Wohnungsmarkt

Vonovia und Deutsche Wohnen rücken zusammen

Der deutsche Wohnimmobilienmarkt wird aufgemischt. Mit mehr als 500 000 Wohnungen entsteht aus dem Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen hierzulande der mit weitem Abstand größte Vermieter.

Vonovia und Deutsche Wohnen rücken zusammen

ab Köln – Fünf Jahre nach dem gescheiterten Übernahmeversuch scheint Deutschlands größtem Vermieter Vonovia doch noch die Übernahme von Deutsche Wohnen (DW) zu gelingen. Zusammen bringen es die beiden größten deutschen Vermieter künftig auf mehr als 500 000 Wohnungen. Vonovia bietet den Aktionären der DW 52 Euro je Aktie, wie mitgeteilt wird. Allerdings legen die Bochumer die Latte angesichts einer Mindestannahmeschwelle von 50% recht niedrig.

Bevor das Übernahmeangebot Mitte Juni offiziell auf den Tisch kommt, erhalten die DW-Aktionäre noch die Dividende für 2020 von 1,03 Euro je Aktie. Diese eingerechnet lässt sich Vonovia die Übernahme 18 Mrd. Euro oder 53,03 Euro je Aktie kosten. Das entspricht einer Prämie auf den Schlusskurs vom 21. Mai von 18 %. bzw. von 25 % auf den volumengewichteten Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Es handelt es sich um die größte Übernahme auf dem europäischen Immobilienmarkt aller Zeiten. Inklusive der zu übernehmenden Schulden (netto: 11,8 Mrd. Euro) ist von einem Transaktionsvolumen von 28,4 Mrd. Euro die Rede.

Die Brückenfinanzierung von knapp 22 Mrd. Euro stellen Morgan Stanley, Société Générale und Bank of America bereit. Gut ein Drittel dieses Betrags will Vonovia über die Emission frischen Eigenkapitals finanzieren. Weitere 6 bis 8 Mrd. Euro wollen die Bochumer am Bondmarkt einsammeln, wie aus der Präsentation zu der Transaktion hervorgeht. Die Transaktionskosten werden mit 0,6 Mrd. Euro veranschlagt. Deutsche Wohnen ließ sich von J.P. Morgan, UBS und Goldman Sachs beraten. Konkret plant Vonovia in der zweiten Jahreshälfte – mit dem Abschluss der Übernahme wird bis Ende August gerechnet – eine Bezugsrechtsemission im Volumen von bis zu 8 Mrd. Euro. Ein entsprechender Vorratsbeschluss ist vorhanden, die Vonovia-Aktionäre müssen also nicht explizit zustimmen.

Geteiltes Echo

Die Fusionspläne der beiden Dax-Unternehmen fielen an der Börse auf ein geteiltes Echo. Während die Aktie der Deutsche Wohnen in der Spitze um über 16 % auf 52,38 Euro in die Höhe schnellte und damit nahe an den in Aussicht gestellten Übernahmepreis heranreichte, gaben Vonovia in der Spitze um 6,8 % nach. Zusammen bringen es die Wohnungskonzerne auf eine Marktkapitalisierung von über 46 Mrd. Euro.

Grünes Licht bekam Vonovia von den Ratingagenturen. Moody’s nahm die Bewertung mit „A3“ bei stabilem Ausblick auf. Von Standard & Poor’s wird eine Bestätigung der Bonitätsnote von „BBB+“ erwartet.

Das Synergiepotenzial, das bis Ende 2024 realisiert werden soll, wird auf 105 Mill. Euro taxiert. Neben dem gemeinsamen Einkauf geht es dabei um die Nutzung der Leistungen der Handwerkerorganisation von Vonovia und die weitere Standardisierung bei Modernisierung und Instandhaltung. Zusammen seien die Unternehmen besser aufgestellt, um neue Lösungen gerade bei der energetischen Sanierung zu erarbeiten – nicht nur für den eigenen Bestand, sondern auch als Angebot an Dritte, ist Vonovia-Chef Rolf Buch überzeugt.

Im Zuge der energetischen Sanierung zum Erreichen der Klimaziele werde sich auch der europäische Markt weiterentwickeln. „Künftig sind wir mit noch mehr Kraft auf europäischer Ebene unterwegs“, sagte Buch, der die europäische Marktführerschaft nicht aus dem Blick verliert. Die beiden Fusionspartner kündigten zudem an, bis Ende 2023 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.

Zur Finanzierung will Vonovia gemäß den Unterlagen auch bis zu 25 000 Wohnungen und Entwicklungsprojekte verkaufen. Dabei geht es um lokale Märkte, auf denen die Bochumer heute schon einen großen Marktanteil haben. Gleichwohl macht sich Buch um die kartellrechtliche Freigabe keine Sorgen. Denn mit einem Bestand von gut 500 000 Wohnungen bringt es der fusionierte Konzern auf einen Marktanteil von weniger als 3 %. Selbst in Berlin sei der kommunale Sektor doppelt so groß wie der Bestand des fusionierten Unternehmens.

An einem Strang ziehen

Anders als vor fünf Jahren lanciert Vonovia die Offerte diesmal mit Unterstützung von Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen. In der Vergangenheit hätten beide Seiten viel Energie in das gegeneinander gesteckt, jetzt werde an einem Strang gezogen, sagte DW-Chef­ Michael Zahn und lobte das Übernahmeangebot als fair.

Ohne Frage dürften die wachsenden regulatorischen Vorgaben der Politik zum Einlenken beigetragen haben. Gerade in Berlin, wo mehr als 70 % des Wohnungsbestands von Deutsche Wohnen liegt, ist der Widerstand gegen die großen Wohnungsunternehmen groß. Derzeit sammelt ein Volksbegehren Unterschriften für die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.

Um die Debatte um bezahlbaren Wohnraum zu entschärfen, machen die Fusionspartner Zugeständnisse. So haben sich die Unternehmen freiwillig verpflichtet, die Bestandsmieten in Berlin in den kommenden drei Jahren um höchstens 1% zu erhöhen. In den Jahren 2025 und 2026 soll die Mietsteigerung auf den Inflationsausgleich begrenzt werden.

Zudem haben sich die Unternehmen verpflichtet, in den nächsten Jahren 13 000 neue Wohnungen zu bauen, davon mindestens ein Drittel Sozialwohnungen. Auch soll ein besonderes Augenmerk darauf gelenkt werden, jungen Familien bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Last, but not least wird Berlin der Kauf von 20 000 Wohnungen aus dem gemeinsamen Berliner Bestand angeboten. Details dazu wie auch zum Kaufpreis gibt es noch nicht, doch zeigte sich Finanzsenator Matthias Kollatz vor der Presse zuversichtlich in zwei bis drei Monaten Nägel mit Köpfen machen zu können. Als Käufer stünden verschiedenen städtische Wohnungsgesellschaften in den Startlöchern. Vor allem gehe es um den Kauf Großsiedlungen und geförderten Beständen.

Einfluss auf Mietspiegel

Berlin käme damit bis zum Jahresende dem Ziel, in den Besitz von einem Fünftel des Berliner Wohnungsbestandes zu kommen, sehr nahe. Michael Müller, der Regierende Bürgermeister Berlins, zeigte sich überzeugt, dass es der Kommune mit dem Maßnahmenpaket gelinge, entsprechend großen Einfluss auf den Mietspiegel zu nehmen. Dieser ist die Basis der regulatorischen Steuerung. Unabhängig davon, dass das Bundesverfassungsgericht kürzlich den Mietendeckel in Berlin kippte, sei es mit dem einschlägigen Gesetz gelungen, neue Akzente zu setzen, wie die Wahlprogramme der großen Parteien zeigten.

Die lange M&A-Bilanz von Vonovia
Firmenübernahmen
NameJahrAnzahl
Dewag201411 000
Vitus201430 000
Gagfah2015145 000
Südewo201519 000
Conwert201723 000
Buwog201848 000
Victoria Park201814 000
Hembla201921 000
Quelle: UnternehmenBörsen-Zeitung