Digitale Assets

Der Stablecoin-Markt birgt vielfältige Risiken

Stablecoins sollen eigentlich Wertstabilität gewährleisten und Anlegern Zeit und Geld sparen. Doch die Verwendung der Token bringt vielfältige Risiken mit sich.

Der Stablecoin-Markt birgt vielfältige Risiken

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Sie sollen das Krypto-Investment erleichtern, bergen aber vielfältige Risiken für den gesamten Markt für digitale Assets: Stablecoins stehen aktuell bei Anlegern und Aufsichtsbehörden im Fokus. Die Krypto-Token sind im Gegensatz zu Cyberdevisen wie Bitcoin eigentlich auf Wertstabilität ausgelegt und an Basiswerte wie den Dollar gekoppelt. Investoren nutzen sie, um Gewinne zu parken oder sich gegen die hohe Volatilität am Markt für digitale Assets abzusichern, ohne von der Kryptosphäre in die Welt der Fiatwährungen wechseln zu müssen – dies spart Zeit, Aufwand und Wechselgebühren. Doch der Stablecoin Terra USD (UST) hat die Bindung an den Greenback zuletzt vollständig verloren und stürzte auf einigen Handelsplattformen bis auf 5 Cent ab.

Bei UST handelt es sich um einen sogenannten algorithmischen Stablecoin. Der Wertstabilitätsmechanismus funktioniert also durch eine Verbindung zu einer Kryptowährung – in diesem Fall Luna, die native Cyberdevise der Terra-Blockchain. „Wenn der Marktwert von Luna 100 Dollar beträgt, können 100 UST gegen 1 Luna eingetauscht werden“, beschreibt Benjamin Dean, Direktor für digitale Assets beim Vermögensverwalter Wisdom Tree, den Prozess. „Wenn UST nicht mehr gekoppelt ist und mit 0,95 Dollar gehandelt wird, ist es trotzdem möglich, 100 UST gegen 1 Luna einzutauschen und den Luna für 100 Dollar zu verkaufen – ein risikofreier Gewinn von 5 Dollar.“ Auf diese Weise werde die Marktliquidität der wertinstabilen Kryptowährung zur Unterstützung des Stablecoin genutzt. Solange eine Nachfrage nach Luna bestehe, hielten Arbitrageure das System auf Kurs.

Probleme entstehen dagegen, wenn keine ausreichende Nachfrage nach der Cyberdevise mehr vorherrscht und zugleich eine größere Zahl an Marktteilnehmern ihre UST-Positionen liquidiert. In einer solchen Situation, einem „Coupon Curse“, komme es zu einer Kettenreaktion, in der eine wachsende Zahl an UST-Inhabern ihre Bestände abbauen wolle und der Wert der Stablecoins weiter sinke, führt Dean aus. Terra hält in der Stiftung Luna Foundation Guard (LFG) Kryptowährungen im Wert von mehreren Mrd. Dollar vor, um dem System bei solchen Turbulenzen Liquidität zuführen zu können. Zur Reserve zählen der größte Stablecoin Tether, Luna und Bitcoin. Im Zuge der jüngsten Verwerfungen war die LFG nun zunächst dazu gezwungen, diese Reserven anzuzapfen – in der Folge geriet auch Bitcoin deutlich unter Druck. Zudem führte der Preisverfall von Luna für Investoren mit gehebelten Positionen zu Nachschusspflichten.

„Die Folgen wurden auch in Form von Störungen bei anderen gekoppelten Stablecoins sichtbar“, sagt Dean. So verlor auch Marktprimus Tether kurzzeitig seine Kopplung an den Dollar. Allerdings ist es laut Wisdom Tree wichtig, nicht alle Stablecoins in einen Topf zu werfen. So werde Tether im Gegensatz zu UST zentral verwaltet. Allerdings erfolgt die Deckung beim größten Stable­coin nicht nur durch Cash-Reserven, sondern auch durch Commercial Papers und andere Papiere. Weil der Emittent ursprünglich behauptet hatte, Tether sei vollständig durch Dollar besichert, traten die US-Aufsichtsbehörden auf den Plan: So verdonnerte die Commodities Futures Trading Commission Tether Holdings Limited und ihre Schwestergesellschaften wegen Irreführung von Investoren im vergangenen Jahr zu Strafzahlungen von 41,5 Mill. Dollar.

Tether verliert Boden

Investoren fürchteten zeitweise sogar, dass Tether implodieren und damit zahlreiche Kryptobörsen die Existenz kosten sowie anhaltende Marktverwerfungen auslösen könnte. Denn der Stablecoin kommt täglich auf Handelsvolumen, die jene von Bitcoin weit übersteigen. Im Zuge der Streitigkeiten mit den Regulatoren hat Tether aber Boden an Konkurrenzangebote verloren. Nahm der Primus laut den Datenanbietern The Block und Coinmetrics Anfang 2021 noch 75% des gesamten Stablecoin-Angebotes ein, seien es inzwischen „nur“ noch 50%.

„Es gibt derzeit einen Kampf um Marktanteile, FTX USD zum Beispiel wächst rapide, ebenso wie der USD Coin von Circle“, sagt James Butterfill, Head of Research bei der Investmentgesellschaft Coinshares. Nach den jüngsten Turbulenzen im Segment stehe indes zu erwarten, dass die Anleger bei der Auswahl von Stablecoins viel kritischer würden. Die meisten Marktteilnehmer seien durchaus in der Lage, zwischen einem physisch unterlegten und einem algorithmischen Stablecoin zu unterscheiden – letztere seien für Investoren wohl vorerst ein rotes Tuch. „Algorithmische Stablecoins erfordern eine beträchtliche Marktbeteiligung, um das Vertrauen zu stärken, und keiner von ihnen ist auf relativer Basis besonders groß“, betont Butterfill. „In Anbetracht der jüngsten UST-Probleme werden sich viele Anleger vorerst für physisch unterlegte Stablecoins entscheiden, bis das Vertrauen und die Marktgröße zurückkehren.“

Zudem stellten digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) eine Bedrohung dar. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich forschen über 80% der Notenbanken an CBDCs, die private Stablecoins vom Markt verdrängen könnten. Denn bei Ersteren hätten die Investoren wenigstens Gewissheit über die Besicherung.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.