Geldpolitik in Euroland

EZB-Debatte über Leitzinsen und Bilanzabbau nimmt zu

Angesichts der zeitweise zweistelligen Inflation im Euroraum hat die EZB ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie. Jetzt ist die große Frage, wie es weitergeht. Bei der IWF-Tagung melden sich mehrere Euro-Notenbanker zu Wort.

EZB-Debatte über Leitzinsen und Bilanzabbau nimmt zu

EZB-Debatte über Leitzinsen und Bilanzabbau nimmt zu

Villeroy de Galhau: Geduld statt Aktivismus – Gegensätzliche Einschätzungen zu früherem Aus für PEPP-Reinvestitionen

ms Frankfurt

Zwei Wochen vor der nächsten Zinssitzung kommt erneut mächtig Schwung in die Debatte über den weiteren EZB-Kurs. Vor allem rund um die IWF-Jahrestagung in Marrakesch ergreifen viele Euro-Notenbanker das Wort. Bei den Leitzinsen zeichnet sich demnach zwar eine Zinspause am 26. Oktober ab; für Dezember erscheint aber eine weitere Zinserhöhung zumindest noch als Möglichkeit. Zugleich wird über einen schnelleren Abbau der aufgeblähten Bilanz diskutiert – wobei die Meinungen auseinandergehen. Zusätzlich befeuert wurde die Diskussion am Donnerstag durch das Protokoll der September-Sitzung und Aussagen aus der Euro-Politik.

Angesichts der zeitweise zweistelligen Inflation im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie – um 450 Basispunkte seit Juli 2022. Nach der Zinserhöhung im September hatte der EZB-Rat signalisiert, dass der Zinsgipfel erreicht sein könnte – ohne sich aber festzulegen. Die EZB steckt in einem Dilemma: Die Inflation ist zwar deutlich auf zuletzt 4,3% gesunken, liegt aber immer noch klar oberhalb des EZB-Ziels von 2,0%. Zugleich nehmen aber Rezessionssorgen zu. Zusätzlich erschwert wird die Lage nun durch die Eskalation der Gewalt in Nahost.

Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau sagte nun am Donnerstag, dass das aktuelle Zinsniveau angemessen sei, um absehbar das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. „Monetäre Geduld ist jetzt wichtiger als Aktivismus", sagte er auf einer Konferenz am Rande der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Marokko. Ähnlich äußerte sich auch Portugals Notenbankchef Mario Centeno. Dagegen betonte Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann in Marrakesch, dass es keinen einfachen Weg zurück zu den 2,0% gebe. Zuvor hatte Holzmann bereits gesagt, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein könnten – etwa, falls der Nahost-Konflikt über höhere Ölpreise zu mehr Inflation führt.

Das am Donnerstag veröffentlichte Protokoll der EZB-Sitzung im September untermauerte, dass die da erfolgte Zinserhöhung eine knappe Entscheidung gewesen ist. Insgesamt spiegelt es eine hitzigere Debatte über die Inflation und die Leitzinsen wider. „Eine Pause bei der nächsten Sitzung scheint beschlossene Sache zu sein, aber eine Zinserhöhung im Dezember bleibt möglich“, sagte Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING. Die meisten Beobachter sehen mit 4,0% beim Einlagenzins den Zinsgipfel erreicht.

Unterdessen rückt auch der Abbau der EZB-Bilanz immer stärker in den Fokus. So sprach sich Belgiens Zentralbankchef Pierre Wunsch in einem Interview mit Bloomberg TV dafür aus, darüber zu diskutieren, die Reinvestitionen beim Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP schneller zurückzuführen als bislang avisiert – also nicht vor Ende 2024. Dagegen argumentierte Griechenlands Zentralbankchef Yannis Stournaras in einem Reuters-Interview erneut gegen einen vorzeitigen Stopp. Genauso hatte er sich jüngst im Interview der Börsen-Zeitung geäußert (vgl. BZ vom 21. September).

Zusätzliche Brisanz erhält die Debatte durch den jüngsten Anstieg der Renditen italienischer Staatsanleihen. Irlands Zentralbankchef Gabriel Makhlouf sagte in Marrakesch, dass die EZB das genau beobachte. "Was in Italien passiert, hat sowohl mit der Marktmeinung über das inländische Tail-Risiko der Politik zu tun als auch mit einer relativen Betrachtung Italiens im Vergleich zu anderen Ländern", sagte er. "Das ist etwas, auf das wir, die EZB, uns auf jeden Fall sehr konzentrieren werden.“ Die EZB sieht eine ungerechtfertigte Ausweitung von Spreads als Störung der geldpolitischen Transmission an.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte bei der IWF-Tagung in Marrakesch mit Blick auf den Nahost-Konflikt und mögliche Auswirkungen auf die Ölpreise: "Das erhöht natürlich die Unsicherheit der wirtschaftlichen Perspektive."

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