Quartalsergebnisse

US-Großbanken zeigen mangelnde Weitsicht

Die US-Großbanken stellen sich auffällig spät auf steigende Kreditausfälle ein. Langfristige Planung ist eben keine Stärke der Geldhäuser.

US-Großbanken zeigen mangelnde Weitsicht

Die Quartalsergebnisse der US-Großbanken senden Warnsignale für die globale Wirtschaft und die Finanzmärkte. Zwar fällt die Ergebnisentwicklung bei den verschiedenen Geldhäusern sehr unterschiedlich aus: J.P. Morgan und Bank of America übertrafen mit ihren Gewinnsteigerungen die Erwartungen der Analysten, während Citigroup, Wells Fargo sowie die Investmenthäuser Morgan Stanley und insbesondere Goldman Sachs massive Einbrüche vermeldeten. Auch die Eigenkapitalrenditen im Gesamtjahr 2022 gingen unterschiedlich stark zurück. Doch allen sechs Finanzinstituten ist eines gemein: Sie bereiten sich auf eine Verschärfung schwelender konjunktureller Krisen vor, die in Kombination mit der anhaltend restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve zunehmend Zahlungsausfälle nach sich ziehen dürfte. Jedenfalls legten die genannten Großbanken im vierten Quartal 2022 zusammen fast 4,5 Mrd. Dollar für die Risikovorsorge bezüglich fauler Kredite beiseite.

Das liest sich zunächst nach weiser Voraussicht. Doch zeigen die großvolumigen Auflösungen von Vor­sorge-Polstern­ im Vorjahreszeitraum, dass langfristige Planung nicht eben die Stärke der führenden US-Geldhäuser ist. Einige Institute setzten sogar noch bis ins zweite Quartal des vergangenen Jahres, als die russische Invasion der Ukraine und weitere Gefahrenfaktoren bereits in vollem Gange waren, Mittel aus den Kreditrisiko-Reserven frei. In den kommenden Monaten könnten nun durchaus noch größere Rückstellungen notwendig werden – mit entsprechenden Belastungen für die Ergebnisse, die wiederum die Aktionäre verschrecken dürften. Die in der vergangenen und der laufenden Woche vorgelegten Quartalsberichte haben die zuvor deutlich aufgehellte Stimmung an der Wall Street jedenfalls stark gedämpft.

Gerade Goldman Sachs hat die ohnehin schon niedrigen Erwartungen von Analysten und Anlegern noch herb enttäuscht. Der Gewinn der Investmentbank brach im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember gegenüber dem Vorjahr um 66% auf 1,33 Mrd. Dollar ein und damit noch wesentlich stärker als am Markt prognostiziert. Tatsächlich ergab sich eine so große Diskrepanz zwischen den Konsensschätzungen und dem Ergebnis zuletzt im Jahr 2011. Wie bei der Konkurrenz auch brachen die Erlöse aus dem Investment Banking infolge niedrigerer Einnahmen aus dem Aktien- und Anleihe-Underwriting ein. Den Investment-Banking-Spezialisten traf dies indes besonders hart, da er stärker von Gebühreneinnahmen aus dem Dealmaking abhängig ist als J.P. Morgan oder Bank of America, die über größere Consumer-Banking-Sparten verfügen. Für Goldman Sachs hat sich der 2016 begonnene Ausflug ins Privatkundengeschäft dagegen als milliardenschweres Verlustprojekt herausgestellt. Die Bank will sich laut CEO David Solomon nun auf eine strategische Neuausrichtung konzentrieren und das Kerngeschäft stärken. Für Investoren, die einen Hoffnung spendenden Ausblick erwartet hatten, klingt das eher nach Durchhalteparolen.

Angesichts der Deal-Flaute an den Finanzmärkten sollen die Boni im Investment Banking nun verständlicherweise deutlich sinken. In diesem Zusammenhang sorgt zunächst für Befremden, dass Goldman Sachs im Schlussquartal mit 3,8 Mrd. Dollar sogar 16% mehr für Vergütungen beiseitelegte als im Vorjahreszeitraum und damit einen sprunghaften Anstieg der Betriebskosten in Kauf nahm. An dieser Stelle macht sich wieder eine mangelnde Weitsicht bemerkbar – offenbar hatte das Management in den Vormonaten zu wenig eingeplant.

Den Dealmakern bleibt nach einem Jahr zum Vergessen nun indes nur die Hoffnung, dass die US-Notenbank ihren Straffungskurs im laufenden Jahr verlangsamt und sich die Liquiditätsnot an den Finanzmärkten nicht weiter verschärft. Allerdings hat mit James Bullard, dem Präsidenten der Fed von St. Louis, erst in der laufenden Woche ein führender Währungshüter die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen betont. Bedenklich ist angesichts des unverändert kontraktiven geldpolitischen Umfelds allerdings, dass Branchenprimus J.P. Morgan für das laufende Jahr mit Zinserträgen von insgesamt lediglich 73 Mrd. Dollar rechnet – Analysten prognostizierten im Konsens zuvor 74,4 Mrd. Dollar. Steigende Zinseinnahmen sind in einer unübersichtlichen Gemengelage eine der wenigen verlässlichen Stützen für die US-Großbanken. Investoren müssen deshalb darauf hoffen, dass J.P. Morgan zum üblichen Trick gegriffen und die Prognosen absichtlich niedrig angesetzt hat, um die Erwartungen anschließend leichter übertreffen zu können. Wenigstens dies würde von einer gewissen Weitsicht zeugen.

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