Google lässt Anleger trotz Gewinnstärke im Unklaren
Alphabet lässt Anleger im Unklaren
Investoren murren über Kommunikation zu Risiken – Intel stellt trüben Ausblick
xaw New York
Die Google-Mutter Alphabet hat ihre Gewinnstärke untermauert, Sorgen vor negativen Effekten von Washingtons Handelskrieg auf das Werbegeschäft aber nicht zerstreuen können. Im ersten Quartal steigerte der Tech-Riese den Umsatz zum Vorjahr um 12% auf 90,23 Mrd. Dollar – sowohl die Erlösentwicklung als auch der Gewinnanstieg um 46% auf 34,54 Mrd. Dollar übertrafen die Erwartungen der Wall Street. Der Überschuss pro Aktie belief sich auf 2,81 Dollar, Analysten hatten im Konsens lediglich mit 2,01 Dollar gerechnet.
Furcht vor Konjunktureinbruch
Doch während Anleger dies zunächst goutierten, hält sich die Befürchtung, dass ein Konjunktureinbruch infolge der von US-Präsident Donald Trump verhängten Importzölle die Ausgabebereitschaft von Werbe- und Cloud-Computing-Kunden einschränken wird. Die Google-Mutter lässt Investoren dabei im Unklaren, da sie mit ihren Quartalsberichten keine detaillieren Prognosen über die finanzielle Performance abgibt. Infolge der Zollankündigungen brachen die Aktien der großen Tech-Konzerne ein, in der abgelaufenen Börsenwoche erholten sie sich etwas.

Während einer Analystenschalte ging Finanzchefin Anat Ashkenazi nicht auf den Handelskonflikt ein. Anleger hatten sich Fingerzeige dazu erhofft, wie sich die Werbeeinnahmen aus dem Geschäft mit chinesischen Kunden wie den E-Commerce-Anbietern Temu und Shein entwickeln. Trump hat die Zölle auf Einfuhren aus dem Reich der Mitte auf 145% angehoben, zuletzt aber sanftere Töne gegenüber Peking angeschlagen. Chinesische Offizielle bestreiten indes, Verhandlungen begonnen zu haben, und zeigen sich bereit für einen langen Handelskrieg.
Intel weitet Verlust aus
Das Zollchaos belastet andere Tech-Vertreter bereits erheblich. Intel warnt vor steigenden Kosten und einer abnehmenden Ausgabebereitschaft von Kunden. Zwar seien die Erlöse im ersten Quartal mit 12,7 Mrd. Dollar höher ausgefallen als erwartet, da sich viele Abnehmer in Erwartung von Trumps Strafzöllen noch zu niedrigeren Preisniveaus eingedeckt hätten, sagte Finanzchef David Zinsner. Doch nach einem auf 821 Mill. Dollar ausgeweiteten Verlust stellt Intel einen schwachen Ausblick. Die Erlöse dürften sich im zweiten Quartal laut Zinsner auf 11,8 Mrd. Dollar belaufen, die Wall Street hatte mit 12,8 Mrd. Dollar gerechnet.

Intel
Der Versuch des neuen CEO Lip-Bu Tan, den Konzern mit einer Radikalkur zu sanieren, startet damit denkbar unglücklich. Der Chipveteran übernahm die Leitung bei Intel im März, nachdem der Halbleiterriese unter seinem glücklosen Vorgänger Pat Gelsinger den Boom um künstliche Intelligenz unterschätzt hatte. Vor Beginn des Booms um lernfähige Algorithmen kam die Sparte, in der die Datenzentren-Chips von Intel angesiedelt sind, im Gesamtjahr 2022 noch auf Erlöse von 16,9 Mrd. Dollar. Im vergangenen Jahr waren es lediglich noch 12,8 Mrd. Dollar.
Radikalkur für Chipriesen
Intel bezieht zwar in großem Umfang staatliche Fördermittel, hat zuletzt aber die Eröffnung einer neuen Fabrik in Ohio, deren 28 Mrd. Dollar teurer Bau eigentlich im laufenden Jahr abgeschlossen werden sollte, auf 2030 verschoben. Auch der Sinn weiterer gerade entstehender Produktionsanlagen in den USA und Europa steht nun in Zweifel. Denn Intel, die bereits unter Gelsinger den Abbau von 15.000 Stellen beschloss und die Kosten ab 2025 damit um 10 Mrd. Dollar drücken will, ringt um Einsparungen. CEO Tan will Kürzungen vor allem im mittleren Management gemäß einem Brief an die Mitarbeiter nun vom aktuellen Quartal an und für mehrere Monate vorantreiben.
Der neue Chef fährt den Ausbau der Fertigungskapazitäten zurück. Die Investitionsausgaben sollen sich 2025 noch auf 18 Mrd. Dollar belaufen, das wären 2 Mrd. Dollar weniger als bislang geplant. Zudem will Intel die operativen Aufwendungen im Vergleich zu den vorigen Zielwerten im laufenden Turnus um 500 Mill. Dollar und 2026 um 1 Mrd. Dollar drücken.
Ausgaben von Google-Mutter explodieren
Auch Alphabet will Kosten reduzieren – allerdings aus gegenteiligem Beweggrund. Denn der Tech-Riese treibt die Investitionsausgaben für KI in die Höhe. Für das Gesamtjahr peilt der Konzern weiter Kapitalaufwendungen von 75 Mrd. Dollar an, hat im ersten Quartal aber schon mehr ausgegeben als die prognostizierten 17 Mrd. Dollar. Dennoch hat Alphabet den freien Cashflow um 13% auf 19 Mrd. Dollar gesteigert, die Abschreibungskosten sind indes um 31% gestiegen. Laut Analysten dürften sie noch zunehmen.

CEO Sundar Pichai sieht „unsere einzigartige umfassende Herangehensweise an KI“ als Treiber des künftigen Wachstums. Doch da sich die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit von KI-Modellen rasant erhöht, überholen sich Anwendungen auch schneller. Zudem werden die in Datenzentren verbauten Chips zunehmend komplexer: Die aktuell von Nvidia vertriebenen, auf der Designplattform Blackwell basierenden Halbleiter bestehen beispielsweise nicht mehr nur aus einem zusammenhängenden Stück Silikon, sondern aus zwei fortschrittlichen Prozessoren und einer Reihe an Speicherkomponenten.
Enorm hohe Performance-Ansprüche
Die Zusammensetzung des Gemischs aus Silikon, Metall und Plastik muss vollkommen reibungslos ablaufen; der Defekt eines einzelnen Teils kann den ganzen 40.000-Dollar-Chip unbrauchbar machen. Für das steigende Ausfallrisiko muss Nvidia mit höheren Rückstellungen vorbauen. Unterdessen haben sich Sorgen von Anlegern, dass die Technologieriesen um Alphabet unverhältnismäßig hohe Mittel in die KI-Entwicklung pumpen, seit Jahresbeginn noch verschärft. Damals lancierte das chinesische Startup Deepseek seinen Chatbot „R1“, dessen Performance bereits mit jener führender US-Modelle mithalten kann – und das, obwohl den Entwicklern aus dem Reich der Mitte weniger fortschrittliche Chips zur Verfügung stehen und sie wohl nur einen Bruchteil der Mittel investiert haben, die US-Konkurrenten in ihre Anwendungen gesteckt haben.

Alphabet kann indes darauf pochen, die Profitabilität im Cloud-Geschäft verbessert zu haben. Während die Erlöse mit einem Anstieg um 28% auf 12,26 Mrd. Dollar knapp hinter den Erwartungen der Wall Street zurückblieben, zog der operative Gewinn im Segment um 142% auf 2,18 Mrd. Dollar an. Da vor Steuern und Zinsen auch in der Services-Sparte, in der neben der Suchmaschine das sorgenvoll beäugte Werbegeschäft angesiedelt ist, 17,2% mehr hängen blieben als im Vorjahr, stieg die konzernweite operative Marge von 31,6 auf 33,9%.
Rückkaufprogramm ausgeweitet
Entsprechend kurbelt Alphabet den Shareholder Return an. Die Quartalsdividende steigt um 5% auf 21 Cent pro Anteilsschein, zudem hat der Verwaltungsrat zusätzliche Rückkäufe der A- und C-Aktie im Volumen von 70 Mrd. Dollar autorisiert.
Doch trotz der frohen Botschaften murren Anleger über die Kommunikationspolitik des Tech-Riesen. Denn im Rahmen der Analystenschalte zur Quartalsvorlage wahrte Alphabet nicht nur Stillschweigen hinsichtlich der potenziellen Effekte des Handelskriegs auf das Geschäft, sondern auch zu rechtlichen Risiken. Zuletzt musste die Google-Mutter im zweiten wegweisenden Kartellprozess in kurzer Folge eine herbe Niederlage einstecken. Der Konzern habe ein illegales Monopol geschaffen und damit große Teile der Online-Werbeindustrie kontrolliert, urteilte ein US-Bundesgericht in Virginia Mitte April. Im vergangenen August hatte ein Richter in Washington, D.C., dem Technologieriesen bereits eine unrechtmäßige Monopolstellung im Suchmaschinengeschäft bescheinigt. Das US-Justizministerium könnte auf Basis des jüngsten Urteils laut Wirtschaftskanzleien nun versuchen, einen Verkauf von Teilen des Alphabet-Werbegeschäfts zu erzwingen.
Zerschlagung droht
Eine Zerschlagung des Technologieriesen rückte bei Behördenvertretern während der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden als Lösung für schwere Kartellbedenken in den Fokus. Das Justizministerium sieht einen Verkauf des Ad-Tech-Geschäfts, das im vergangenen Jahr 31 Mrd. Dollar und damit ein Zehntel der konzernweiten Erlöse einspielte, als Weg, um den Wettbewerb im Werbesegment zu stärken. Zudem hat die Behörde eine Veräußerung des Browsers Chrome oder des Android-Betriebssystems als Mittel ins Auge gefasst, um die kompetitiven Vorteile der Google-Suchmaschine einzuschränken. Überdies müsse der Konzern Zahlungen von 20 Mrd. Dollar im Jahr an Apple einstellen, durch die er sich die Position als Standard-Suchmaschine auf den Geräten des iPhone-Konzerns sichere, und mehr Daten mit der Konkurrenz teilen.

Im Prozess um das mutmaßliche Werbemonopol der Google-Mutter stimmte Richterin Leonie Brinkema den Vorwürfen des US-Justizministeriums zu, gemäß denen der Konzern sowohl im Werbe-Server-Markt – also als Anbieter der Technologie, über die Betreiber von Webseiten Anzeigenplätze bereitstellen – als auch im Marktplatz-Geschäft, in dem Kunden auf diese Plätze bieten, „absichtlich“ gegen den Sherman Antitrust Act zur Verhinderung unfairer Wettbewerbsgefälle verstoßen habe. Dies habe Nachteile und höhere Kosten für Werbetreibende und Verbraucher nach sich gezogen.
Jahrelange Prozesse voraus
Dagegen hätten die Kartellregulatoren keine ausreichenden Beweise dafür geliefert, dass Alphabet die dritte Sphäre des Marktes, die „Ad Networks“, die als Vermittlungsplattformen zwischen Webseiten-Betreibern und Werbetreibenden agieren, auf unfaire Weise dominiere. Die Google-Mutter teilte darauf mit, „die Hälfte dieses Prozesses gewonnen“ zu haben und in Bezug auf die andere Hälfte Berufung einlegen zu wollen. Die Klage des Justizministeriums basiere auf einem veralteten Verständnis des Werbemarkts. Auch das Suchmaschinenurteil will der Konzern wohl anfechten. Beide Prozesse könnten sich laut Wirtschaftskanzleien damit noch über Jahre hinziehen – über den genauen Ausblick sehen sich Anleger im Unklaren.