Konjunktur

Bedächtige Erholung in China

Chinas Wirtschaft befindet sich nach dem Ende von Zero Covid zwar auf Erholungskurs, doch weisen neue Daten nur ein schleppendes Wachstumstempo von Produktion und Konsum aus. Sorgenkind ist die anziehende Arbeitslosigkeit.

Bedächtige Erholung in China

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinas neue Leistungsdaten für die ersten zwei Monate des Jahres lassen erkennen, dass die Wirtschaft in diesem Jahr vor allem auf Wachstumsimpulse aus der Steigerung von Konsumausgaben zählen kann. Allerdings zeichnet sich eine eher stetige Entwicklung und nicht der von vielen erhoffte massive Belebungsschub nach der Abkehr von der Null-Covid-Politik ab.

Nach Angaben des Pekinger Statistikbüros zog die Industrieproduktion im Januar und Februar um 2,4% gegenüber dem Vorjahreszeitraum an. Im Dezember sah man ein Plus von nur 1,3%. Zu Beginn eines Jahres werden chinesische Wirtschaftsdaten für Januar und Februar zusammengefasst und mit der Vorjahresperiode verglichen, um saisonale Verzerrungen durch das wechselnd in den Januar und Februar fallende Neujahrsfest auszugleichen.

Bei den für das aufgelaufene Jahr berechneten Anlageinvestitionen steht ein beschleunigtes Wachstum von 5,5% zu Buche. Im Jahr 2022 war das Fixed Asset Investment um 5,1% gestiegen. Zuletzt wurden vor allem öffentliche Infrastrukturprojekte forciert, während die privaten Investitionen im Unternehmens- und Immobilienbereich nur um 0,8% vorankamen.

Chinas Einzelhandelsumsätze kletterten im Zweimonatsvergleich um 3,5%, was im Rahmen der Analystenprognosen liegt. Zuvor im Dezember, als China die mit harten Lockdown-Maßnahmen unterlegte Null-Covid-Politik gerade abgeschafft hatte, waren die Umsätze der Retailer noch um 1,8% gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die letztjährigen Corona-Restriktionen hatten sich als gewaltige Konsumbremse ausgewirkt und waren Hauptfaktor dafür, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft im vergangenen Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3% die zweitniedrigste Wachstumsrate seit den siebziger Jahren hingelegt hatte.

Mit der ruckartigen Abschaffung der Null-Covid-Politik im Dezember wurde zunächst eine gewaltige Corona-Ansteckungswelle ausgelöst, die einer raschen Konsumbelebung entgegenstand. Seit Februar weisen Aktivitätsdaten und Einkaufsmanagerindizes wieder kräftige Ausschläge nach oben aus und signalisieren eine Normalisierung des Geschäfts- und Verbraucherklimas. Allerdings registrieren die Statistiker nur wenige Anzeichen für Aufholeffekte etwa bei größeren Haushaltsanschaffungen beziehungsweise das als „re­venge spending“ bezeichnete Phänomen einer boomartigen Steigerung der Konsumausgaben nach einer Restriktionsphase.

Als prägnantes Beispiel gilt die Tourismusbranche. Die nach Abschaffung der Null-Covid-Politik genährten Hoffnungen auf einen gewaltigen Reiseboom haben sich bei weitem nicht erfüllt. Während die Geschäftsreiseaktivität wieder deutlich anzieht, hinkt der Freizeittourismus noch stark hinterher. Dabei spielen auch Kapazitätsfragen eine Rolle, nachdem chinesische Fluggesellschaften und Hotelbetreiber in der Pandemiezeit viele Arbeitsplätze abgebaut hatten.

Jugend ohne Arbeit

Umgekehrt sorgen die gedrückte Beschäftigungslage und eine schwächere Einkommensdynamik dafür, dass sich Chinas Massenverbraucher weiter zurückhalten, betonen Analysten. Die neuen Daten des Statistikbüros weisen einen ungünstigen Beschäftigungstrend aus. Die auf städtische Gebiete bezogene offizielle Arbeitslosenrate stellt sich jetzt auf 5,6% nach zuvor 5,5% im Dezember. Auffällig ist allerdings ein erneuter Schub bei der Jugendarbeitslosenrate (in der Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren), die mit 18,1% den höchsten Wert seit sechs Monaten erreicht.

Auf dem kürzlich abgeschlossenen jährlichen Volkskongress hatte die Regierung bei ihrer wirtschaftlichen Agenda für 2023 die Anregung der Beschäftigung in den Fokus gerückt, allerdings keine Anzeichen für offensive fiskalische oder monetäre Stimulierungsmaßnahmen gegeben. Gleichzeitig wurde ein verhältnismäßig niedriges offizielles Jahreswachstumsziel mit 5% BIP-Steigerung abgesteckt. Nachdem die Regierung ihr Wachstumsziel von 5,5% für das Jahr 2022 wegen der Corona-Politik deutlich verfehlt hatte, gilt das diesjährige als realistisch. Im Mittel rechnen die China-Ökonomen gegenwärtig mit einem BIP-Wachstum von 5,3% für das Gesamtjahr.

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