Verbraucherpreise

Inflation in Euroland zieht weiter an

Die Inflation im Euroraum steigt und steigt. Im September erreicht die Teuerung in Deutschland mit 4,1% nahezu ein 30-Jahres-Hoch. Auch in Frankreich und Italien nimmt der Preisdruck zu. Der Druck auf die EZB steigt.

Inflation in Euroland zieht weiter an

ms Frankfurt

Die Inflation in den drei größten Volkswirtschaften der Eurozone hat im September noch einmal spürbar zugenommen und mehrjährige Höchststände sowie im Fall Deutschlands sogar fast ein 30-Jahres-Hoch erreicht. Damit wird wohl auch die Inflationsrate für den gesamten Euroraum noch einmal einen deutlichen Satz machen – womöglich von zuvor 3,0% auf 3,3% oder mehr. Am heutigen Freitag gibt es dazu eine erste Schätzung. Das dürfte die Debatte über den ultralockeren Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter befeuern.

Attacken auf die Notenbank

Vor allem in Deutschland haben zuletzt die Sorgen über die seit Jahresbeginn deutlich und auch un­erwartet stark steigende Inflation sowie die Kritik an der EZB zugenommen. Die CSU hatte im Schlussspurt des Bundestagswahlkampfes sogar eine „Inflationsbremse“ für die EZB gefordert und indirekt die Unabhängigkeit der Notenbank attackiert. Die Euro-Hüter halten bislang daran fest, dass der aktuelle Inflationsanstieg nur vorübergehend sei. Die EZB unternimmt deshalb allenfalls zaghafte Schritte zur Normalisierung der Geldpolitik – anders als andere Notenbanken. EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnte am Dienstag vor einer geldpolitischen Überreaktion auf die hohe Inflation.

In Deutschland legte die Teuerungsrate im September nun auf 4,1% zu, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte – und das sowohl gemessen an dem für EU-Zwe­cke berechneten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) wie auch in nationaler Rechnung (VPI). Der HVPI hatte im August bei 3,4% und der VPI bei 3,9% gelegen. In nationaler Rechnung bedeuten die 4,1% den höchsten Stand seit Dezember 1993, als die Inflation – angefacht vom Wiedervereinigungsboom – bei 4,3% gelegen hatte.

Auch in Frankreich und Italien als den hinter Deutschland größten Euro-Volkswirtschaften legte die Inflation im September erneut zu. In Frankreich kletterte die EU-harmonisierte Rate von zuvor 2,4% auf 2,7%, wie das Statistikamt Insee am Donnerstag mitteilte. Das ist die höchste Rate seit 2011. In Italien lagen die Preise gemäß HVPI 3,0% höher als im Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Istat mitteilte. Das ist die höchste Rate seit 2012. Im August hatte der Zuwachs 2,5% betragen.

Haupttreiber für die Inflation waren im September in allen drei Ländern erneut die Energiepreise. Hintergrund ist insbesondere der dramatische Verfall des Ölpreises im Zuge der Coronakrise im Jahr 2020. Dieser Effekt wird nächstes Jahr aus der Statistik fallen. Auch deshalb setzt die EZB darauf, dass der Inflationsanstieg temporär ist. Allerdings schürt der anhaltende Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Stufen zunehmend Zweifel an dieser Sichtweise. Dieser Preisdruck erklärt sich insbesondere auch mit den Engpässen bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten (siehe Schwerpunkt auf Seite 7).

Die EZB ihrerseits steht jetzt im Herbst und Winter vor wegweisenden Diskussionen und Entscheidungen – vor allem zur Zukunft des 1,85 Bill. Euro umfassenden Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP, aber auch zur Zukunft der ultralockeren Geldpolitik generell. Lagarde hat für die Dezember-Sitzung entsprechende Beschlüsse avisiert. Unter den Notenbanken hat dabei das Ringen schon zugenommen: Die Hard­liner im EZB-Rat („Falken“) dringen auf ein zügiges Ende von PEPP und mahnen eine möglichst rasche Normalisierung der Geldpolitik an. Die „Tauben“ warnen dagegen vor Eile.

Irlands Zentralbankchef Gabriel Makhlouf sagte nun, die Euro-Hüter müssten bereit sein, auf eine anhaltend höhere Inflation zu reagieren, die sich aus dauerhaften Angebotsengpässen ergeben könnte: „Wir müssen sehr wachsam gegenüber den Risiken da draußen sein.“

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