Luftverkehr

Lufthansa kämpft sich aus dem Tal der Tränen

Trotz Flugchaos und Streikfolgen: Mit einem Turnaround im zweiten Quartal lässt die Lufthansa die Pandemie allmählich hinter sich. Angesichts deutlich steigender Durchschnittserlöse stellt die Airline fürs Gesamtjahr einen Betriebsgewinn von mehr als 500 Mill. Euro in Aussicht.

Lufthansa kämpft sich aus dem Tal der Tränen

hei Frankfurt

Die Deutsche Lufthansa wird trotz der „andauernden Herausforderung“ durch einen „ungeahnten Hochlauf“ der Flugnachfrage fürs laufende Jahr deutlich optimistischer. Mit einem Betriebsgewinn (Adjusted Ebit) von „über 500 Mill. Euro“ wagt der Vorstand nach dem Ende des ersten Halbjahrs nun erstmals eine konkrete Ergebnisprognose. Die Börse zeigte sich erfreut und stufte die Lufthansa-Aktie um nahezu 5 % höher.

Dabei will die Airline unter anderem „irreguläre Ausgaben“ von 450 bis 500 Mill. Euro verdauen, die infolge von Rückerstattungen für Flugausfälle und Streikfolgen entstehen dürften, wie Finanzvorstand Remco Steenbergen in einer Telefonkonferenz betonte. Konzernchef Carsten Spohr ist dennoch zuversichtlich. Zum einen hofft er, dass die schmerzlichen umfangreichen Flugstreichungen dazu beitragen, das „komplexe System Luftverkehr“ im weiteren Verlauf des Sommers zu stabilisieren, zum anderen geht er davon aus, Störungen durch Streiks eindämmen zu können. Für die laufenden Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi gibt sich der Lufthansa-Chef „zuversichtlich für eine Einigung“. Auch mit den Piloten hofft Spohr auf eine Lösung des Konflikts. Insgesamt wolle die Lufthansa nach dem Überlebenskampf in der Pandemie ihre Aufmerksamkeit jetzt auf das Personal und die Produktqualität richten, versprach der Manager. Spohr hatte bereits zuvor eingeräumt, in der Pandemie möglicherweise zu viel Personal abgebaut zu haben. Ein erhöhter Krankenstand hatte die Engpässe in der Urlaubszeit verschärft. Insgesamt musste die Lufthansa bisher schon 7 000 Flüge streichen.

Der Konzern rechnet nun im Gesamtjahr mit einer Kapazität von 75 % des Vorkrisenjahres 2019, im traditionell reisestärksten dritten Quartal sollen 80 % angeboten werden. Spohr kann der teilweise unfreiwilligen Angebotsverknappung, die auch mit Lieferschwierigkeiten von Boeing zu tun hat, jedoch auch Gutes abgewinnen. Denn die Durchschnittserlöse (Yields) dürften sich damit auf einem anhaltend hohen Niveau bewegen. Im zweiten Quartals lagen die Yields um ein Viertel über dem Vorjahreszeitraum und um 10 % höher als im Vergleichszeitraum 2019. Gestützt werden sie laut Spohr durch eine insgesamt höhere Zahlungsbereitschaft und vor allem durch ein ungeahntes Comeback des lukrativen Geschäftsreisesegments. Spohr geht davon aus, dass die „Kapazitätsdisziplin“ und entsprechend höhere Yields, die auch die Inflation überkompensieren, sich auch über 2023 erstrecken werden. Damit sollte auch das wichtige Passagiergeschäft wieder an alte Ertragsstärke anknüpfen.

Im zurückliegenden zweiten Quartal sorgte der anhaltende Rekordflug der Lufthansa Cargo mit einem Adjusted Ebit von 482 (326) Mill. Euro für die Rückkehr der Gruppe in schwarze Zahlen. Die Passagier-Airlines verharrten mit insgesamt −86 Mill. Euro in der Verlustzone, während die Lufthansa Technik, bei der ein Teilverkauf oder IPO geplant ist, von der anziehenden Wartungsnachfrage profitierte und 100 Mill. Euro Gewinn machte.

ITA-Verkauf binnen „Tagen“

Steenbergen hob die finanziellen Fortschritte des Konzerns hervor. Die starke Buchungsnachfrage hat den operativen Cashflow im Berichtsquartal auf 2,95 Mrd. Euro in die Höhe geschraubt, der Adjusted Free Cashflow landete nach Abzug der Investitionen bei 2,12 Mrd. Euro. Daher konnte die Lufthansa auch die Nettoverschuldung deutlich um 2,6 Mrd. auf 6,4 Mrd. Euro zurückfahren. Laut Steenbergen muss der Konzern in den kommenden 18 Monaten bisher 1,6 Mrd. Euro refinanzieren. Die Liquidität schwoll mit 11,4 Mrd. Euro deutlich über die angestrebte Range von 6 bis 8 Mrd. Euro hinaus an. Größere Mittelabflüsse sind nicht in Sicht. Allerdings hofft die Lufthansa weiterhin auf den Zuschlag für die Alitalia-Nachfolgerin ITA, die Italien zum Verkauf gestellt hat. Informationen aus Rom zufolge hat das Konsortium aus Lufthansa und der Reederei MSC rund 800 Mill. Euro geboten. Die Konkurrenz aus Air France und dem Finanzinvestor Certares soll weniger bieten, will jedoch dem italienischen Staat 40 % der Anteile lassen; Lufthansa und MSC wollen 80 % an ITA übernehmen. Dem Vernehmen nach soll die Entscheidung in Rom „in den nächsten Tagen“ fallen. ITA braucht unterdessen noch eine frische Finanzspritze von 400 Mill. Euro.

Deutsche Lufthansa
Konzernzahlen nach IFRS
1. Halbjahr
in Mill. Euro20222021
Umsatz138255771
Operative Kosten149648270
 Treibstoff3138692
Adjusted Ebitda*930−750
Adjusted Ebit*−198−1875
Konzerngewinn−325−1805
Adjusted Free Cashflow2902−571
*) Non-IFRS Börsen-Zeitung
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