Subventionen

Wettlauf ist für die EU nicht zu gewinnen

Es gibt für die EU wirksamere Mittel, um die Unternehmen des Binnenmarktes zu unterstützen, als der Griff in den Subventionstopf.

Wettlauf ist für die EU nicht zu gewinnen

Sollte sich die EU auf einen Subventionswettlauf mit China und den USA einlassen? Um ihre Unternehmen im Binnenmarkt zu schützen, kann sie abgesehen von den Instrumenten des neuen „Net-Zero Industry Act“ auch andere Mittel einsetzen. Diese sind auf Dauer womöglich sogar wirksamer, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und den Wettbewerb in der EU zu schützen. Doch stellt ihre Anwendung höhere Anforderungen an die Politik als der Griff in die tiefen Taschen des Staates.

Die Globalisierung ist an ihre Grenzen gestoßen. Die Welthandelsorganisation (WTO) hat es nicht vermocht, ihr einen dauerhaften Rahmen zu geben. Die Konfrontation zwischen den USA und China hat sich im Laufe der Jahre verschärft. China ist ein staatskapitalistisches System, was bedeutet, dass ausländische Konkurrenten und Investoren den chinesischen Staat immer im Blick behalten müssen. Die USA haben sich entschieden, ihre Wirtschaft abzukoppeln, und halten im Investitionswettbewerb nun mit dem Inflation Reduction Act dagegen.

Die Europäer stecken zwischen den beiden Blöcken fest. Dies ist gerade für die deutsche Wirtschaft misslich. Denn diese ist besonders anfällig für Störungen, wenn grenzüberschreitende Handelsbeziehungen erschwert werden. Die deutsche Wirtschaft ist in hohem Maße mit ausländischen Volkswirtschaften verflochten. Interdependenz geht mit Risiken einher, dies wird in Zeiten der Krise deutlich. Die Deutschen wurden sich ihrer Abhängigkeiten schmerzlich bewusst, als sie im vergangenen Jahr Russland als Gaslieferanten verloren. Und schon seit einigen Jahren sehen sie sich auch einem zunehmenden Druck der Amerikaner ausgesetzt, ihre Beziehungen zu China zu überdenken.

Die EU ringt derzeit um eine gemeinsame Linie, um der Herausforderung eines sich verändernden wirtschaftlichen Weltklimas zu begegnen. Soweit die international errichteten Hürden zu Verlusten für die europäischen Unternehmen führen, muss es das vorrangige Ziel sein, diese Verluste zu kompensieren. Eine Möglichkeit hierfür wäre es sicherlich, die Kosten für lokale Unternehmen durch den Abbau staatlicher Bürokratie und steuerlicher Belastungen zu senken und so die Attraktivität des heimischen Wirtschaftsstandorts zu stärken. Doch solche Reformen sind bekanntlich schwierig – die Politik hat sich daran bisher die Zähne ausgebissen. Es bleibt abzuwarten, ob die im Dezember 2022 vom EU-Rat beschlossene sogenannte „Säule 2“ – ein Projekt zur einheitlichen Mindestbesteuerung von Großunternehmen – in der Praxis zu einer spürbaren Vereinfachung führen wird.

Mittel reichen nicht aus

Eine zweite Möglichkeit, europäische Unternehmen zu unterstützen, ist es, einfach eine Menge Geld in die Hand zu nehmen und die eigene Industrie massiv zu subventionieren, so wie es die USA tun. Die europäische Bürokratie und einzelne EU-Mitgliedstaaten liebäugeln durchaus mit Subventionen. Sie sind unter anderem Bestandteil des von der EU-Kommission vorgestellten „Net-Zero Industry Act“, der grüne Energie-Technologien in der EU ankurbeln und die Produktion solcher Technologien zurückholen soll, die in der Vergangenheit nach China und in andere Länder abgewandert ist. Die Kommission schlägt in dem Gesetzeswerk unter anderem vor, die EU-Kontrolle für Beihilfen zu lockern, die die Mitgliedstaaten Unternehmen im wirtschaftlichen Interesse der EU gewähren. Gleiches gilt für Beihilfen zur Unterstützung von Unternehmen, die im Wettbewerb mit subventionierten Unternehmen aus Drittstaaten stehen. Daneben empfiehlt die EU-Kommission die Stärkung von EU-Finan­zierungsinstrumenten. Allerdings fehlen den Europäern, soweit absehbar, die Mittel für Subventionen in einer Größenordnung wie in den USA. Dies gilt sowohl für die EU-Ebene als auch für die Mitgliedstaaten.

Kontrolle der Bedingungen

Es gibt jedoch noch eine dritte Möglichkeit für die EU, den hiesigen Unternehmen zu helfen. Man könnte alles in seiner Macht Stehende tun, um im eigenen Hoheitsgebiet die Grundsätze zu verteidigen, auf denen der Europäische Binnenmarkt beruht. Er gründet auf das Prinzip der Chancengleichheit für alle Marktteilnehmer – „unverzerrter Wettbewerb“ – und den freien Handel über Grenzen hinweg. Auch wenn der Binnenmarkt nicht störungsfrei funktioniert, ist er doch eine große Errungenschaft der EU. Zum Schutz des Binnenmarktes ist im Januar 2023 ein neues Rechts­instrument (Verordnung 2022/2560) in Kraft getreten. Es unterwirft Unternehmen, die Subventionen aus Drittländern für Tätigkeiten im EU-Binnenmarkt erhalten, ähnlichen Kontrollen, wie sie bereits für Empfänger von Beihilfen aus den Mitgliedstaaten gelten. Wenn der Schaden für den fairen Wettbewerb das Interesse der Union an einer Subvention überwiegt, kann angeordnet werden, dass diese zurückgezahlt wird oder dass andere Maßnahmen ergriffen werden, um die wettbewerbsver­zerrenden Auswirkungen abzumildern. Für Unternehmensübernahmen und Vergünstigungen, bei denen Subventionsvorteile an den Verkäufer oder die ausschreibende Stelle bei Beschaffungen weiterfließen, gibt es zwei spezielle Teilinstrumente. Es sind auch Mechanismen vorgesehen, um das Problem zu neutralisieren, dass sich relevante Informationen regelmäßig außerhalb der EU befinden und hier nicht verfügbar sind.

Das neue Instrument könnte bei konsequenter Anwendung dazu beitragen, dass faire Bedingungen für alle Marktteilnehmer im EU-Binnenmarkt durchgesetzt und Subventionseffekte neutralisiert werden. Der Schutz von EU-Unternehmen im Ausland würde indes zusätzliche Maßnahmen anderer Art erfordern, das heißt starke Antidumping- und Antisubventionsinstrumente, die nach Gegenseitigkeitsprinzipien an­gewendet werden.

Welches Vorgehen ist nun den Europäern zu empfehlen? Wer glaubt, dass der Staat im Zweifelsfall der bessere Unternehmer oder Investor ist, wird wohl darauf vertrauen, dass sich die ins Auge gefassten Subventionen der EU und der Mitgliedstaaten auszahlen werden. Wer die Hauptaufgabe des Staates hingegen darin sieht, die Regulierung zu verbessern und sich möglichst nicht in die Privatwirtschaft einzumischen, der könnte in der neuen EU-Verordnung zur Behandlung von binnenmarktverzerrenden Subventionen aus Drittstaaten einen wichtigen Baustein sehen – der im besten Fall später durch den Abbau von überflüssiger Bürokratie flankiert wird. Und wer will ernsthaft bestreiten, dass die EU – und auch ihre Mitgliedstaaten – in einem Wettbewerb um die tiefsten Staatskassen nur verlieren können?

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