IPO

Bewertungsfall Porsche AG

Die Bewertung des Börsenaspiranten Porsche AG ist eine offene Flanke des Emittenten aus Stuttgart. Denn aufgrund der Baisse an den Börsen unterliegt eine „faire“ Bewertung hohen Schwankungsrisiken.

Bewertungsfall Porsche AG

Von Stefan Kroneck, München

Bei geplanten Börsengängen stellt sich für die Emittenten und die sie begleitenden Investmentbanken die Kardinalfrage der „fairen“ Unternehmensbewertung. Im Fall der Porsche AG ist das eine noch offene Frage. Denn der Absturz der weltweiten Börsen aufgrund der gewachsenen Unsicherheit an den Märkten trägt dazu bei, dass auch mit Blick auf den „inneren“ Wert des Sportwagenbauers Volatilitäten herrschen.

Das heißt, die Baisse sorgt für hohe Schwankungsrisiken bei der Bewertung des Börsenaspiranten aus Stuttgart-Zuffenhausen. Die Bewertungsspannen werden umso größer, je deutlicher die Ausschläge an den Aktienmärkten mit Blick auf den angepeilten Termin fürs Initial Public Offering (IPO) der Edelmarke zunehmen. Das wirkt sich unmittelbar auf die Preisfindung für die neu emittierende Aktie aus. Für den Mutterkonzern Volkswagen und die Unternehmensfamilien Porsche und Piëch gliche das einem Vabanquespiel.

Nach derzeitigem Stand ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Porsche AG auf eine Bewertung kommt, die noch im vergangenen Jahr – also vor Beginn der massiven Kurskorrekturen an den Börsen – am oberen Ende der seinerzeit geschätzten Spanne von 60 Mrd. bis 90 Mrd. Euro lag. Konfus wird es, wenn man als Vergleichsmaßstab den Luxussportwagenhersteller Ferrari für das VW-Kronjuwel heranzieht. Der börsennotierte profitabelste Autobauer der Welt kommt an der Borsa Italiana auf eine Bewertung von 36 Mrd. Euro. Das entspricht dem 8,4-Fachen des Jahresumsatzes (Stand 2021).

Utopischer Betrag

Übertragen auf die Porsche AG würde dieser Faktor bedeuten, dass der mehr als siebenmal so große schwäbische Börsenaspirant es auf bis zu 278 Mrd. Euro brächte – ein utopischer Betrag. Nimmt man das Eigenkapital als Messgröße, wird es noch unrealistischer. Der Marktwert von Ferrari entspricht dem 16-Fachen des Eigenkapitals (vgl. Grafik).

Das ungünstige Marktumfeld und die Rechenbeispiele zeigen, dass bei der Porsche AG ein deutlicher Preisabschlag zu erwarten ist, wenn die Eigentümer tatsächlich einen Schritt aufs Handelsparkett im Schlussquartal 2022 wagen sollten. Gleichwohl lässt die Stabilität der Konzernbilanz keinen Zweifel darüber aufkommen, dass es sich bei der Porsche AG um ein kerngesundes Unternehmen handelt. Das Eigenkapital von nahezu 23 Mrd. Euro entspricht gut 45 % der Konzernbilanzsumme. Bei Ferrari sind es 32 %.

Als Lockmittel für Investoren spielen Vorstandschef Oliver Blume und Finanzvorstand Lutz Meschke die Karte des gut laufenden operativen Geschäfts aus. Und in der Tat verfügen die Stuttgarter auf diesem Feld über einen Trumpf, denn sie erweisen sich wie Ferrari als krisenresistent. Während die Pkw-Auslieferungen derzeit vor allem bei Volumenherstellern einbrechen, fahren Edel- und Luxusmarken ungestört von Absatzrekord zu Absatzrekord. Im vergangenen Jahr steigerte der Nischenplayer Ferrari seine Auslieferungen um 22 % auf über 11000 Einheiten. Die Porsche AG verzeichnete ein Plus von 11 % auf 302 000 Stück.

Das Luxuskonzept zahlt sich offensichtlich für beide Unternehmen aus. Kein Wunder also, dass Blume dafür trommelt, die eingeschlagene Ausrichtung im Zeitalter der Elektromobilität zu intensivieren.

Die Strategien von Ferrari und der Porsche AG basieren auf einem empirisch belegten Ansatz der Volkswirtschaftslehre. Es handelt sich um das Phänomen des Engelkurveneffekts: Je höher die Preise für knappe Güter mit einem ohnehin hohen Markenwert sind, desto größer ist die Nachfrage nach diesen.

In der von der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg dominierten Gegenwart zeigt sich dieser Effekt in seiner Extremform, wie etwa die Lage der Luxusautobauer verdeutlicht. Die Preiselastizität der Nachfrage von finanziell gut betuchten Personen ist gleich null. Das heißt, diese privaten Haushalte reduzieren nicht ihre Konsumausgaben wegen exogener Schocks wie die Covid-19-Seuche und Russlands Angriffskrieg. Im Gegenteil: Sie dürften ihre Ausgaben sogar erhöhen.

Phänomen der Psychologie

In der Psychologie nennt man Letzteres Kompensation. Das heißt, Menschen neigen dazu, wachsenden Druck von außen mit mehr Aktivitäten in anderen, für diese gewohnten Bereichen (zum Beispiel Arbeit oder Freizeit) zu kompensieren. Die Mittelschicht – ärmere Bevölkerungsgruppen fallen sowieso heraus – kann sich diesen Luxus aber nicht leisten. In Krisen fährt diese Schicht ihre Konsumausgaben herunter. Das heißt, die Preiselastizität ihrer Nachfrage tendiert Richtung 1. Das schlägt dann bei den Volumenproduzenten im Massengeschäft voll durch, wie die gleichnamige Pkw-Kernmarke des Wolfsburger Dax-Schwergewichts zeigt.

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