Refinanzierung

Wohnungs­konzer­nen droht Fiasko

Deutschlands Wohnimmobilienkonzerne haben in der Vergangenheit ein großes Akquisitionsrad gedreht. Das rächt sich in der Zinswende, denn die aufgetürmten Schulden müssen teuer refinanziert werden.

Wohnungs­konzer­nen droht Fiasko

Von Annette Becker, Köln

Der Kurssturz der Immobilienaktien, der sich seit Beginn des Jahres vollzieht, hat sich zuletzt noch einmal beschleunigt. Anfang der Woche rutschte der Kurs von Branchenprimus Vonovia erstmals unter die Marke von 20 Euro. So billig war der Dax-Wert zuletzt vor acht Jahren. Daran ändert auch die Kurserholung zum Wochenende nichts. Für die LEG Immobilien ergibt sich ein vergleichbares Bild: Erstmals seit 2014 wurde kürzlich die Marke von 60 Euro nach unten durchstoßen. Ähnlich sieht es bei der Aktie der TAG Immobilien aus. Die angeschlagene Adler Group, die auf bestem Wege ist, zum Penny Stock zu werden, hat bekanntermaßen mit ganz eigenen Themen zu kämpfen.

Doch so drastisch der Kursverfall der Immobilienaktien auch ist, die Entwicklung der Immobilienanleihen zeigt vielfach ein noch verheerenderes Bild. So notieren insbesondere die langlaufenden, unbesicherten Bonds der Branchengrößen auf Niveaus, die normalerweise eines Investment-Grade-Emittenten un­würdig sind. Die im Juli 2020 emittierte zehnjährige Anleihe von Vonovia notiert aktuell bei 70 %, die 2021 begebene zwölfjährige Anleihe bei gut 62 % und der Bond mit 30 Jahren Laufzeit aus dem September 2021 bei nur noch 43,17 %.

Bei der LEG sieht es kaum besser aus. Die Anfang des Jahres begebene 12-Jährige notiert unter 65 %, die ebenfalls bis 2034 laufende Anleihe, die 2019 emittiert wurde, bei 62 %. Auf diesen Niveaus bewegen sich auch die Anleihekurse von Adler Real Estate, deren ausstehende Anleihen zugegebenermaßen deutlich kürzere Restlaufzeiten haben.

Neben der allgemeinen Marktschwäche im Gefolge des Ukraine-Kriegs ist der Kursverfall vor allem auf die Zinswende in den USA und in Europa zurückzuführen. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Investoren die Frage stellen, wann die Preise am Immobilienmarkt zu fallen beginnen. Jahrelang kannten die Preise für Wohnimmobilien nur eine Richtung, nämlich nach oben.

Das bescherte den Immobilienkonzernen regelmäßig satte Bewertungsaufschläge auf die Bestände. Damit ließen sich immer größere Akquisitionen bequem finanzieren, denn der Verschuldungsgrad (LTV) – Schulden in Relation zum Marktwert des Bestands – als Maßgröße für eine gesunde Verschuldung eröffnete dank der Aufwertungen weiteren Verschuldungsspielraum.

Nun hat sich das Blatt gewendet. Die UBS veröffentlichte erst dieser Tage eine Untersuchung zu Wohnimmobilien in Großstädten und kam zu dem Ergebnis, dass der Preisboom beendet ist. Nun werde nach und nach Luft aus der Immobilienblase entweichen. Drastische Bestandsabwertungen seien vorerst aber nicht zu befürchten, da die anhaltende Angebotsknappheit preisstabilisierend wirke.

Doch auch ohne milliardenschwere Abschreibungen auf die Bestände und neue Akquisitionen sind die Risikoaufschläge für Immobilienanleihen drastisch gestiegen, weiß Matthias Schell, Credit Analyst der LBBW. Sie lägen mehr als doppelt so hoch wie im Gesamtmarkt. Mit Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit hat das zumindest bei den Branchengrößen jedoch nichts zu tun. Vonovia und LEG verfügen bei Moody’s und S&P über stabile Ratings guter Bonität, einzig TAG muss sich mit einem Splitrating begnügen.

Es wird teurer

Dennoch kommt angesichts der veränderten Rahmenbedingungen an Kapitalmärkten weiteres Ungemach auf die Wohnimmobilienkonzerne zu. Denn das bisherige Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr, weil sich Investitionen – sei es in externes oder organisches Wachstum – angesichts der gestiegenen Zinsen nicht mehr rechnen. Zugleich müssen die in der Vergangenheit aufgebauten Schulden nach und nach refinanziert werden. So günstig wie in der Vergangenheit – LEG und Vonovia bezifferten ihre Durchschnittsverzinsung zum Halbjahresstichtag noch auf 1,15 % respektive 1,2 % – wird sich das zweifelsohne nicht mehr bewerkstelligen lassen.

Allen voran Vonovia dürfte diese Entwicklung vor Herausforderungen stellen, muss Deutschlands größter Wohnimmobilienkonzern doch alljährlich etwa 4 Mrd. Euro refinanzieren. In Summe standen zum 30. Juni Finanzschulden von über 45 Mrd. Euro in den Büchern, das Gros entfiel mit fast 23 Mrd. Euro auf von Vonovia emittierte Anleihen. Dazu kamen gut 3 Mrd. Euro an Social und Green Bonds. Den Markt für ESG-Anleihenmarkt haben die Bochumer in diesem Jahr erstmals angezapft.

Doch auch die LEG sitzt auf Finanzschulden von über 9 Mrd. Euro, die sich auf neun Bonds und zwei Wandelschuldverschreibungen aufteilen. Zum Schwur wird es kommen, wenn 2023 die ersten Refinanzierungen anstehen mit entsprechenden Folgen für die künftigen Zinsaufwendungen.

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