Autoindustrie

Volkswagen erwartet bessere Chip­versorgung

VW erwartet im zweiten Halbjahr eine sich verbessernde Versorgung mit Komponenten. Verglichen mit Wettbewerbern, die Prognosen angehoben haben, zeigen sich die Wolfsburger aber vorsichtiger.

Volkswagen erwartet bessere Chip­versorgung

ste Hamburg

Nach der Ankündigung Ende vergangener Woche, dass Vorstandschef Herbert Diess zum 1. September durch Porsche-CEO Oliver Blume an der Konzernspitze abgelöst werde, hat sich Volkswagen am Donnerstag zuversichtlicher zur Entwicklung von Umsatz und operativem Ergebnis (Ebit) im laufenden Geschäftsjahr geäußert. Konzernfinanzvorstand Arno Antlitz bestätigte die im März genannten Zielspannen für 2022. Mit Verweis auf eine sich entspannende Versorgungslage und das gute erste Halbjahr hält man es in Wolfsburg aber inzwischen für möglich, dass die Erlöse, die im vergangenen Turnus bei 250 Mrd. Euro lagen, das obere Ende des Wachstumskorridors von 8 bis 13% erreichen. Zudem wird die Ebit-Marge nun am oberen Rand der avisierten Spanne zwischen 7 und 8,5 (i. V. 8,0)% erwartet.

Europas größter Fahrzeugbauer verbuchte im zweiten Quartal zwar einen weiteren Rückgang der Auslieferungen um weltweit 22,4% auf 1,98 Millionen Fahrzeuge – nach einem Minus von 21,9% in den ersten drei Monaten. Doch geht man bei Volkswagen nach einer Erholung des monatlichen Absatzes gegen Ende des zweiten Quartals von einer positiven Entwicklung im zweiten Halbjahr aus. Die für das Gesamtjahr prognostizierte Wachstumsspanne von 5 bis 10% gilt weiterhin, auch wenn der Konzern inzwischen das untere Ende für wahrscheinlich hält.

Die aktuelle Umsatz- und Ergebnisprognose beruht nach Rückkehr der infolge des Russland-Ukraine-Kriegs gestörten Versorgung mit Kabelbäumen auf ein weitgehend normales Niveau auf der Erwartung, dass sich der Produktmix im zweiten Halbjahr normalisieren wird. Dabei wird von einer weiteren Verbesserung der Halbleiter-Versorgung ausgegangen. Der Konzern unterstellt auch, dass ein weiterer großer Lockdown im größten Einzelmarkt China, wo die Fahrzeugauslieferungen im Juni um 27% anzogen und VW Antlitz zufolge wieder Marktanteile gewinnen konnte, ausbleibt. Diese Faktoren, so der CFO weiter, sollten zu einer steigenden Produktion führen. Die Wolfsburger, die davon ausgehen, auch 2023 von dem derzeit hohen Auftragsbestand zu profitieren, wollen nach dem Start der E-Fahrzeug-Produktion in Emden, Hannover und im US-Werk Chattanooga in diesem Jahr den E-Fahrzeug-Anteil ausbauen – der E-Fahrzeug-Anteil an den Auslieferungen soll 2022 auf 7 bis 8 (5,1)% steigen.

Dass trotz des Rückgangs der weltweiten Auslieferungen die Erlöse des VW-Konzerns im zweiten Quartal um 3,3% auf 69,5 Mrd. und im ersten Halbjahr um 2% auf 132,3 Mrd. Euro anzogen, lag unter anderem an besseren Verkaufspreisen, aber mit 4,7 Mrd. Euro im Halbjahr auch an der Einbeziehung des übernommenen US-Nutzfahrzeugherstellers Navistar seit 1. Juli 2021. Finanzchef Antlitz betonte in einer Telefonkonferenz die starke Produktsubstanz, man werde bei „Incentives“ in allen Regionen diszipliniert bleiben.

Das um Sondereinflüsse aus dem Dieselskandal bereinigte Ebit schrumpfte im zweiten Quartal zwar um knapp 27% auf 4,7 Mrd. Euro. Dabei wogen allerdings Bewertungseffekte vor allem für die Rohstoffabsicherung schwer: Sie schlugen von April bis Juni mit 2,4 Mrd. Euro zu Buche, nachdem das Ergebnis des ersten Quartals noch von 3,5 Mrd. Euro positiven Fair-Value-Bewertungen, insbesondere aus Sicherungsgeschäften, profitiert hatte. Ohne diese Belastung hätte das Ebit, wie die Schweizer Großbank UBS hervorhob, bei 10,1 Mrd. Euro gelegen, die Ebit-Marge bei 10,2% – anstatt bei 6,8 (9,7)%. Getragen wurde das Ergebnis unter anderem durch den Börsenkandidaten Porsche, dessen Umsatzrendite im ersten Halbjahr 19,4 (16,9) % erreichte, im zweiten Quartal sogar 20,9 %. Die Vorbereitungen für den im vierten Quartal erwarteten Börsengang der Sportwagentochter, die im Gesamtjahr eine Marge zwischen 17 und 18 % anstrebt, würden „mit noch mehr Nachdruck als zuvor“ vorangetrieben, so Antlitz.

Eine Entscheidung über den Börsengang soll im Spätsommer fallen. Während von den Pkw-Marken des Konzerns einzig die spanische Marke Seat, die im Juni Restrukturierungskosten von 244 Mill. Euro verbuchte, rote Zahlen schrieb, stützte auch die Kernmarke VW Pkw nach dem Verlassen der Verlustzone in Nord- und Südamerika, einer verbesserten Modell- und Preispolitik sowie Fixkostendisziplin die Konzernrendite. Für das zweite Quartal steht eine Marge von 7,3 % zu Buche, für das erste Halbjahr 5,6 (3,4) %. Die Marke, die 2023 ein Mittelfristziel von 6 % erreichen will, erwartet im laufenden Jahr nun eine Marge von 4 bis 5 % – nach bislang bis zu 4 %.

Die VW-Vorzugsaktie, zuletzt auch infolge der Ankündigung der Wechselpläne für die Konzernspitze und der geplanten Doppelrolle von Blume unter Druck, legte am Donnerstag um bis zu 4,3% auf 136,36 Euro zu. Finanzvorstand Antlitz, der zur Entlastung des künftigen Konzernchefs im Alltagsgeschäft auch Chief Operating Officer wird, erklärte, man habe zusammen mit einem externen Berater robuste Vorkehrungen getroffen, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Die genaue Aufteilung der Aufgaben an der VW-Konzernspitze nach dem Ausscheiden von Diess ist nach Angaben von Antlitz noch nicht im Detail geklärt.

Volkswagen
Konzernzahlen nach IFRS
1. Halbjahr    
in Mill. Euro20222021
Umsatz132 285129 669
Operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen13 18811 358
Sondereinflüsse−3600
Operatives Ergebnis12 82811 358
Ergebnis vor Steuern14 03411 153
Ergebnis nach Steuern10 6388 454
F&E-Quote (%)18,57,2
Operativer Cashflow * 13 60419 088
Sachinvest.-Quote (%)*3,73,5
Netto-Cashflow *2 29310 191
Nettoliquidität *28 20935 048
Beschäftigtenzahl (Tsd.)668,0672,8
*) Konzernbereich AutomobileBörsen-Zeitung
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