„Sur“

Gemeinsame südamerikanische Währung geplant

Die Präsidenten Argentinien und Brasilien treiben die Pläne für eine gemeinsame Währung voran. Das Vorhaben stößt aber nicht zuletzt bei der unabhängigen brasilianischen Notenbank auf große Skepsis.

Gemeinsame südamerikanische Währung geplant

af Buenos Aires

Argentinien und Brasilien treiben den Plan einer gemeinsamen Währung voran. In einer Erklärung schrieben die Präsidenten Argentiniens und Brasiliens, Alberto Fernández und Luiz Inácio Lula da Silva, am Wochenende: „Wir haben beschlossen, die Diskussionen über eine gemeinsame südamerikanische Währung voranzutreiben, die sowohl für Finanz- als auch für Handelsströme verwendet werden kann, wodurch die operativen Kosten und unsere externe Verwundbarkeit verringert werden.“

Dieses Vorhaben ist ein zentrales Thema auf der ersten Auslandsreise des neuen brasilianischen Staatschefs, der bis Mittwoch in Buenos Aires ist. Am Dienstag findet dort der Gipfel der CELAC statt, der Gemeinschaft von Staaten aus Lateinamerika und der Karibik ohne die USA, die 2010 gegründet worden war, als Gegengewicht zur OAS, die traditionell von Washington dominiert wurde. Dass nun ein Großteil des Kontinents, inklusive des Riesen Brasilien, wieder links der Mitte regiert wird, gibt der alten antiimperialistischen Fantasie einer geeinten „Patria Grande“ neuen Aufwind.

In diesem Zusammenhang eröffnete der argentinische Finanzminister Sérgio Massa der Zeitung „Financial Times“, dass Argentinien und Brasilien Studiengruppen für die Einführung einer Währung gebildet haben, die auf andere Länder in der Region ausgedehnt werden könnte – was impliziert, dass es hier um eine südamerikanische Version des Euro gehe, die den Namen „Sur“, also „Süden“, bekommen solle. Doch tatsächlich sind diese Verlautbarungen wohl eher Visionen für eine mittlere bis langfristige Zukunft. Selbst Massa wies darauf hin, dass Europa 35 Jahre gebraucht habe, um den Euro zu realisieren.

In Brasilia kam Massas offensichtlich nicht abgesprochener Vorstoß nicht sonderlich gut an, denn Lulas Regierung muss mangels eigener parlamentarischer Mehrheiten sehr vorsichtig kommunizieren. Zudem ist Brasiliens Zentralbank – anders als die argentinische – weitgehend unabhängig. Und sie hat bereits mehrere Vorstöße in Richtung einer Gemeinschaftswährung gebremst. Ein erstes solches Projekt kam bereits in der ersten Amtszeit Lulas auf, während der ersten „roten Welle“ in Lateinamerika. Es versandete ebenso wie ein Vorhaben der beiden liberalen Präsidenten Jair Bolsonaro und Mauricio Macri von 2019.

Nun, nach dem Wahlgewinn Lulas, begannen erneute Gespräche über den „Sur“. Diese bezogen sich allerdings auf die Schaffung einer digitalen Währung für finanzielle und kommerzielle Transaktionen. Diese soll bei der Exportfinanzierung, dem bilateralen Handel und dem Bau einer Gaspipeline aus Patagonien nach Südbrasilien zur Wirkung kommen. „Es wäre keine Währung, die die nationalen Währungen verdrängt, sondern eine, die speziell für bilaterale Handelsgeschäfte geschaffen wird“, sagte ein ranghoher argentinischer Diplomat, der an den Gesprächen mit Lulas Team beteiligt war, dem argentinischen Wirtschaftsblatt „El Cronista Comercial“.

Dass Finanzminister Massa das Thema nun so hoch gehängt hat, erklären einflussreiche Kreise in Brasilien mit den Finanznöten Argentiniens. Das Land wies 2022 eine Inflationsrate von 94,8 % auf. Massa dürfte auch eine persönliche Agenda verfolgen: Er gilt vor den Wahlen im Oktober als Anwärter auf die Nachfolge des glücklosen Fernández.