Ned Naylor-Leyland

„Silber könnte auf 50 Dollar pro Feinunze steigen“

Marktstratege Ned Naylor-Leyland von Jupiter Asset Management sieht beim Silberpreis noch viel Luft nach oben. Grund sei unter anderem die Bedeutung des Edelmetalls für die Nachhaltigkeitswende.

„Silber könnte auf 50 Dollar pro Feinunze steigen“

Alex Wehnert.

Herr Naylor-Leyland, wie beurteilen Sie die Aussichten für Edelmetalle im laufenden Jahr?

Interessanterweise hat Silber gegenüber Gold im bisherigen Jahresverlauf deutlich besser abgeschnitten. In den kommenden Monaten könnte der Preis bis auf 50 Dollar pro Feinunze steigen, womöglich sogar noch deutlich höher. Auf längere Sicht sind Dollar-Rekordmarken auch bei Gold infolge fallender Realzinsen und der starken operativen Entwicklung von Bergbaukonzernen durchaus wahrscheinlich, Silber dürfte seine Outperformance gegenüber dem großen Bruder aber fortsetzen.

Wodurch entsteht dieser Unterschied?

Silber verfügt im Gegensatz zu Gold momentan über ein klares Narrativ. Denn es ist nicht nur als sicherer Anlagehafen bedeutsam, sondern wird aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften zunehmend auch in der Medizin eingesetzt. Vor allem aber wird es in der Industrie benötigt und ist dort für den Wandel zu einer grünen Wirtschaft entscheidend.

Was bedeutet das konkret?

Silber wird in Solarmodulen, Batterien und Elektronikteilen verbaut – der Nachhaltigkeitstrend wird sich also direkt auf die Nachfrage und damit auch den Preis auswirken. Auch wenn große Boomthemen wie die E-Mobilität oder der neue 5G-Mobilfunkstandard ihre Wirkung sicherlich nicht innerhalb der kommenden zwölf Monate entfalten, haben die diesbezüglichen großvolumigen Infrastrukturpläne aus den USA und Europa zuletzt bereits kräftige Unterstützung für den Silberpreis geliefert.

Wie lange wird der Einfluss der Fiskalmaßnahmen aus Washington auf den Silberpreis anhalten?

Die Konjunkturpakete als Teil der grünen Revolution dürften den Investorenfokus langfristig beeinflussen, da sie Zukunftsthemen wie erneuerbare Energien und elektrische Antriebe in den Mittelpunkt rücken. Metalle, die dabei eine wichtige Rolle spielen, dürften auf ein nachhaltig höheres Interesse treffen.

Welche Rolle spielt die Geldpolitik weiterhin?

Die Federal Reserve hat deutlich gemacht, dass sie geldpolitische Kurswechsel weit im Voraus an­kündigen wird. Zugleich bleibt eine Zinskurvenkontrolle wahrscheinlich, auch wenn der Großteil der Marktteilnehmer dies nicht im Blick hat. Fallende Realzinsen erscheinen daher unvermeidlich. Sobald sie ihren langfristigen Abwärtstrend fortsetzen, dürfte davon nicht nur Silber profitieren – sondern auch Gold wieder ein klareres Narrativ und Momentum gewinnen. Für Investoren, die eine Gold-Allokation aufbauen wollen, bietet die zuletzt wenig dynamische Preisentwicklung daher eine gute Einstiegsgelegenheit.

Wird die vergleichsweise hohe Volatilität Silber eventuell ausbremsen, wenn Gold wieder attraktiver wird?

Gold bleibt natürlich der ultimative sichere Anlagehafen. Silber ist dagegen nicht ganz risikofrei – für Anleger, die nach einer aktiven Alternative zu Gold mit hohem Beta suchen, im aktuellen Marktumfeld aber durchaus attraktiv.

Wie können Investoren denn am besten am Silber-Aufschwung partizipieren: Über physisch besicherte Exchange Traded Commodities oder indirekt über die Aktien von Bergbaukonzernen?

Die ETC-Nachfrage wird aufgrund des wachsenden institutionellen Interesses in den kommenden Monaten wohl zulegen. Allerdings eröffnen Aktien von Bergbaukonzernen mehr Möglichkeiten, durch die Auswahl der richtigen Einzeltitel eine Outperformance zu erzielen. Fast alle Minenbetreiber haben sich nun in mehreren aufeinanderfolgenden Quartalen operativ verbessert. Dies zeigt sich an den steigenden freien Cash-flows, einem Dividendenwachstum der Branchenführer sowie Erfolgen bei der Exploration und Erschließung. Hinzu kommt die höhere Aktivität bei Fusionen und Übernahmen, die auf einen ermutigenden Ausblick für unterbewertete Bergbauunternehmen hindeutet.

Worin bestehen momentan denn die größten Risiken für den Silbermarkt?

Die größte Gefahr ist im Grunde die gleiche wie in anderen Assetklassen: Ein massives Deleveraging, bei dem eine große Zahl an Marktteilnehmern zugleich Assets abstößt, um die stark gestiegenen Verbindlichkeiten abbauen zu können. In der Folge könnten die Realzinsen wie im März des vergangenen Jahres scharf anziehen. Dies würde den Silberpreis aber wohl eher kurzfristig beeinflussen.

Das Interview führte