Markus Rolle, Telefonica

Telefónica sucht günstige Grünstrom-Deals

Telefónica Deutschland will sich grünen Strom günstig sichern, über Abnehmerverträge und eventuell auch über Beteiligungen an Solar- oder Windparks. Operativ spürt der Mobilfunk­anbieter bisher keinen Gegenwind.

Telefónica sucht günstige Grünstrom-Deals

Heidi Rohde.

Herr Rolle, nicht nur die rasant gestiegenen Gaspreise, auch Kostensteigungen auf breiter Front belasten das Konsumklima. Spüren Sie Auswirkungen im Neukundengeschäft?

Wir sehen hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kaufzurückhaltung. Mobilfunk- und Internetzugang gehören inzwischen zur Grundversorgung der Menschen, und da sparen sie aktuell nicht. Die Kunden verzichten offenbar eher auf einen Restaurantbesuch als auf einen Mobilfunkvertrag. Außerdem ist das Preisniveau in Deutschland und Europa für diese Services relativ niedrig, das Ersparnispotenzial also auch vergleichsweise gering. Indes sehen wir auch weiterhin eine gute Nachfrage nach neuen hochpreisigen Endgeräten, wie der neuesten iPhone-Generation.

Wie wirkt sich denn der inflationäre Kostenschub im Unternehmen selbst aus?

Bei den Investitionen in Netzelemente sind wir in der komfortablen Situation, dass wir Lieferantenverträge langfristig abgeschlossen haben. Die Preise vieler Kontrakte sind fix und enthalten keine Inflationskomponenten. Verteuerungen bei Endgeräten, wie zum Beispiel aktuellen Smartphones, können wir an die Kunden weitergeben. Die Preissteigerungen, die für uns eine wichtige Rolle spielen, sind in der Tat auch die Energiekosten. Allerdings nicht primär die Gaspreise, sondern der Strom, dessen Preis allerdings in einer entsprechenden Abhängigkeit dazu steht.

Wie reagieren Sie darauf?

Zum einen haben wir für das laufende Jahr einen Großteil unseres Strombedarfs zu günstigen Preisen abgesichert. Da ergibt sich auf Jahresbasis ein niedriges zweistelliges Millionenrisiko für den Teil des Stroms, den wir variabel einkaufen, bei dem wir also von den derzeit irrationalen Spot-Markt-Preisen teilweise getroffen werden. Bei Energie-Fragen sind derzeit allerdings nicht allein Unternehmen gefordert, Antworten aufzuzeigen. Das muss im Schulterschluss mit der Regierung passieren. Denn die richtige Energie-Strategie ist grundlegend, um Digitalisierung und Klimaziele hierzulande zu meistern und damit die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass über Jahre ein erhöhtes Energiepreisniveau droht. Wie federn Sie das ab?

Mit Blick auf die kommenden Jahre sind wir derzeit dabei, uns günstigen und vor allem grünen Strom zu sichern. Bis spätestens 2025 wollen wir bei direkt und indirekt von uns verursachten CO2-Emissionen also im sogenannten Scope 1 und 2, die Netto-Null erreichen. Entsprechend wollen wir Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energien beziehen. Hier sind wir schon sehr weit. Um noch weitere positive Effekte zu erzielen, verhandeln wir mit Partnern wie Offshore-Windpark- oder Solarparkbetreibern, um langfristige Abnahmeverträge zu schließen.

Da geht es um Investitionen in solche Anlagen?

Es gibt Equity-Modelle, bei denen wir uns an einem bestimmten Wind- oder Solarpark beteiligen könnten. Solche Modelle schauen wir uns an. Allerdings wäre das ein großer Schritt. Wir sind ein Mobilfunkunternehmen, keine Strominfrastrukturgesellschaft. Daher ist dies für uns nur eine Option von mehreren. Wenn sich langfristig sehr attraktive Kostenvorteile bieten sollten, würden wir dieses Modell möglicherweise in Betracht ziehen. Wir sehen uns jedoch vornehmlich als Abnehmer von Strom. Und als solcher sind wir sehr attraktiv für die Stromanbieter. Unsere rund 28 000 Mobilfunkstandorte sind dezentral über Deutschland gestreut und haben einen relativ stabilen Strombedarf. Das ist für viele Betreiber von erneuerbarer Energieerzeugung relevant.

Um wie viele Abkommen geht es da und wie weit sind Sie?

Wir reden hier über zwei bis drei Deals und sind in den Verhandlungen tatsächlich schon ziemlich weit. Wir müssen unter anderem entscheiden, welchen Anteil des Strombedarfs wir absichern wollen, um gegebenenfalls auch noch von wieder niedrigeren Preisen am Spotmarkt zu profitieren. In diesen volatilen Zeiten ist eine Absicherung von zwei Dritteln des Strombedarfs eine Größe, die man sich vorstellen kann.

Um welche Summen geht es denn da?

Ein Mobilfunkanbieter braucht im Jahr ungefähr eine niedrige dreistellige Millionensumme für Strom. Im Geschäftsjahr 2021 haben wir rund 730 Gigawattstunden Strom verbraucht.

5G ist energieeffizienter als der Vorgängerstandard, braucht aber in Summe absolut mehr Strom. Mit welchen Kostensteigerungen rechnen Sie?

Wir setzen derzeit viele Energiesparmaßnahmen um. Außerdem haben wir unser 3G-Netz abgeschaltet. Das spart einen substanziellen Betrag. Aber wir verdichten unser Netz auch weiterhin, und die Datennutzung verdoppelt sich unverändert alle zwei Jahre. In Summe rechnen wir daher trotz steigender Energieeffizienz in den nächsten Jahren mit einem mindestens stabilen Bedarf an Gigawattstunden.

Nach dem Verkauf der Mobilfunktürme hat man die Mietkosten. Es fällt auf, dass der Free Cashflow after Leases im Halbjahr recht kümmerlich ausfiel. Müssen die Aktionäre den Gürtel enger schnallen?

Der Free Cashflow after Leases ist eine Kennziffer, in der sich der Mittelfluss im Jahresverlauf relativ spät spiegelt. Im ersten Halbjahr wirken sich die relativ hohen Vorauszahlungen für die Miete der Mobilfunktürme ebenso aus wie die Bezahlungen für Waren im Weihnachtsgeschäft des Vorjahres. Nicht zuletzt hatten wir dieses Jahr einen Sondereffekt: im Schlussquartal 2021 lag die absolute Spitze unseres Investitionsprogramms, mit Zahlungszielen, die eben in der ersten Hälfte dieses Jahres lagen. Wir rechnen im zweiten Halbjahr mit einer deutlichen Verbesserung beim Free Cashflow after Leases. Da sind wir sehr zuversichtlich. Für die Aktionäre steht unser Versprechen einer Untergrenze von 0,18 Euro. Und wir gehen auch inklusive der erhöhten Leasingkosten davon aus, dass wir strukturell eine Deckung der Dividende aus dem Cashflow haben.

Gibt es jenseits der Funktürme noch andere Non-Core-Assets, die man als Mobilfunkunternehmen benötigt, aber nicht zwingend besitzen muss, Datencenter zum Beispiel?

Das ist durchaus eine relevante Frage. Wir sind der Meinung, dass wir die passive physische Infrastruktur – also Betontürme – nicht zwingend besitzen müssen. Für das Access und Core Network gilt das nicht im gleichen Maße. Es ist unser Kerngeschäft, die Services selbst für den Kunden anzubieten. Das ist unsere Expertise. Wir wollen die Hoheit über die Kundenbeziehung behalten und würden die Services daher nicht nach draußen geben. Allerdings stellen wir weiterhin unser Netz im Wholesale auch für andere zur Verfügung.

Wie läuft denn das Wholesale-Geschäft insgesamt, wo Sie ja per­spektivisch einen Großkunden ersetzen müssen?

Das Partnergeschäft entwickelt sich ebenfalls stark. Mit Lebara haben wir hier im Ethno-Marken-Segment einen wichtigen neuen Partner gewonnen. Diesen haben wir in Rekordzeit in unserem Netz implementieren können. Das unterstreicht zum einen, wie konkurrenzfähig unser Netz inzwischen ist, und zum anderen, wie effizient wir solche komplexen Projekte umsetzen können. Über die eigenen Netzausbaupläne des von ihnen angesprochenen Großkunden sind am Markt ja immer noch nur wenige Details bekannt. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass uns diese Kundenbeziehung dank eines kontinuierlich wachsenden mobilen Datenverkehrs mindestens bis 2025 einen weitgehend stabilen Deckungsbeitrag liefern wird.

1&1 musste kürzlich die Netzausbauziele für dieses Jahr kassieren, aufgrund von Lieferengpässen. Drohen die bei Telefónica Deutschland auch?

Wir sind sehr gut unterwegs. Wir haben zuletzt die Ausbauziele für die 5G-Abdeckung im Gesamtjahr von 50 % auf 60 % angehoben. Da unser Netz bereits steht, geht es weitgehend darum, auf die bestehende Infrastruktur neue Technologien und neue Frequenzen aufzusetzen. Das ist ein komplexes Vorhaben, aber weniger herausfordernd als ein komplett neuer Netzaufbau. Mit Blick auf die grundsätzlich angespannten Lieferketten in der Welt haben wir uns auf diese Situation bestmöglich eingestellt und betroffenes Equipment für unseren Netzausbau teils über andere Beschaffungswege sichern können. Das wollen wir auch in Zukunft mit unseren Lieferanten, mit denen wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, weiter aufrechterhalten.

Ein branchenübergreifendes Thema ist die Verankerung von konkreten ESG-Zielen in der Strategie und auch in der Management-Vergütung. Wie werden diese Kriterien im Vorstand berücksichtigt?

Nachhaltigkeit ist uns ein Anliegen aus Überzeugung und Verantwortung. Bei uns sind ESG-Kriterien umfassend in der Managementvergütung berücksichtigt, beispielsweise nicht nur eine Reduzierung der CO2-Emissionen, sondern auch Diversity-Kriterien, wie der Anteil von Frauen in Führungspositionen, und auch unsere Reputation als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen. Dies ist aktuell Bestandteil unserer variablen Vergütungskomponenten.

Wie sieht das genau aus? Nach welchen Kriterien wird denn beispielsweise ein CO2-Footprint gemessen und die Zielerreichung dann auch definiert?

Der Aufsichtsrat legt die Ziele für die Vergütung fest. Die Kriterien und deren Messung werden in unserem Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Unter anderem sind die zuvor genannten nichtfinanziellen oder ESG-Kriterien fester Bestandteil unseres Vergütungssystems. In unseren variablen Vergütungskomponenten machen diese einen Anteil von bis zu 20 Prozent aus.

CO2-Emissionen werden ja in Scope 1, 2 und 3 unterschieden, wobei insbesondere Scope 3, also die Belastungen entlang der Wertschöpfungskette als anspruchsvollste Aufgabe erscheinen. Wie weit ist Telefónica Deutschland dabei?

Wir haben uns vorgenommen, insgesamt, also für Scope 1 bis 3, bis 2040 netto neutral zu sein beim CO2-Ausstoß. Dabei orientieren wir uns an internationalen Maßstäben wie dem Greenhouse Gas Protocol, dem CDP oder der Science Based Target Initiative und haben uns genau angeschaut, wo die meisten Emissionen entstehen. Das ist im Kern bei der Herstellung und der Nutzung unserer Dienste und Produkte durch die Kunden. Wir haben die ersten Initiativen gestartet und beobachten derzeit bei über 1000 Lieferanten bereits den CO2-Ausstoß. Außerdem beraten wir kleinere Unternehmen zur Reduktion der Emissionen.

Frage: Sind solche Schritte schon nachvollziehbar im Reporting verankert?

Wir sind im Rahmen der Telefónica-Gruppe international dabei, entsprechende Berichterstattungsstandards zu erarbeiten, branchenweit beispielsweise im Joint Audit Committee. Allerdings sind wir dabei noch am Anfang. Es geht zunächst darum, Emissionstreiber und Hebel zu ihrer Bekämpfung zu identifizieren, um dann zu schauen, wie man das messbar machen kann. Im Hinblick auf das Zieljahr 2040 wird es sicherlich Zwischenschritte geben. Wir haben uns zum Beispiel vorgenommen, bis 2025 die Scope-3-Emissionen um 39 % zu senken.

Eine größere Refinanzierung von Schulden steht bei Telefónica Deutschland erst 2025 an. Gibt es angesichts der Zinswende dennoch Überlegungen, etwa den Bond über 600 Mill. Euro vorzeitig abzulösen?

Wir haben uns in der Niedrigzinsphase vorausschauend langfristig finanziert. Mit dem Anstieg der Zinsen am Kapitalmarkt haben wir uns – wie wohl die meisten Marktteilnehmer – Überlegungen zu frühzeitigen Refinanzierungen gemacht. Die „Cost of Carry“ waren einfach viel zu hoch, als dass es Sinn gemacht hätte, sich so frühzeitig mit Liquidität vollzusaugen. Grundsätzlich müssen wir für die Zukunft davon ausgehen, dass wir uns nicht mehr zu einem Niveau finanzieren werden, wie das in den vergangenen Niedrigzinsjahren üblich war.

Das Interview führte