Nvidia sucht die nächste große Wette
28. Mai
Nvidia sucht die nächste Wette
Für Nvidia zieht der Handelskrieg zwischen Washington und Peking Milliardenbelastungen nach sich. Zugleich wächst die Skepsis, ob Big Tech gewaltige Investitionsausgaben für künstliche Intelligenz noch lange rechtfertigen kann. Der kalifornische Chipdesigner erschließt daher neue Einnahmequellen.
Von Alex Wehnert, New York
Nvidia hat die schlechten Nachrichten vor der Zahlenvorlage zum ersten Geschäftsquartal 2025 am kommenden Mittwoch schon vorweggenommen. Der Chipdesigner muss aufgrund härterer US-Ausfuhrbeschränkungen auf seine für den chinesischen Markt produzierten H20-Prozessoren im Ende April abgeschlossenen Viertel Abschreibungen von 5,5 Mrd. Dollar verkraften, wie er im vergangenen Monat offenlegte. Doch damit nicht genug: CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang warnte in einem Podcast zuletzt davor, dass seinem Unternehmen infolge verschärfter Exportkontrollen darüber hinaus Einnahmen von 15 Mrd. Dollar im Reich der Mitte durch die Lappen gehen.
Stimmung heizt sich schon auf
Die Investoren sind nach diesen Äußerungen vorgewarnt – Finanzblogger heizen indes schon wieder die Stimmung an. Nach einer positiven Gewinnüberraschung und einem optimistischen Gesamtjahresausblick könne Nvidia schon bald Microsoft, die derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 3,41 Bill. Dollar kommt, als wertvollstes US-Unternehmens ablösen. Die vom Datendienst Refinitiv ermittelte Konsensschätzung für den Überschuss beläuft sich auf 91 Cent pro Aktie, gegenüber dem Vorjahr würde dies einmal mehr einen Anstieg um mehr als 50% bedeuten. Von 63 Analysten, die den Titel regelmäßig beobachten, raten entsprechend 56 zum Kauf – davon 23 mit besonderer Überzeugung. Der Rest votiert auf „Halten“.
Denn trotz gewachsener Skepsis darüber, ob die gewaltigen Investitionsausgaben von Big Tech für künstliche Intelligenz (KI) zu rechtfertigen sind, pumpen die Software-Giganten weiterhin Milliardenmittel in den Ausbau der Technologie und hochleistungsfähige Nvidia-Chips. Alphabet hat auf der Entwicklerkonferenz I/O gerade erst den neuen „AI Mode“ der Google-Suchmaschine vorgestellt. Über ein neues Chatbot-Interface sollen Nutzer der Search Engine komplexere Fragen stellen können, in den USA ist die Anwendung ab sofort verfügbar.
CEOs halten an Investitionsplänen fest
Alphabet-Chef Sundar Pichai hielt zuletzt öffentlich an Plänen fest, im laufenden Geschäftsjahr 75 Mrd. Dollar für die KI-Entwicklung ausgeben zu wollen. Amazon-CEO Andy Jassy bezeichnete die Technologie in seinem jährlichen Brief an die Aktionäre zuletzt als „einmal im Leben vorkommende Neuerfindung von allem, das wir wissen“ und bekräftigte seine Überzeugung, „aggressiv investieren“ zu müssen. Gemeinsam dürften Alphabet, Amazon, Microsoft und Meta im laufenden Jahr bis zu 320 Mrd. Dollar für KI und verbundene Rechenzentren aufwenden, wie aus den jüngsten Ausblicken und CEO-Kommentaren hervorgeht.
Doch gerade die hohe Abhängigkeit von der vergleichsweise kleinen und konzentrierten Kundengruppe der Tech-Mega-Caps ist Nvidia-Anteilseignern ein Dorn im Auge. Nvidia sucht deshalb nach der nächsten großen Wette: Das Unternehmen, das seine KI-Serverplattformen nun für andere Chipentwickler öffnet und trotz des weiter akuten Handelskriegs zwischen Washington und Peking ein neues Forschungszentrum in China eröffnen will, expandiert zunehmend im Geschäft mit Nationalstaaten.
Milliarden-Deals im Nahen Osten
Zuletzt hat Nvidia einen Multimilliarden-Dollar-Chipdeal mit dem staatlich kontrollierten saudischen KI-Unternehmen Humain geschlossen. Derweil wollen die Vereinigten Arabischen Emirate in Koordination mit der US-Regierung eines der weltgrößten Datenzentren bauen. Auch Japan, Südkorea, Singapur und Schweden gehören bereits zu den Kunden von Nvidia. Der charismatische Vorstandschef Huang gibt sich dabei zunehmend als geopolitischer Superstar, der ständig rund um den Globus auf Achse ist und mit internationalen Staats- und Regierungschefs verhandelt. In der kommenden Woche muss er aber zunächst bei seiner Kernaufgabe die Investoren überzeugen.