VCI

Chemieindustrie mit düsteren Perspektiven

Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie bleibt für 2022 wegen steigender Energiekosten und des Ukraine-Kriegs vorsichtig.

Chemieindustrie mit düsteren Perspektiven

Frankfurt
x
dpa-af

Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie bleibt für 2022 wegen steigender Energiekosten und des Ukraine-Kriegs vorsichtig. „Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übrig geblieben“, sagte VCI-Präsident Christian Kullmann mit Blick auf die konjunkturelle Lage der Branche am Dienstag in Frankfurt. Die Perspektiven seien wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten „zunehmend düster“. Zudem drosselten industrielle Kunden wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellten weniger Chemikalien. Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätten zusätzliche verheerende Auswirkungen, warnte er.

Wegen der unabsehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Null-Covid-Strategie Chinas gibt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) keine quantitative Einschätzung zur Entwicklung der Branche im Gesamtjahr ab. Mitte März hatte er seine Prognose zurückgezogen.

In den kommenden Monaten werde sich die Weltwirtschaft weiter abkühlen, hieß es im Quartalsbericht. Die hohe Inflation belaste Konsum und Investitionen. Zudem werde die Geldpolitik wegen der hohen Inflationsraten in vielen Ländern restriktiver. Dies erhöhe die Rezessionsgefahr. Deshalb rechnet der Verband für das deutsche Chemiegeschäft in den kommenden Monaten mit weiteren Dämpfern. Ob die Perspektiven sich zum Jahresende wieder verbessern, sei ungewiss. Die Unternehmen sorgten sich um die Versorgungssicherheit bei Öl und Gas sowie um die weitere Entwicklung in China. Damit dürfte im Gesamtjahr das Produktionsniveau des Vorjahres kaum zu erreichen sein, hieß es.

Die Chemie gehört zu den energieintensiven Branchen und ist stark vom Ölpreis abhängig. Ein Fass Rohöl kostete im ersten Jahresviertel im Schnitt fast 99 Dollar pro Barrel – gut 63% mehr als im Vorjahr. Der Preis von Naphtha, dem wichtigsten Rohstoff der Chemieindustrie, verteuerte sich ähnlich stark. Europäisches Erdgas habe im März einen Spitzenwert von fast 220 Euro pro Megawattstunde erreicht, im Schnitt kostete es in den Monaten Januar bis März den Angaben zufolge rund 100 Euro je Megawattstunde.

Der Umsatz der drittgrößten deutschen Industriebranche kletterte im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal dank der kräftig gestiegenen Verkaufspreise zwar um 7,8% auf 66,3 Mrd. Euro. Die Produktion stieg im Quartalsvergleich jedoch nur dank der Pharmaindustrie um 1,3%, die reine Chemieproduktion verringerte sich hingegen um 1,1%. Dabei habe vor allem die Fein- und Spezialchemie unter Materialknappheit, Logistikproblemen und den sprunghaft gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten gelitten, hieß es.

Die Chemie- und Pharmabranche hatte 2021 ein Rekordjahr erlebt. Mit der Erholung vom ersten Coronajahr 2020 stieg der Umsatz um 19% auf 227 Mrd. Euro. Die Produktion legte um 5% zu. Zuletzt beschäftigte die Branche 473000 Menschen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.