Clemens Fuest

„Das Risiko einer Rezession halte ich für gering“

Der Westen hat mit ersten Sanktionen gegen Russland auf die Eskalation in der Ukraine-Krise reagiert. Ifo-Chef Clemens Fuest, spricht über die Folgen – und wie Fiskal- und Geldpolitik damit umgehen sollten.

„Das Risiko einer Rezession halte ich für gering“

Herr Professor Fuest, die Bundesregierung hat wegen der Eskalation in der Ukraine Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Ist der Schritt richtig? Kommt er vielleicht sogar zu spät?

Der Schritt ist richtig. In der aktuellen Lage ist das ein wichtiges Signal an Russland, dass die Politik gegenüber der Ukraine zumindest mittelfristig spürbare Folgen hat. Der Schritt ist außerdem wichtig, um die Einigkeit der EU zu stärken. Jetzt das Nord-Stream-2-Projekt einfach weiterlaufen zu lassen, wäre gegenüber den europäischen Partnern kaum vermittelbar.

Droht mit der Eskalation in der Ukraine und den verhängten Sanktionen jetzt ein Preisschock bei Öl und Gas? Was bedeutet das für die ohnehin hohe Inflation in Deutschland und Euroland?

Öl und Gas haben sich in den letzten Tagen bereits verteuert, jetzt hängt alles von der weiteren Entwicklung in der Ukraine ab. Wenn es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kommt, wird Energie sich noch einmal spürbar verteuern. Die Inflation würde dadurch zusätzlich befeuert.

Wie groß ist als Folge der Krise und der Sanktionen das Risiko einer neuerlichen Rezession in Deutschland und dem Euroraum – zumal weitere Sanktionen angedroht sind?

Die bisher beschlossenen Sanktionen werden die Konjunktur in Deutschland kaum beeinflussen. Das Risiko, dass dadurch eine Rezession ausgelöst wird, halte ich für gering.

Als härteste Sanktion gilt vielen ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehr Swift. Was halten Sie von dieser Option?

Das wäre eine harte Sanktion, wie die Erfahrungen des Iran zeigen. Ich denke nicht, dass sie gegen Russland eingesetzt wird. Deutschland und die EU sind von russischen Gasimporten abhängig, und die müssen ja irgendwie bezahlt werden. Eventuell kann man dafür Ausnahmen machen, aber dass die russische Seite da mitspielt würde ich bezweifeln.

Sollte die Fiskalpolitik in Deutschland und Europa im aktuellen Umfeld der Wirtschaft stärker unter die Arme greifen – über die avisierten Entlastungen von den hohen Energiepreisen hinaus?

Nein. Die Fiskalpolitik kann hier wenig tun. Die Kosten höherer Weltmarktpreise kann die Fiskalpolitik nicht aus der Welt schaffen, sie kann sie nur umverteilen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Europa ist stabil, zusätzliche fiskalische Impulse würden nur die Inflation anheizen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erst vor Kurzem nach langem Zögern einen schnelleren Ausstieg aus den billionenschweren Anleihekäufen und eine raschere Zinswende in Aussicht gestellt. Sollte sie jetzt wegen der Ukraine doch wieder vorsichtig sein oder muss sie zügig handeln wegen der hohen Inflation?

Auch eine expansive Geldpolitik kann die Lasten höherer Energiepreise nicht aus der Welt schaffen. Umgekehrt wird eine restriktive Geldpolitik die Energiepreise nicht senken. Die inflationären Tendenzen sind mittlerweile allerdings nicht mehr auf Energie beschränkt. Die EZB sollte meines Erachtens schneller als bisher angekündigt aus den Anleihekäufen aussteigen, aber bei Zinserhöhungen abwarten, wie Konjunktur und Inflation sich in den kommenden Monaten weiter entwickeln.

Die Fragen stellte Mark Schrörs.