Geschäftsentwicklung

Die Kraft der Diversität macht sich bemerkbar

Je vielfältiger die Belegschaft, desto besser können Unternehmen Aufgaben aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten – das ist positiv für die Performance.

Die Kraft der Diversität macht sich bemerkbar

Immer mehr Studien belegen den positiven Einfluss der Einbindung von Diversität und Inklusion (D&I) auf die Geschäftsentwicklung. Je vielfältiger die Belegschaft – sei es mit Blick auf Geschlecht, Kultur, Generationen oder die ethnische und sozioökonomische Vielfalt –, desto besser sind Unternehmen befähigt, Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und besser zu performen als ihre weniger vielfältigen Pendants.

Eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2020 etwa zeigt, dass Firmen im obersten Quartil der geschlechtsspezifischen Vielfalt in Führungsteams mit 25% höherer Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Rentabilität erwirtschaften. Vor kurzem hat eine Untersuchung des Financial Reporting Council den direkten Zusammenhang zwischen Diversität und der künftigen Ertragslage belegt.

Dennoch schreitet diese Entwicklung nur sehr schleppend voran. Dies lässt nicht zuletzt die McKinsey-Studie erkennen, die deutlich macht, dass in allen untersuchten Regionen Frauen auf der Führungsebene spürbar unterrepräsentiert sind. Aus den Daten geht zudem hervor, dass Unternehmen in den USA und in Großbritannien beim derzeitigen Tempo 29 beziehungsweise 24 Jahre benötigen werden, um die Geschlechterparität bei den Führungskräften zu erreichen. Auf Vorstandsebene wird dies in den USA 18 und in Großbritannien 13 Jahre dauern. In den Schwellenländern präsentiert sich die Situation noch weitaus gravierender. Brasilien etwa benötigt 238 Jahre mit Blick auf die Führungsteams – und 27 Jahre, bis die Ge­schlechterparität in der Chefetage erreicht sein wird.

Nur ein Drittel der von McKinsey untersuchten Firmen hat in den vergangenen fünf Jahren nennenswerte Fortschritte bei der Vielfalt in den Top-Teams erzielt. In einigen Unternehmen hat sich die geschlechtliche und kulturelle Vertretung sogar zurückentwickelt. Um den Wandel zu beschleunigen, muss der Druck auf die Unternehmen erhöht werden, sich konkrete langfristige Ziele zu setzen. Zudem ist die Schaffung einer Kultur eine ernsthafte Pflicht, welche eine vielfältigere Belegschaft unterstützen würde.

Die Schwellenländer sind durch einen komplexen Mix aus D&I-Herausforderungen geprägt. Da es keine konkreten Rechtsvorschriften gibt, sind die Unterschiede zwischen den Ländern teils erheblich. China etwa hat zwar eine der höchsten Frauenerwerbsquoten weltweit, die Mitarbeiterstruktur ist jedoch überwiegend chinesisch geprägt. Saudi-Arabien hingegen verfügt über eine niedrige Frauenerwerbsquote, aber einen hohen Anteil ausländischer Arbeitskräfte an der Erwerbsbevölkerung. Kulturell betrachtet, gibt es in beiden Ländern eine vergleichsweise hierarchische Befehlsstruktur und relativ autokratische Entscheidungsprozesse, die sich von jenen im Vereinigten Königreich, in den USA oder Australien unterscheiden.

In Südafrika wird D&I stark durch die Gesetzgebung beeinflusst. Der Broad-Based Black Economic Em­powerment Act zielt darauf ab, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu beseitigen, die durch die Rassentrennung während des Apartheidsystems entstanden sind. Dieses Gesetz schreibt die Bewertung der Unternehmen anhand einer sogenannten Empowerment-Scorecard vor, die über die Teilnahme an Ausschreibungen und die Beantragung von Lizenzen entscheidet.

Angesichts der Studien, die auf den geringen Frauenanteil hinweisen, wird D&I in Japan immer mehr zu einem wichtigen Thema. Ein essenzieller Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Überarbeitung des Corporate Governance Code in Japan im Jahr 2021. Danach sollen Unternehmen zur Sicherstellung der Diversität „ihre Richtlinien und freiwilligen und messbaren Ziele zur Sicherstellung der Vielfalt bei der Beförderung von Kernpersonal, wie die Beförderung von Frauen, ausländischen Staatsangehörigen und Mitarbeitern mit mittlerer Laufbahn in mittlere Führungspositionen, darlegen und ihren Status offenlegen“.

Die Abe-Regierung in den 2010er Jahren hatte eine Arbeitsreform eingeführt, die flexibleres Arbeiten, Verträge auf der Grundlage von konkreten Stellenbeschreibungen und die Möglichkeit für Arbeitnehmer, einen Nebenjob auszuüben, umfasst. Abe förderte darüber hinaus die Einbeziehung von Frauen als langfristige Lösung für den Arbeitskräftemangel. So konnten viele Unternehmen weiblichen Angestellten, die nach der Geburt eines Kindes gekündigt hatten, die Möglichkeit geben, in denselben Rang zurückzukehren, den sie vor der Kündigung innegehabt hatten. Diese Veränderungen haben zwar zu einer stärkeren Vertretung von Frauen auf breiterer Unternehmens-, Geschäftsführungs- und Vorstandsebene beigetragen, aber der Weg dorthin ist noch weit. Aktuell liegt der Frauenanteil in der Vorstandsetage bei nur 12,6%.

Das Spektrum der Rechtsvorschriften und Handlungsempfehlungen in Europa ist breit gefächert und variiert zwischen West- und Osteuropa. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament einigten sich im Juni vergangenen Jahres auf ein Gesetz, das börsennotierte Unternehmen bis zum Jahr 2026 dazu verpflichtet, 40% der nicht geschäftsführenden Direktoren oder ein Drittel des gesamten Vorstands einem unterrepräsentierten Geschlecht zuzuordnen. Spanien, Frankreich, Norwegen und Italien haben sogar eine 40-%-Zielvorgabe für Vorstände eingeführt.

Der Erfolg fiel unterschiedlich aus: In Frankreich und Italien sind deutliche Verbesserungen zu verzeichnen, während Spanien nicht mit den Fortschritten Schritt halten konnte – was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine Strafmaßnahmen bei Nichteinhaltung gibt. Norwegen, das erste europäische Land, das 2006 eine Quote für die Geschlechtervielfalt einführte, verzeichnete innerhalb von zwei Jahren einen raschen Anstieg von 29 auf 44%. Obwohl Norwegen bereits einen hohen Ausgangswert hatte, unterstreicht dieser Anstieg die positiven Auswirkungen, die eine umsetzbare Quote haben kann. Zwar gibt es mit Polen einen Vorreiter in Osteuropa, doch zugleich bleiben zu viele Nachzügler. Dies verdeutlicht den Spielraum für Verbesserungen in der Region, aber auch die Herausforderungen, die sich stellen.

In Großbritannien hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde sehr ehrgeizige Ziele für die Vorstände der im FTSE-350-Index vertretenen Unternehmen festgelegt:

einen Frauenanteil von mindestens 40 statt bisher 33%,

ein Mitglied, das einer nichtweißen ethnischen Minderheit angehört,

mindestens eine Frau in der Position des Vorsitzenden, des Chief Executive, des Finance Officer oder des Senior Independent Director.

Diese Ziele sind sicherlich ambitioniert, da Großbritannien mit einem Frauenanteil von 30,1% derzeit hinter den meisten europäischen Indus­trieländern hinterherhinkt.

In den USA verpflichtet die Nasdaq Diversity Rule die Führungsgremien, über die demografische Zusammensetzung der Boards zu berichten. Bis 2026 sollen mindestens zwei Vorstandsmitglieder die Kriterien für Diversität erfüllen. Sollte diese Quote nicht erreicht werden, müssen die Manager offenlegen, warum sie diese Vorgabe nicht erzielt haben.

Die Technologiebörse Nasdaq war die erste US-Börse, die derartige Anforderungen eingeführt hatte. Umso interessanter wird zu beobachten sein, ob andere amerikanische Börsen folgen werden. Auf nationaler Ebene wurden keine Quoten für die Präsenz von Minderheiten in den Aufsichtsräten von Unternehmen festgelegt. Doch gibt es eine Offenlegungsvorschrift der Börsenaufsichtsbehörde SEC, die eine Berichterstattung über das Personalmanagement vorschreibt. In einigen Bundesstaaten wie Kalifornien und Washington, wo Quoten eingeführt wurden, um die Diversität zu erhöhen, gibt es jedoch Abweichungen. Viele andere US-Bundesstaaten scheinen ihrem Beispiel zu folgen. Die Art und Weise, wie diese Staaten in dieser Frage sowie in Bezug auf andere soziale Faktoren polarisieren, ist indes sehr beunruhigend.