Sanktionen gegen Tornado Cash

Wirbel um Mischdienste für Krypto­währungen

Das US-Finanzministerium wirft dem Krypto-Mischdienst Tornado Cash vor, Hackern bei der Geldwäsche geholfen zu haben. In der Folge wächst die regulatorische Unsicherheit am Markt für Digital Assets.

Wirbel um Mischdienste für Krypto­währungen

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Am Markt für digitale Assets herrschen stürmische Zeiten – nun ist um eine bislang wenig bekannte Krypto-Dienstleistung noch zusätzlicher Wirbel entstanden. Denn das US-Finanzministerium hat in der vergangenen Woche Sanktionen gegen Tornado Cash verhängt, den wohl populärsten Anbieter sogenannter Krypto-Mixer. Diese Dienste sollen offiziell der Privatsphäre dienen, sie sammeln Cyberdevisen von Nutzern in einem Pool, wo sie gemischt und dann abzüglich einer Gebühr im Zufallsverfahren an von den Teilnehmern gewählte Adressen geschickt werden. So wird die Herkunft der geflossenen Mittel verschleiert.

Diese Funktion, so mahnen Kritiker, locke Cyberkriminelle an. Washington erhebt den Vorwurf, Tornado Cash werde vor allem von nordkoreanischen Cyberkriminellen zur Geldwäsche genutzt. Insbesondere die Hackergruppe Lazarus, die jährlich angeblich über 1 Mrd. Dollar erbeutet, steht dabei im Fokus – denn die von ihr gestohlenen Mittel sollen direkt in das Atomwaffenprogramm von Diktator Kim Jong-un fließen.

Laut der zum Finanzministerium gehörenden Kontrollbehörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) wurden über Tornado Cash seit der Gründung im Jahr 2019 insgesamt mehr als 7 Mrd. Dollar gewaschen. Im Zuge der Sanktionen werden alle Eigentumswerte oder Rechte an diesen Assets auf Tornado Cash, die in den Vereinigten Staaten liegen oder unter Kontrolle von US-Bürgern stehen, gesperrt. Hinzu kommen weitreichende Restriktionen in Bezug auf Zahlungen über Tornado Cash.

US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich ebenfalls in der Angelegenheit. Washington werde „weiterhin aggressiv gegen Währungsmixer vorgehen, die virtuelle Devisen für Kriminelle waschen“. Der zu Tornado Cash gehörende Token Torn brach in der Folge ein. Notierte er am 8. August, dem Tag der Bekanntgabe der US-Sanktionen, zu 30,35 Dollar, war er am Donnerstag noch 11,82 Dollar wert. Die Marktkapitalisierung aller umlaufenden Torn-Einheiten ist auf 13,2 Mill. Dollar gesunken, Ende Mai hatte sie bei 42,6 Mill. Dollar gelegen.

Schwere Vorwürfe

Mit seinem Vorgehen sanktioniert das US-Finanzministerium laut Experten erstmals keine natürliche oder juristische Person, sondern effektiv einen Smart Contract – also ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden und Transaktionen dezentral und automatisiert ausführen kann. Aus Sicht der Lobbygruppe Coin Center überschreitet das OFAC damit seine Kompetenzen und verletzt wohl in der Verfassung festgeschriebene Freiheitsrechte.

Die Exekutive müsse zwischen der Gesellschaft Tornado Cash und dem von ihr aufgelegten Krypto-Mixer unterscheiden – die Gesellschaft habe heute keine Kontrolle mehr über das autonome Protokoll und könne nicht darüber entscheiden, welche Nutzer sie annehme oder ablehne. Eine Verhaltensänderung, die das Ziel von Sanktionen sein müsse, sei hier also nicht möglich. Weil der Krypto-Mixer eben keine juristische oder natürliche Person sei, könne er nicht vor einem Bundesgericht gegen die Sanktionen klagen – und auch betroffene Drittparteien könnten in diesem Fall keine Petitionen einreichen. In der Folge könnten auch US-Bürger, deren Absichten rechtskonform seien, nicht auf Tornado Cash zugreifen, ihre auf der Anwendung hinterlegten Mittel seien nun gesperrt, ohne dass sie sich etwas zu Schulden kommen lassen.

Empörung ruft bei Krypto-Branchenvertretern in diesem Zusammenhang auch die Verhaftung des Tornado-Cash-Entwicklers Alexey Pertsev Ende der vergangenen Woche hervor, da diese nicht auf US-, sondern auf niederländischem Boden erfolgte. Kritiker sehen darin eine Eskalation im globalen Vorgehen von Vollstreckungsbehörden gegen dezentrale Protokolle. In Wahrheit ist zwar völlig unklar, ob das US-Finanzministerium mit der niederländischen Steuer- und Zollverwaltung in Kontakt stand und somit in die Verhaftung involviert war. Doch Krypto-Dienstleister zeigen sich verunsichert darüber, welche Digital-Assets-Angebote in verschiedenen Ländern noch legal sind.

So haben sich viele Branchenvertreter von Tornado Cash distanziert. Der Payment-Anbieter Circle fror über 75000 Einheiten seines Stablecoins USDC ein, die mit sanktionierten Adressen auf dem Krypto-Mixer in Verbindung standen. Die Blockchain-Netzwerkanbieter Alchemy und Infura blockieren den Zugang zu Tornado Cash, die Handelsplattform DYDX sperrt alle mit dem Mischdienst verbundenen Konten und der Software-Verwaltungsdienst Github löschte Accounts von mehreren Tornado-Cash-Programmierern.

Die Lobbyisten von Coin Center wollen sich nun dafür einsetzen, dass von den US-Sanktionen betroffene Individuen finanziell entlastet werden, und dafür den Kontakt mit der OFAC suchen. Anschließend wollen sie prüfen, ob sich die Strafmaßnahmen doch vor Gericht anfechten lassen. Die Aussichten auf Erfolg lassen sich kaum abschätzen. Allerdings haben sich auch andere US-Behörden wie die Börsenaufsicht SEC in Bezug auf die Krypto-Regulierung als unnachgiebig erwiesen und es in Auseinandersetzungen mit Dienstleistern durchaus auf Gerichtsprozesse ankommen lassen. Der Sturm am Markt für digitale Assets dürfte also vorerst weitertoben.

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