„Ich glaube fest an einen Aufschwung in Deutschland“
Im Interview: Daniel Holz
„Ich glaube fest an einen Aufschwung in Deutschland“
Vice President von Databricks rechnet mit anhaltend hoher Nachfrage nach Cloud-Dienstleistungen – Finanzsektor als wichtiger Abnehmer von Datenlösungen
Daniel Holz sieht großes ungenutztes Potenzial in der von Wachstumsschwäche gebeutelten deutschen Wirtschaft – und erhofft sich damit künftig auch an schnellere Innovationsfortschritte. Folglich will der Vice President von Databricks, der das Geschäft des Cloud-Dienstleisters in Zentraleuropa lenkt, in der Bundesrepublik kräftig expandieren.
Herr Holz, Sie sind erst Ende April zu Databricks gestoßen, haben zuvor für Technologieriesen wie Google und Oracle gearbeitet. Wie hat sich Ihr Blick auf den Boom um künstliche Intelligenz in den ersten Wochen verändert?
Für mich hat sich bestätigt, dass künstliche Intelligenz die Zukunft des Enterprise-Software-Geschäfts darstellt und Unternehmen wie Databricks eine zentrale Rolle dabei einnehmen werden, wie wir mit Daten umgehen. Ich sehe uns künftig nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als Taktgeber eines Paradigmenwechsels, in dessen Zuge in verschiedenen Quellen schlummernde Daten für Unternehmen viel stärker nutzbar werden, um neue Anwendungen zu kreieren und Wertschöpfung generieren.
Welch Rolle spielt der deutsche Markt für Cloud-basierte Datenlösungen aus Sicht von Databricks?
Deutschland und Zentraleuropa insgesamt sind für uns enorm wichtig. Ich bin zwar erst seit kurzer Zeit bei Databricks, aber im Cloud-Geschäft von Google habe ich die Region sowie die nordischen Länder über Jahre betreut. Deutschland ist für alle Cloud- und Datendienstleister ein Markt mit großem Potenzial – allein schon aufgrund des Status als noch immer größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union. Der Automobilsektor und das verarbeitende Gewerbe nehmen in dieser Wirtschaft noch immer eine tragende Rolle ein und hier sehen wir den größten Bedarf und das größte Potenzial für die Speicherung, das Management und die Verarbeitung großer Datenströme, für die wir eine wachsende Bandbreite an Produkten im Portfolio haben. Wir kommen in Deutschland noch auf Marktanteile im einstelligen Prozentbereich und sind im Wachstumsmodus.
Gerade der Status der Bundesrepublik als führende Volkswirtschaft hat in den vergangenen Jahren allerdings erhebliche Kratzer erlitten. Wie beeinflussen die eingetrübten Wachstumsaussichten für Deutschland insgesamt Ihren Geschäftsausblick?
Obwohl die deutsche Wirtschaft eine Schwächephase durchmacht, glaube ich fest an einen Aufschwung in den kommenden Jahren. Wir hoffen sehr darauf, dass Bundeskanzler Friedrich Merz und das neu geschaffene Digitalministerium sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unter Präsidentin Claudia Plattner die richtigen Impulse setzen, um ein enormes Wachstum in der Technologiebranche zu entfesseln. Länder wie Deutschland müssen die Digitalisierung des gesamten öffentlichen Dienstes überholen, da es nur noch wenige Mitarbeiter gibt, die überhaupt mit den veralteten Systemen umgehen können. Auch dort besteht also hohes Potenzial. Wir nehmen großes Interesse in der deutschen Wirtschaft wahr, Databricks-Lösungen als Hebel zu verwenden, um Daten effektiver nutzen zu können.
Zur Person
Daniel Holz ist in seiner Karriere weit herumgekommen. Der deutsche Manager, der seit Ende April als Vice President des Cloud-Dienstleisters Databricks für das Zentraleuropa-Geschäft verantwortlich ist, war in seinen zwölf Jahren bei SAP ab 2008 unter anderem als Vertriebsdirektor für Russland in Moskau und Leiter der Türkei-Sparte in Istanbul tätig. Schließlich stieg der Absolvent der Goethe-Universität Frankfurt und der MIT Sloan School of Management, der einen Doktortitel in Business Administration der Wirtschaftsuniversität Wien hält, bei dem Walldorfer Konzern zum Managing Director für Deutschland auf. Nach nahezu vier Jahren in diesem Spitzenjob zog es ihn zur Cloud-Sparte von Google und schließlich zu Oracle weiter. Dort hielt es ihn nur kurz – denn mit Databricks will Holz ambitionierte Wachstumspläne vorantreiben.
Sie erwähnen das Digitalministerium – ergibt es denn tatsächlich Sinn, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zentral zu steuern?
Es braucht da schon ein Institution, die klar die Führung übernimmt und auf föderaler Ebene Autorität besitzt. Ich habe es in meiner Karriere bei anderen Unternehmen wie im Cloud-Geschäft von Google zu oft erlebt, dass einige Bundesländer Innovation fördern wollten und andere entsprechende Entscheidungen aus politischem Machtgehabe heraus blockiert haben. Ob das ein Ministerium sein muss oder nicht, ein Standardsetzer, auf den sich andere Behörden und Unternehmen berufen können und der eine Referenzarchitektur zum Beispiel für Cloud-Lösungen an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Sektor schafft, ist nötig. Das kann der Innovation wirklich die Schleusen öffnen.
Entscheidender Treiber des Cloud- und KI-Wachstums sind bisher allerdings die Hyperscaler, also die großen Cloud-Dienstleister um Amazon, Alphabet und Microsoft. Die Zweifel an der Nachhaltigkeit ihrer Investitionsausgaben sind allerdings unter anderem aufgrund des Erstarkens des chinesischen Startups Deepseek gewachsen. Wie wird es den Markt beeinflussen, wenn die Tech-Riesen ihre Kapitalaufwendungen in Frage stellen müssen?
Die Hyperscaler haben guten Grund, bei Investitionen in künstliche Intelligenz an ihrem hohen Tempo festzuhalten. Wenn einer von ihnen mit einer neuen Generation großer Sprachmodelle Durchbrüche erzielt, können es sich die anderen nicht leisten, nicht dabei zu sein. Das Wettrüsten wird wohl so lange weitergehen, bis es klare Signale dafür gibt, dass die Kosten für Inferenz – also die Fähigkeit von KI-Modellen, aus den im Zuge des maschinellen Lernens eingespeisten Daten Muster zu erkennen und somit auch aus unbekannten Informationen Schlüsse zu ziehen – zurückgehen. Bis jetzt zeichnet sich das noch nicht ab.
Databricks und andere Unternehmen im Tech-Sektor bleiben also vom Engagement einer kleinen Gruppe führender Konzerne abhängig?
Nein, wir sehen durchaus, dass sich der KI-Trend verbreitert. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich nicht mehr für einen Hyperscaler aktiv bin, sondern mit Databricks für ein wachstumsstarkes Software-as-a-Service-Unternehmen. Wir nutzen die Infrastruktur, die große Technologiekonzerne für Firmen wie unsere aufbauen, und zahlen dabei je nach Nutzung. Damit befinden wir uns in der glücklichen Position, nicht jedes Quartal hohe Mittel in Grafikprozessoren und Rechenzentren zu investieren, sondern auf Basis bestehender Technologie Multiplikatoreffekte erzielen zu können. Wir haben dabei außerdem die Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern, dieser Wettbewerb der Technologieriesen ermöglicht es uns auch, die Kosten zu begrenzen. Kunden im Enterprise-Software-Geschäft suchen indes ebenfalls nach Lösungen, mehrere Anwendungen künstlicher Intelligenz und große Sprachmodelle innerhalb ihrer Unternehmensarchitektur miteinander zu vereinbaren, und finden Lösungen dafür bei uns.
Databricks selbst konkurriert bei einigen Anwendungen zur Speicherung und Verwaltung strukturierter und unstrukturierter Daten mit Snowflake, hat sonst aber nur wenige direkte Wettbewerber. Wie sehr agiert Ihr Unternehmen bereits selbst im Stile eines Tech-Riesen, der kleinere Entwickler mit seiner Marktmacht erdrückt?
Wir lassen Startups sehr viel Raum, komplementäre Anwendungen auf Basis unserer Plattformen zu entwickeln. Unser CEO Ali Ghodsi ist sehr klar darin, dass er ein Open-Source-Rahmenwerk schaffen will, über das zusätzliche Dienstleistungen entstehen. Das ist für uns sehr wichtig, weil wir unser Geschäft mit professionellen Dienstleistungen so mit einem vergleichsweise kleinen Team von etwas mehr als 11.000 Mitarbeitern global viel stärker skalieren können als auf uns gestellt. Ich sehe nicht, dass wir anderen Partnern mit unserem Modell bisher wehtun würden.
Der Kryptomarkt hat mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump neuen Schub erhalten. Sehen Sie eine mögliche stärkere Nachfrage nach dezentralen Datenlösungen auf Basis von Blockchain-Technologie als Bedrohung für Ihr Geschäftsmodell?
Wir sind selbst ja nicht weit von einem Distributed-Ledger-System entfernt und kombinieren viele Vorteile davon in unserer eigenen Architektur. Unser Konzept, Daten aus verschiedenen Quellen teilbar und virtuell übertragbar zu machen und sie trotzdem innerhalb der Source-Systeme zu belassen, stellt ja schon einen sehr dezentralen Weg dar. Unternehmen aus praktisch allen Sektoren bewegen sich weg von klassischen Online-Transaction-Processing-Datenbanken (OLTP), die Daten in Echtzeit übertragen, hin zu Data Lakehouses, in denen sich alle möglichen Formen von Daten speichern und für fortschrittliche Analysen verwendbar machen lassen. Wir sehen Krypto hingegen eher als spezielles Marktsegment im Financial-Services-Bereich.
Wie wichtig ist die Kooperation mit Finanzdienstleistern? J.P.-Morgan-Vorstandschef Jamie Dimon hat sich als Stargast auf dem jüngsten Technologie-Gipfel von Databricks in San Francisco ja sehr überzeugt von den Investitionen seines Geldhauses in künstliche Intelligenz gezeigt.
Wir lieben es, mit Finanzdienstleistern zusammenzuarbeiten, da sie sich bereits gut mit Datenmanagement auskennen und einen hohen Bedarf haben, ihr Risiko-Exposure zu reduzieren. Sie sind Vorreiter darin, neue Technologien zu nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und die Produktivität zu steigern, da sie in einem besonders harten Konkurrenzkampf um Kundengelder stecken. Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister investieren mehr und mehr in Datensysteme und suchen zunehmend nach Wegen, um aus KI-Lösungen mehr für sich herauszuholen. Dieses Kundensegment ist also sehr wichtig für uns.
In welchem Umfang beeinflussen regulatorische Entwicklungen in den Vereinigten Staaten und Europa denn die Adoption von KI-Lösungen durch Finanzdienstleister?
In den USA kreist die Diskussion derzeit mehr um Kapitalvorgaben. Dagegen müssen wir uns in der Europäischen Union aktuell mit dem Digital Operational Resilience Act (Dora) auseinandersetzen, der ein einheitliches Rahmenwerk für den Umgang mit Risiken der Informations- und Kommunikationstechnologie im Finanzsektor schafft. Dieser beinhaltet hohe Anforderungen und hat unserer Rechtsabteilung bei Vertragsabschlüssen im Finanzsektor einige zusätzliche Arbeit eingebracht. Aber wir sind in der Lage, die Vorgaben zu erfüllen, und das ist ein Vorteil für uns. Deswegen haben wir aktive Vereinbarungen mit den fünf größten Finanzdienstleistern und -Institutionen Deutschlands. Natürlich werden mit wachendem technologischen Fortschritt auch die Anforderungen an den Datenschutz steigen, aber ich sehe uns da aufgrund unserer brillanten technologischen Architektur gut gerüstet.
Welches konkrete Ziel wollen Sie nun in Ihrem erstes Jahr in Verantwortung für das Deutschland- und Zentraleuropageschäft erreichen?
Wir verfügen in Zentraleuropa über hohe zweistellige Wachstumsraten und wollen das natürlich gerne so fortsetzen. In Deutschland haben wir schon große Kunden wie die Deutsche Börse und Fraport gewonnen, aber noch immer Raum zur Expansion. Nach Zuteilung der Ressourcen ist Deutschland für uns definitiv der wichtigste Markt in der Region – was aber nicht bedeutet, dass wir nicht auch bedeutend in der Schweiz, Österreich und Osteuropa investieren werden. Wir wollen dort in den kommenden zwei bis drei Jahren das nächste Level erreichen.
Welche Rolle spielen dabei Akquisitionen in der Region?
Unser Fokus liegt dabei sicher nicht auf Übernahmen. Wir wollen vielmehr Hebeleffekte aus unserem Ökosystem erschließen. Wenn wir zum Beispiel über keine Präsenz in einem bestimmten osteuropäischen Markt verfügen, arbeiten wir eben mit Systemintegratoren aus unserer Basis von inzwischen über 15.000 Kunden zusammen, die dort eventuell schon vertreten sind. Wir trainieren sie, und dann positionieren sie Databricks-Lösungen ganz automatisch im Markt. Wir können unser Potenzial aus meiner Sicht bestens organisch ausschöpfen.
Das Interview führte Alex Wehnert.