Skeptische VÖB-Analysten

Banken reduzieren ihre Prognosen

Die Aktienanalysten der öffentlichen Banken sind vorsichtig geworden. Vom aktuellen Niveau aus erwarten sie nur noch bescheidene Kursgewinne und betonen die vielfältigen Risiken an den Märkten.

Banken reduzieren ihre Prognosen

wbr Frankfurt

Die Aktienanalysten der Mitgliedsinstitute des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB) haben auf einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz ihre Aktienmarktprognosen für die kommenden zwölf Monate vorgestellt. Im Vergleich zum September 2021 liegen die Schätzungen deutlich niedriger. Aktuell kalkulieren die Marktexperten mit vielfältigen Risiken und erwarten dementsprechend nur bescheidene Kursgewinne. Auf Sicht von zwölf Monaten vermuten die Banken den Dax zwischen 14000 und 16200 Punkten, wobei die negativste Prognose von der Nord/LB kommt und die optimistischste von der Helaba. Im September 2021 lag die Spanne zwischen 15700 und 17000 Punkten.

Vergleichsweise pessimistisch be­urteilt Volker Sack, Leiter des Corporate Researchs der Nord/LB, die Märkte und zählt eine lange Reihe von Problemen auf. Die Risiken hätten weiter zugenommen und überwögen die Chancen deutlich: Geopolitische Spannungen, andauernde Pandemie-Folgen, eine Störung der Lieferketten, steigende Staatsdefi­zite und eine wieder auflebende Schuldenkrise, Unsicherheiten über Konjunktur und eine verstärkte Inflation. Angesichts des Ukraine-Krieges müssten Anleger davon ausgehen, dass diese Probleme eine längere Zeit anhielten. Sack stellt sich die Frage: „Ist das Geschäftsmodell Deutschland krisensicher?“

Dass Rüstungs- und Stahlwerte vom Krieg profitieren, sei wenig hilfreich für die Märkte insgesamt. Wichtiger sei es, dass die Unternehmen ihre Lieferketten neu sortierten, denn Liefereinschränkungen führten zu weniger Umsatz. Kritisch sieht Sack die knappen Ressourcen – nicht nur bei Rohstoffen, sondern auch bei qualifizierten Arbeitskräften. Entsprechend erwartet er eine sehr hohe Schwankungsbreite für den Dax zwischen 11500 und 15000 Punkten.

Zeitenwende für die Börse

Markus Reinwand, Aktienstratege der Helaba, betont in seiner Analyse die grundsätzlichen Vorteile von Dividendenwerten. Die Chancen, mit Aktien diese Phase zu überleben, seien am größten – besonders mit Blick auf den realen Vermögenserhalt. Er ist unter den Analysten der VÖB-Mitglieder am optimistischsten für die Aktienmärkte und rechnet mit dem höchsten Dax-Stand bis Ende April 2023. Gleichwohl sieht auch Reinwand die Risiken und stellt fest, dass der Markt nervös ist und die Marktteilnehmer sehr verunsichert sind. Mit dem Einmarsch in die Ukraine habe eine Zeitenwende auch für die Börse begonnen: „Angst bewegt die Märkte.“ Ein Rückgang des globalen Handels und steigende Militärausgaben seien Zeichen einer großen Unsicherheit. „Dieser Mix führt dazu, dass Kursgewinne relativ schnell wieder mitgenommen werden.“

Spitze bei der Inflationsrate

Die Belastungsfaktoren seien ein „toxischer“ Mix für Aktien, schließt sich Manfred Bucher, Aktienanalyst bei der BayernLB, den Sorgen seiner Kollegen von Landesbanken und DekaBank an. Allerdings seien schon viele negative Faktoren eingepreist. „Es ist im Markt schon sehr viel Skepsis in den Kursen enthalten. Auch die Bewertungen haben sich durch die Kursrückgänge normalisiert.“ Bucher rechnet damit, dass die belastenden Faktoren in den nächsten Monaten zu einem seitwärts gerichteten Markt führen werden. Er glaubt nicht daran, dass noch Worst-Case-Szenarien eintreten werden, und sieht auch die Spitze bei den Inflationsraten erreicht. „Auch auf der Zinsseite ist am Geldmarkt schon sehr viel an Zinserhöhungen eingepreist, sodass die Überraschungen im zweiten Halbjahr vielleicht eher positiv ausfallen könnten und es nicht ganz so schlimm kommen könnte mit der geldpolitischen Straffung wie erwartet“, so Bucher.

Ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in Europa ist aus Sicht von Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie der DekaBank, eines der Probleme für die europäischen Märkte. Er nennt in dem Zusammenhang einen Inflationsanstieg, wie man ihn in der Vergangenheit noch nie gesehen habe. Der Blick zurück sei aber auch wichtig für die aktuelle Allokation. Frühere Phasen von hoher Inflation hätten gezeigt, dass Staatsanleihen in einem solchen Umfeld keinen Schutz des Vermögens bieten könnten. Demgegenüber ermöglichten Aktien zumindest einen realen Werterhalt. „Allerdings ist ein Inflationsumfeld auch für Aktien eine schwankungsreiche Phase“, so Schallmayer.

US-Zinsen attraktiv

Der DekaBank-Experte rät Investoren, Aktien mit einer günstigen Bewertung zu suchen. Von hochbewerteten Titeln in den USA rät er ab. Die massive Outperformance im Wachstumssektor werde sich nicht fortsetzen. Daher die Empfehlung von Schallmayer, im Value-Segment zu investieren. Im defensiven Be­reich bevorzugt die Bank Pharma- und Telekommunikationswerte. Mit Blick auf Anleihen sieht Schallmayer wieder erste Opportunitäten. „Wir haben in den USA einen brutalen Zinsanstieg gesehen. Damit kommen Anleihen als Alternative wieder stärker ins Spiel.“ Die Suche nach attraktiven Zinspapieren bleibe in der Eurozone jedoch schwierig. „In Europa sind Anleihen auf Jahre hinaus keine ernst zu nehmende Alternative zu Aktien.“

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