markt profitiert hat. Für diese hatte auch die Kommunikation der Federal Reserve gesorgt, die im Juli signalisiert hatte, das Tempo ihrer geldpolitischen Straffung mit Blick auf das konjunkturelle Umfeld künftig drosseln zu können. Kryptowährungen hatten aufgrund ihrer spekulativen Prägung zuvor stark unter dem Liquiditätsentzug und der Risikoaversion an den Märkten gelitten. Laut dem Informationsdienstleister Bloomberg bekräftigten im An­schluss an die Fed-Sitzung jedenfalls drei der lediglich vier Analysten, die den Titel regelmäßig beobachten, ihre Kaufempfehlungen bzw. „Outperform“-Einstufungen für Micro­strategy – nur die Investmentbank Jefferies votiert auf „Underperform“.

Neben der Aussicht auf eine weniger restriktive Geldpolitik treibt laut Beobachtern auch die Hoffnung auf eine neue Welle der institutionellen Adoption von Kryptowährungen die Aktien von Digital-Assets-Unternehmen an. Dazu hat zuletzt auch der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock beigetragen, der eine Partnerschaft mit Coinbase eingegangen ist. Die institutionellen Kunden des Assetmanagers erhalten Zugang zur Profi-Handelsplattform Coinbase Prime, was ihnen das Krypto-Trading erleichtern soll.

Auf die Ankündigung hin schoss die Coinbase-Aktie Anfang August binnen eines Handelstages um zeitweise 44% in die Höhe, was Shortsellern laut dem Researchanbieter S3 Partners vorübergehend herbe Verluste eingebracht hat. Derzeit seien ungefähr 20% der umlaufenden Coinbase-Aktien leerverkauft. Damit sei der Titel Kandidat für einen sogenannten Short Squeeze – bei einem solchen Ereignis müssen Leerverkäufer ihre Positionen infolge steigender Kurse schnell glattstellen, was für weiteren starken Auftrieb sorgt. Coinbase ähnelt laut Analysten folglich „Meme Stocks“ wie dem Papier des Videospieleinzelhändlers Game­stop, dessen durch konzertierte Käufe von Privatanlegern ausgelöste Kurssprünge short positionierten Hedgefonds in der Vergangenheit wiederholt hohe Verluste beschert haben.

Es ergebe also wenig Sinn, Coin­base nach fundamentalen Kriterien bewerten zu wollen. Einige Investmenthäuser versuchen es dennoch: Laut Bloomberg raten fünf Analysten zum Verkauf der Aktie, während zehn sie auf „Halten“ setzen und 15 den Titel zum Kauf empfehlen. Marktstrategen zweifeln indes daran, dass der Blackrock-Deal die Erträge wie erhofft antreiben wird. Als negativer Faktor kommt hinzu, dass die Handelsplattform mit der SEC im Clinch liegt. Die US-Börsenaufsicht erhebt den Vorwurf, dass mindestens neun auf Coinbase gelistete digitale Vermögenswerte unregistrierte Wertpapiere seien.

Die zunehmend adverse Regulierung in den Vereinigten Staaten dürfte Digital-Assets-Dienstleister laut Analysten auch weiterhin ausbremsen. Damit besteht das Risiko, dass der Winter am Markt für Krypto-Aktien wieder frostiger wird.

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