Handelsabkommen mit Kanada

Ceta ist die Ouvertüre für Handels­gespräche mit den USA

Das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada ist ratifiziert. Endlich – denn es steht viel mehr auf dem Spiel: Neue Verhandlungen mit den USA nach dem TTIP-Fiasko sind unumgänglich.

Ceta ist die Ouvertüre für Handels­gespräche mit den USA

Gewöhnlich reiben Politiker der Sozialdemokraten und Wirtschaftsvertreter sich mit Vorliebe aneinander, einer Meinung sind sie selten. Umso bemerkenswerter, was mit Blick auf das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada zu beobachten ist: Die Ratifizierung von Ceta durch den Deutschen Bundestag sei „überfällig“, geben wortgleich Industriechef Siegfried Russwurm und der oberste Handelspolitiker im EU-Parlament, Bernd Lange von der SPD, zu Protokoll. Mit dem Chef des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, wiederum ist SPD-Politiker Lange einer Meinung, dass Ceta insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ein Segen ist.

Überdeutlich zeigt diese seltene Eintracht, dass die Hängepartie eine Farce gewesen ist. Seit mehr als fünf Jahren ist Ceta reif zur Ratifizierung. Die große Koalition aus Union und SPD hat sich nicht herangetraut, weil die Vorbehalte in der Bevölkerung zu groß schienen. Teile der Grünen gehören seit jeher zu erklärten Gegnern. Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt für sich in Anspruch, in Brüssel Klarstellungen zum Investitionsschutz erwirkt zu haben. Das ist kaum mehr als parteipolitische Folklore, um die eigene Basis gnädig zu stimmen. Kollege Lange von der SPD, nicht gerade als Verfechter eines zügellosen Freihandels zulasten der kleinen Leute bekannt, findet das Investitionskapitel in Ceta jedenfalls seit jeher „solide“.

Dass SPD und Grüne sich nun doch trauen, zusammen mit der FDP Fakten zu schaffen, liegt deshalb vermutlich auch an einem weiteren Umstand: Der Sicherheitsabstand zu den gescheiterten TTIP-Verhandlungen mit den USA ist groß genug. Die endeten vor sechs Jahren nach Massenprotesten in Deutschland und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Fiasko. Die Nichtratifizierung von Ceta war damals eher ein Kollateralschaden.

Dass die Ampel sie nun nachholt, ist ebenso naheliegend wie zwangsläufig. Mit wem sollte Deutschland künftig überhaupt noch mehr Handel treiben, wenn nicht mit einer lupenreinen Demokratie wie Kanada? Die Nordamerikaner stehen nicht nur für die gleichen hehren Werte in der Klimapolitik, sondern auch als Lieferant von Rohstoffen und als Partner bei Zukunftstechnologien parat. Man denke an Nickel, Kobalt und Wasserstoff – und das Schlagwort Energiewende.

In Teilen findet Ceta ohnehin längst Anwendung. Hauptsächlich hat die Entscheidung daher Signalwirkung: Mit Deutschland ist in der Handelspolitik wieder zu rechnen. Das ist dringend nötig in einer Zeit, da mit den USA ein Subventionswettlauf um E-Autos und Halbleiter Gestalt annimmt. Ein neuer Anlauf für Handelsgespräche mit den USA ist unumgänglich. Die Ratifizierung von Ceta ist die Ouvertüre.

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