Währungen

Yuan in schwerem Fahrwasser

Der Yuan erfährt seit Wochen Gegenwind. Denn die chinesische Währung leidet unter den steigenden US-Zinsen. Die Einschätzungen zu den Perspektiven fallen unterschiedlich aus.

Yuan in schwerem Fahrwasser

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Die Kursbewegungen der chinesischen Währung haben in den vergangenen Wochen für Aufregung an den Märkten und ungewöhnliche Erklärungsmuster gesorgt. Für Chefwährungsanalyst Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank zeigt die „spektakuläre Abwertung“ des Yuan, dass das „demokratische System mit der Fähigkeit der offenen Gesellschaft zur Selbstkorrektur“ hinsichtlich seines langfristigen Produktivitätspotenzials im Vergleich zum Leistungsvermögen Chinas neu zu beurteilen sei. Spektakulär heißt beim Yuan eine Abwertung binnen eines Monats um fast 5%. Am Dienstag notierte die Währung im Offshore-Handel bei 6,66 Yuan pro Dollar. Das ist ein kräftiger Kursrückgang nach einer längeren Phase der Stabilität. Die chinesische Währung ist damit auf das Niveau von November 2020 zurückgefallen. Im Vergleich zu anderen Währungen ist der Rückgang überschaubar, doch laut Leuchtmann stellt sich nun die Frage, ob die durch den Exportboom induzierte bisherige Yuan-Stärke mittel- bis langfristig gerechtfertigt sei.

Dollar-Dominanz kritisiert

Fidelity-Fondsmanager Morgan Lau hält die Entwicklung für weniger dramatisch: „Ich sehe keine Krise beim Yuan. Es wäre aus Sicht von China auch unklug, bei der Währung nur dem Dollar zu folgen.“ Aus seiner Sicht belastet die aktuelle Abwertung der Währung die Wirtschaft Chinas nicht besonders stark. Zudem dürfe man nicht nur das Währungspaar Dollar-Yuan sehen. „Man muss beachten, dass die chinesische Zentralbank die Währung gegenüber einem Korb managt, vergleichbar mit dem Dollar-Index. “ Sicherlich habe jedes Land ein Interesse an einer weithin akzeptierten Währung. „Man muss sich nicht an dem Dollar orientieren, um eine stabile Währung zu sein. Es reicht, sich an einen Währungskorb zu halten und eine stabile Entwicklung zu zeigen.“

Angesichts der andauernden Aufwertung und der Krisenresistenz in den vergangenen Monaten war der Yuan schon als sicherer Hafen gehandelt worden. Während insbesondere der Yen schon länger zur Schwäche neigte, konnte der Yuan lange mit dem Dollar mithalten. Damit scheint es nun vorbei. „Beim Konzept des sicheren Hafens muss man vorsichtig sein. Es gibt in Krisen nur wenige Vermögensanlagen, die als sicherer Hafen taugen“, so Morgan Lau. Bei Währungen gebe es immer eine Situation, in der man sie nicht haben möchte. Für die Qualität einer Währung als sicherer Hafen sei die Größe der Volkswirtschaft wichtig, so dass ein Land entsprechende Ressourcen haben sollte, Krisen durchzustehen. „Gemessen daran qualifiziert sich China. Auf der finanziellen Seite wird der Yuan unterstützt, weil China im weltweiten Handel einen immer größeren Anteil einnimmt“, sagt der Fidelity-Experte.

Zum jüngsten Kursrückgang haben verschiedene Faktoren beigetragen. „China reagiert trotz aller Beteuerung einer flexibleren Herangehensweise und einer vergleichsweise hohen Durchimpfungsrate weiter mit einer strikten Zero-Covid-Policy und verstärkt die Wachstumsverlangsamung“, sagt Stefan Grünwald, Fondsmanager bei Raiffeisen Capital Management. Diese restriktive Haltung, das Risiko einer weiteren Verbreitung der Omikron-Welle, die Befürchtung einer nicht angemessenen wirtschaftspolitischen Reaktion und die Erwartung einer expansiven Geldpolitik hätten den Yuan unter Druck gesetzt. Die Corona-Spuren in der Wirtschaft ließen sich an den aktuellen Einkaufsmanagerindizes ablesen, die den ökonomischen Schaden der Lockdowns andeuteten. Allerdings könne man die aktuelle Währungsschwäche nicht mit der Abwertung 2015 vergleichen, die durch Kapitalabflüsse ausgelöst wurde. Jetzt sei eher von einer „üblichen Währungsanpassung“ auszugehen, die der chinesischen Zentralbank (PBoC) nicht ganz ungelegen komme, erwartet Grünwald.

Zinsdifferenz gleich null

Ein wichtiger Faktor war in jüngster Zeit die divergierende Geldpolitik in den USA und die Entwicklung der Anleiherenditen. Während vor einem halben Jahr zehnjährige chinesische Staatsanleihen mit 2,99% rentierten und US-Papiere mit 1,58%, hat sich das Bild komplett verändert. Mittlerweile liegen Treasuries mit 2,97% vor den chinesischen Bonds, die 2,86% abwerfen. Während also in den vergangenen Jahren der Yuan auch von den starken Zuflüssen in den chinesischen Anleihenmarkt gestützt wurde, ist dieser Vorteil nun dahin.

Die PBoC hat jetzt angekündigt, dass sie die Mindestreservepflicht für Deviseneinlagen mit Wirkung zum 15. Mai von 9 auf 8% senken wird. Diese Senkung wird nach Schätzungen von AGI-Ökonom Christiaan Tuntono schätzungsweise 10 Mrd. Dollar Devisenliquidität innerhalb Chinas freisetzen: „Wir glauben, dass die PBoC mit der Senkung ein Signal sendet, dass sie eine zu schnelle Abwertung des Yuan vermeiden möchte.“

Offen ist, mit welchem Erfolg. Denn der chinesische Markt dürfte laut AGI so lange unter Druck bleiben, bis unter anderem ein klarer Plan für den Ausstieg aus der rigiden „dynamischen Nullzinspolitik“ vorgelegt werde. „Wir gehen davon aus, dass sich der Yuan gegenüber dem Dollar weiter abschwächen wird und die Märkte für risikoreiche Anlagen in diesem Prozess unter Druck bleiben werden“, sagt Tuntono. Nach Ansicht von Morgan Lau sind die Perspektiven dennoch gut. Wichtig für die Stärke einer Währung sei auch, in welcher Währung Finanzprodukte und Rohstoffe notiert würden und in welcher Währung der Handel stattfinde. „Hier wird der Yuan immer wichtiger. In fünf oder zehn Jahren kann der Yuan durchaus eine globale Reservewährung sein.“

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